Zum Tod von Bernhard Purin:"Sein Mut hat mir stets imponiert"

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An seiner Wirkungsstätte: Bernhard Purin ist im Alter von 60 Jahren völlig unerwartet gestorben. (Foto: Imago)

Rachel Salamander, Mirjam Zadoff, Anton Biebl und andere Weggefährten würdigen den verstorbenen Direktor des Jüdischen Museums.

Von Sabine Buchwald, Martina Scherf und Andrea Schlaier

Der plötzliche Tod von Bernhard Purin, dem Direktor des Jüdischen Museums in München, hat bei Freundinnen und Weggefährten Bestürzung ausgelöst. Über kulturelle und politische Grenzen hinweg war der gebürtige Österreicher beliebt und geschätzt. Purin selbst war nicht jüdisch, hatte aber schon als Jugendlicher begonnen, sich intensiv mit jüdischer Geschichte auseinanderzusetzen. Im Jahr 2002 hat ihn der Münchner Stadtrat als Gründungsdirektor des Museums berufen, bis zu seinem Tod leitete Purin das Haus. Alle, die ihn kannten, würdigen seinen toleranten Charakter, seinen Humor und seine fachliche Expertise.

Rachel Salamander (Foto: Florian Peljak)

Rachel Salamander, Gründerin der Literaturhandlung in München, arbeitete mehr als 30 Jahre mit Bernhard Purin zusammen, in den Jüdischen Museen Wien, Fürth und München. "Er kannte sich beeindruckend gut in der Judaica-Objektwelt aus, fand die entlegensten Fundstellen der deutsch-jüdischen Geschichte", sagt die Literaturwissenschaftlerin. "Die Judaistik verliert einen ihrer fundiertesten Kenner. Sein Mut, auch das Unkonventionelle ins Zentrum seiner Arbeit zu stellen, hat mir stets imponiert, genauso wie sein Minimalismus, geschult an der Vorarlberger Architekturästhetik."

Mirjam Zadoff (Foto: Catherina Hess)

Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, würdigt Purins Museumsarbeit: Für ihn "waren jüdische Geschichte und Kultur ein Land voll überraschender und faszinierender Storys, Objekte, Menschen und Leben", sagt die Historikerin. "Die Vielfalt der Meinungen und Denkweisen, Intellektuelles wie Alltägliches, beschäftigten ihn immer wieder aufs Neue. Er war ein scharf denkender politischer Geist und hat sich und sein Haus nie vor einen ideologischen Karren spannen lassen. Wir verlieren in München einen lebensfrohen Kollegen und einen Freund, der immer ein offenes Ohr hatte und mit dem man so wunderbar lachen konnte."

Anton Biebl (Foto: Tobias Hase/Kulturreferat)

Im Kulturreferat der Stadt München und im Jüdischen Museum, einer städtischen Einrichtung, treffen in diesen Tagen "bewegende Rückmeldungen aus der ganzen Welt" ein, sagt die Pressesprecherin. Im April werde die letzte Ausstellung, die Bernhard Purin kuratiert hat, eröffnet. Thema: "Bildgeschichten. Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt." Kulturreferent Anton Biebl sagt: "Ich habe mit Bernhard Purin 13 Jahre zusammengearbeitet. Sein plötzlicher Tod macht mich betroffen. Ich werde ihn als ausgewiesenen Experten für jüdische Geschichte, als kreativen Ausstellungsmacher und geschätzten Kollegen in Erinnerung behalten. Ernsthaftigkeit und Konsequenz in der Sache, aber auch Humor in der Vermittlung zeichneten ihn aus. Damit hat er viele wichtige Themen und Projekte in die Öffentlichkeit getragen."

Aus dem Stadtrat meldet sich Beatrix Burkhardt, kulturpolitische Sprecherin der CSU-Fraktion, und betont, Bernhard Purin habe mit seinen Ausstellungen "die Geschichte der Münchner Juden erzählt und für alle Generationen nachvollziehbar und erlebbar gemacht. Belehrend war er dabei nie, er wollte Verständnis für die Menschen. Er war kein lauter Mensch, aber gerade in seiner leisen und besonnenen Art umso deutlicher zu hören. Sein Engagement für den Erinnerungsort für die Opfer des Olympiaattentats ist nur ein Beispiel dafür. München hat mit ihm einen wichtigen Repräsentanten für die jüdische Kultur verloren." Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Manuel Pretzl, würdigt das Museum als einen "Ort, dessen Bedeutung wir auch angesichts des leider wieder zunehmenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft nicht genug würdigen können. Bernhard Purins kulturelles Wirken wird über seinen Tod hinaus eine große Bedeutung haben."

