SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 41:"Es braucht Erfahrung um die Angst vor Notfällen zu verlieren"

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Sanitäter haben ein Kind nach mehreren Hundebissen versorgt. (Foto: Günther Reger)

Dass Patienten im Krankenhaus plötzlich in akute Notlagen geraten, gehört nicht zum Alltag. Es kann Jahre dauern, bis eine Pflegekraft routiniert in solchen Fällen ist. Bei Pola Gülberg und einigen bestimmen Kollegen war das jedoch anders.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Zum ersten Mal in der Krankenpflege habe ich vor gut 19 Jahren gearbeitet. Es war ein Praktikum, das Bestandteil meiner Ausbildung zur Rettungssanitäterin war. Schon als Zehnjährige bin ich der Jugendgruppe des Roten Kreuz beigetreten, mit 15 habe ich die Ausbildung im Rettungsdienst begonnen und danach bin ich einige Jahre als ehrenamtliche Rettungssanitäterin zu Notfällen ausgerückt. Dem Rettungsdienst habe ich viel zu verdanken: Zum einen die bloße Erkenntnis, dass die Pflege das Feld ist, in dem ich hauptberuflich arbeiten möchte. Zum anderen, dass ich für genau diesen Beruf etwas mitbrachte, was sich andere oft mühsam erarbeiten müssen: Keine Angst vor Notfällen.

Ein Notfall bedeutet immer eine prekäre Lage für den Patienten: Jetzt steht es spitz auf Knopf, im schlimmsten Fall geht es um alles oder nichts, etwa wenn der Patient einen Herzstillstand erleidet und reanimationspflichtig wird. Dann ist es noch wichtiger als ohnehin, den Überblick zu behalten, gewisse Rhythmen einzuhalten, von der Ärzteschaft klare Anweisungen zu erhalten und diese schnell und gleichzeitig sorgsam auszuführen. Niemand handelt in einer solchen Situation locker-flockig - auch Rettungsdienstler und Notärzte nicht. Daran ändert auch ihre reiche Erfahrung im Umgang mit Notfällen nichts, denn im Rettungsdienst bedeutet schließlich jeder Einsatz einen Notfall.

Auf Intensivstationen kommt es selten zu Notfällen

In der Klinik jedoch gehören Notfälle nicht zum alltäglichen Standardrepertoire, vor allem nicht bei uns auf der Intensivstation. Denn bei uns wird jeder Patient durch die vielen angeschlossenen Gerätschaften minutiös überwacht. Dadurch verringert sich die Gefahr, dass sich der Zustand plötzlich rapide verschlechtert und der Patient überhaupt zu einem Notfall wird. Notfälle innerhalb der Klinik geschehen meist auf anderen Stationen, wo es eine solche engmaschige Überwachung sämtlicher Werte und Körperfunktionen nicht gibt.

Das führt dazu, dass jede Pflegekraft einige Jahre Berufserfahrung benötigt, ehe sie sich eine gewisse Notfallkompetenz angeeignet hat. Theoretisch weiß freilich jeder, was zu tun ist. Ein solches Wissen ist Bestandteil unserer Ausbildung. Aber sein Know-how in der Praxis anwenden zu können funktioniert nicht einfach schwuppdiwupp. Es ist alles eine Frage der Routine.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Deshalb ist es wichtig, dass schon unsere Pflegeschülerinnen und -schüler bei Notfällen dabei sind und sich mit solchen Ausnahmesituationen vertraut machen. Dazu gehört auch, dass wir mit ihnen den jeweiligen Fall nachbesprechen. Nach der Ausbildung bleibt es ebenso wichtig, dass wir Pflegekräfte so oft es eben möglich ist bei akuten Notlagen anpacken und uns regelmäßig auf diesem Gebiet fortbilden. Es braucht Erfahrung um die Angst vor Notfällen zu verlieren.

Das ist das Schöne, wenn man wie ich eine Ausbildung im Rettungsdienst mitbringt oder wie einige meiner Kollegen bei der Feuerwehr oder einer Hilfsorganisation: Ich hatte bereits viel Routine im Umgang mit brenzlichen Situationen gesammelt, noch bevor ich den ersten Tag in der Pflege gearbeitet habe.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 37-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf_Station .

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