Nachruf:Bernhard Purin überraschend gestorben

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Große Trauer um Bernhard Purin, der völlig unerwartet gestorben ist. (Foto: Daniel Schvarcz/dpa)

Der Direktor des Jüdischen Museums wurde 60 Jahre alt. In München entwickelte er unter anderem den 2017 eröffneten Erinnerungsort für die Opfer des Olympia-Attentats mit und machte sich mit originellen Ausstellungen einen Namen.

Von Martina Scherf

Er war ein leidenschaftlicher Museumsleiter und akribischer Forscher, ein humorvoller und wenn nötig auch streitbarer Geist. Das Jüdische Museum München verdankt seinem Gründungsdirektor viele international beachtete Ausstellungen zur Geschichte und Gegenwart des jüdischen Lebens in München, oft mit ungewöhnlichem Blick. Jetzt ist Bernhard Purin überraschend im Alter von 60 Jahren in München gestorben.

Ein Geschichtslehrer hatte bei dem Österreicher das Interesse für jüdische Geschichte geweckt. 1963 in Bregenz als Sohn des Architekten Hans Purin geboren, durchstreifte er schon als Schüler mit seiner Kamera das ehemalige Jüdische Viertel der unweit gelegenen Stadt Hohenems. Dieses Interesse ließ ihn nie wieder los. Er studierte Kulturwissenschaft und Geschichte in Tübingen und war anschließend am Aufbau des Jüdischen Museums Hohenems beteiligt.

Schon damals, sagen Weggefährten, habe er sich "mit Verve" gegen den oft naiven Umgang mit Objekten der jüdischen Überlieferung gewehrt und immer auf genaue Objektrecherche bestanden. Als Kurator am Jüdischen Museum Wien entwickelte er Anfang der 1990er-Jahre eine der ersten Ausstellungen zur Raubkunst.

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Dann wechselte er nach Bayern. Seine Zeit als Leiter des Jüdischen Museums Franken war begleitet von Auseinandersetzungen um die Freiheit der Kunst. In einer Ausstellung mit Arbeiten der jüdischen Künstlerin Anna Adam konnten Vertreter jüdischer Organisationen den satirischen Ansatz nicht erkennen. Sie forderten die Schließung der Ausstellung und die Abberufung Purins. Doch er stand diese Anfechtungen durch, genoss in der Fachwelt längst hohes Ansehen und wurde schließlich 2002 zum Gründungsdirektor des Jüdischen Museums München berufen.

Purin wollte weg von der reinen Opferperspektive, er richtete seinen Blick auf den jüdischen Alltag, in der Geschichte und in der Gegenwart. "Wir wollen zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, jüdische Identität zu haben. Religion ist ein ganz wichtiger Aspekt, aber nicht der einzige", erklärte er zur Eröffnung 2007. Und so begegnet man in der Dauerausstellung "Stimmen-Orte-Zeiten" Stimmen von Zeitzeugen, Ritualobjekten, Fotografien, Videos und Comicstrips.

Das Jüdische Museum am St. Jakobsplatz. (Foto: Stephan Rumpf)

Zu Purins originellsten Ausstellungen gehörte sicherlich "Bier ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten" im Jahr 2016. Ungewohnte Perspektiven bot er auch mit "Judn ohne Wiesn. Begegnungen mit Münchnerinnen und Münchnern in Tracht", "Never Walk Alone. Jüdische Identitäten im Sport" oder "Sieben Kisten mit jüdischem Material. Von Raub und Wiederentdeckung 1938 bis heute" und in der aktuellen Schau " München Displaced. Der Rest der Geretteten".

Purin war weltweit als Experte für Judaica geschätzt und auch in der internationalen Fachwelt gut vernetzt: Er gehörte der Association of European Jewish Museums an und saß in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten. In München war er federführend an der Entwicklung des 2017 eröffneten Erinnerungsorts für die Opfer des Olympia-Attentats beteiligt.

"Der plötzliche Tod Bernhard Purins ist nicht nur ein schmerzlicher Verlust eines außergewöhnlichen und politisch engagierten Menschen", schreibt Jim Tobias vom Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts auf der jüdischen Online-Plattform Hagalil. "Wir verlieren mit Bernhard Purin einen engagierten und kompetenten Kollegen, der mit seinen Forschungen und seiner musealen Vermittlungsarbeit neue Standards gesetzt hat."

Noch vor wenigen Tagen hatte Purin der Süddeutschen Zeitung erklärt, warum es wichtig sei, für Freiheit und Demokratie zu demonstrieren. "Ich gehe zur Demo, weil ich seit mehr als zwanzig Jahren in einer Kulturinstitution arbeite und miterlebt habe, wie in vielen Nationen meist (rechts-) populistische politische Kräfte versuchten, die Geschichte ihrer Gesellschaft umzuschreiben", sagte er. In einem Nachruf von Freunden und Kollegen heißt es zum Tod des beliebten Museumsleiters: "Sein unbestechliches Urteil und sein Humor, seine Loyalität und Freundschaft, seine Integrität, seine tiefe Kenntnis und seine ungewöhnlichen und überraschenden Zugänge zur Welt der jüdischen Objektgeschichte werden uns fehlen".

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