Charlotte Knobloch (Foto: Stephan Rumpf)

Auch Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, ist betroffen. "Mit Bestürzung habe ich vom viel zu frühen Tod von Bernhard Purin erfahren", teilt sie mit. "Als Leiter des Jüdischen Museums München hat er das Bild des jüdischen Münchens nicht nur auf dem St.-Jakobs-Platz mitgeprägt, sondern mit seiner unermüdlichen Arbeit auch der jüdischen Vergangenheit Münchens ein Zuhause gegeben und der Öffentlichkeit die Tür zu ihrer eigenen jüdischen Geschichte aufgestoßen. Bernhard Purin hinterlässt ein außerordentliches Werk, an das anzuknüpfen für niemanden ein Leichtes sein wird." Ihr Mitgefühl gelte den Angehörigen und den Mitarbeitern des Museums, denen die Israelitische Kultusgemeinde "jede Hilfe und Unterstützung, die wir in dieser schweren Zeit leisten können", anbiete.

Andreas Renz, Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit München, arbeitete mit Purin seit 2006 bei den sogenannten Zeitzeugengesprächen zusammen. "Ich erlebte ihn dabei als höchst kompetenten und zugleich sehr humorvollen Menschen, der nicht sich selbst, sondern die Sache und das gemeinsame Anliegen in den Mittelpunkt stellte. Wir verlieren mit ihm einen wichtigen Experten seines Faches und einen liebenswerten Menschen."

Professor Michael Brenner (Foto: Stephan Rumpf)

Der Historiker Michael Brenner, Inhaber des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität, sagt: "Bernhard Purin wird vielen Menschen durch die Erinnerungen an die von ihm organisierten Ausstellungen zu originellen Themen, wie etwa zur jüdischen Biergeschichte, in Erinnerung bleiben. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Studierenden unseres Lehrstuhls hat über viele Jahre hinweg einige sehr schöne kleinere Ausstellungen, so auch zum jüdischen Leben in München während der 50er und 60er Jahre, hervorgebracht."

Eva Ehrlich von Beth Shalom (Foto: Catherina Hess)

Für die Liberale jüdische Gemeinde München Beth Shalom erinnert Eva Ehrlich, Vorsitzende des Gemeindevorstands, an Bernhard Purin. Es sei ihm wichtig gewesen, "im Jüdischen Museum nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die jüdische Gegenwart in allen ihren Aspekten sichtbar zu machen. Dabei hat er von Anfang an auch eine enge Kooperation mit Beth Shalom gesucht und zahlreiche Veranstaltungen in seinem Museum ermöglicht, besonders kulturell im Festjahr 2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland." Unvergessen bleibe ihr auch, "wie er sich mit uns gefreut hat, als wir in einem öffentlichen Gedenkgottesdienst am 7. November 2008 zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht im Jüdischen Museum München verkünden konnten, dass der Stararchitekt Daniel Libeskind für die Liberale jüdische Gemeinde München Beth Shalom eine Synagoge entwerfen wird. In Bernhard Purin verlieren wir einen Freund und Förderer."

Marian Offman, interreligiöser Beauftragter der Stadt München (Foto: Stephan Rumpf)

Auch Marian Offman, der als einziger Jude im Münchner Stadtrat sitzt, inzwischen für die SPD, trauert um Bernhard Purin. "Er konnte jüdisches Leben mit viel Empathie nahbar in die Münchner Stadtgesellschaft vermitteln" und "er war zu Hause im Judentum", sagt der 76-Jährige. "Über 20 Jahre tauschten wir uns über jüdische und andere Themen aus. Seine Kenntnisse waren profund und die Gespräche mit ihm stets bereichernd und oft heiter." Der Verstorbene sei ein streitbarer Geist gewesen. Auch das habe sie gelegentlich geeint. "Bernhard wird mir fehlen. Möge seine Seele eingebunden sein im Bündel des ewigen Lebens."

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