Gedenken in Dachau:Ein politischer Auftrag für die Zukunft

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Ministerpräsident Söder und Landtagspräsidentin Aigner gedenken am 75. Jahrestag der Befreiung der Dachauer KZ-Häftlinge des Leids der Opfer des Naziregimes. Und versprechen, die Erinnerung wachzuhalten.

Von Christiane Bracht, Dachau

Ein historischer Tag: Soldaten der 7. US-Army befreiten am 29. April 1945 32 000 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau. Der größte Wunsch der Überlebenden war es, dass die Welt von ihrem Leid und der bis dahin unvorstellbaren Unmenschlichkeit des Naziregimes erfahren sollte. Heute, 75 Jahre später, ist der Ort des Grauens nahezu menschenleer. "So leer, wie wir es nie haben wollten", sagt eine Angestellte auf dem Weg zum Mahnmal. Die KZ-Gedenkstätte ist seit Wochen geschlossen.

Die Corona-Krise hat die Erinnerungsarbeit und die Feiern zum Befreiungstag in die digitale Welt verschoben - sehr zum Bedauern der Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann. Doch nun - relativ kurzfristig - haben sich Ministerpräsident Markus Söder und Landtagspräsidentin Ilse Aigner (beide CSU) angekündigt. "Es freut mich, dass wir nun doch ein analoges Zeichen geben - selbst in Corona-Zeiten", sagt Hammermann. In anderen Gedenkstätten, wie etwa Flossenbürg, gab es bereits ein stilles Gedenken. "Da ist es nur wichtig und angemessen, dass wir uns auch präsentieren können", sagt sie.

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Der Präsident des Comité International de Dachau, Jean-Michel Thomas, erinnert in einer Videobotschaft daran, wie schwierig es war, den Wunsch der Überlebenden, die Errichtung einer Gedenkstätte zu realisieren. "Die Weitergabe der Erinnerung ist zerbrechlich", mahnte er. Der Direktor der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten, Karl Freller, versicherte indes: "Wir wollen uns der Verantwortung nicht entziehen." Und so richteten Markus Söder und Ilse Aigner symbolisch die Schleifen zweier Kränze am Internationalen Mahnmal. Der politische Wille ist klar: Das Gedenken soll weitergetragen werden.

Das Besondere der geplanten Feierlichkeiten, die nun wegen Corona abgesagt sind, war, dass mehr als 70 Überlebende mit ihren Familien kommen wollten und auch 19 Befreier. Man wollte die Erinnerungsarbeit auf eine neue Stufe heben, denn die Überlebenden sind inzwischen hochbetagt. Die Nachfahren der Opfer sollten in das Gedenken eingebunden werden und den Wunsch ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter, den Ort ihrer schmerzlichen Erinnerung zu bewahren, hochhalten.

"Von diesem Ort ist viel ausgegangen", sagt Hammermann. Sie bedauert es sehr, dass die Gäste nun nicht kommen konnten, auch dass die lange vorbereitete Ausstellung zum Außenlager Allach nicht eröffnet werden kann. Aber Hammermann hofft, dass die Feier im nächsten Jahr nachgeholt werden kann. Immerhin seien außergewöhnlich viele Spenden geflossen - die höchste lag bei 35 000 Euro.

Stiftungsdirektor Freller betont indes, dass die Sanierung der Gedenkstätte auf jeden Fall vorangetrieben wird. Bis vor sechs Wochen musste er sich um die Finanzen noch keine Sorgen machen, jetzt sieht das anders aus. Doch er gibt sich zuversichtlich: Ziel ist es, bis 2033 fertig zu sein - für den 100. Jahrestag der Eröffnung des KZ Dachau.

Mehr als 800 000 Besucher kommen jedes Jahr in die Gedenkstätte. "Sie ist ein wichtiger Beitrag, um die Menschheitsverbrechen wachzuhalten und ein politischer Auftrag für die Zukunft", sagt Söder.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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