Wird der härteste Hund des Hip-Hop weich auf seine mittelalten Tage? Neulich machte der New Yorker Rapper 50 Cent Schlagzeilen mit einer Wohltätigkeitsaktion: Irgendwo in der walisischen Provinz hatte er ein Frauen-Fußball-Team eingekleidet. Und zwar nicht in knappsten Glitzerfummeln, wie er es mit seinen Hintern-schüttelnden Tänzerinnen auf der Bühne und in Videos macht, denn das hätte in dem Fall sicher einen Aufschrei gegeben, der ihm anderseits sonst auch ziemlich egal wäre. Aber hier ging es um 14-Jährige, die Mädchenmannschaft des AFC Rumney, und der spendierte der Mann, bürgerlich Curtis Jackson III., einen Satz Trikots und Trainingsanzüge. Sie trägt nun eine Saison lang "50 Cent" und den Namen seiner Marke und seines Musiker-Kollektivs "G-Unit" auf den Leibchen.
Was sein Herz erweicht hat, ist nicht genau bekannt. Angeblich war ein Spielerinnen-Vater berufsmäßig mit 50 Cent auf Tournee, und hat ihn dabei gefragt: "Hey Fiddy, haste mal 'n paar Pfund für die Girls?" Hatte er locker. Der Rapper lässt sich ja nie lumpen, nur gibt es auf seinen Tourneen normalerweise mehr Blingbling, wie man bei Instagram-Videos in jeder Konzert-Stadt sieht: Da geht es um Masseurinnen, von Chef-Köchen zubereitete Speisen, schwarze Limousinen, Hantel-schwere Goldketten und -kreuze, Kroko-Leder-Westen, Versace-Hosen, oft tritt ein ulkiger Pilot ins Bild, der erzählt, wo der Privatjet gerade gelandet ist. Und auf der Bühne darf Busta Rhymes, noch so einer der großen Schwerenöter des amerikanischen Hip-Hop ("Put Your Hands Where My Eyes Could See"), den 50 Cents derzeit als Anheizer auf Reisen mitnimmt, großzügig Schampus versprudeln.
Wer jetzt fragt: Was hat denn das alles mit der Kunst zu tun? Der hat in den 50 Jahren Hip-Hop, die heuer groß gefeiert werden, das Kapitel 50 Cent verschnarcht. Was eigentlich gar nicht möglich war, denn eine Weile lang war 50 Cent alles im Hip-Hop, oder zumindest taten er und seine Fans Anfang des Millenniums so: Curtis Jackson war der Krösus der auch heutzutage nostalgisch zelebrierten "Y2K"-Ära. Hip-Hop-Kultur war eine Halbstarken-Fantasie aus Macht, Autos, Knarren, Exzess, Gold und wackelnden Pos und Brüsten. Und vor allem darum ging es eben auch in seinen großen Hits wie "In Da Club" ("I'm into havin' sex, I ain't into makin' love") oder "Candy Shop", wo er sich als Doktor der Liebe mit seinem Zauberstab aufputscht. Reime wie Viagra.
Das größte Problem von Berliner Klein-Ganoven-Rappern war ja immer, dass sie derlei ernsthaft nachzuahmen versuchten. Bei 50 Cent immerhin war das schlüssig. Er hatte sich all das verdient: die Kohle, die Platin-Alben, den Respekt, den Hass der Neider. "Mein Image ist großartig. Ein Repräsentant für die Hoffnung vieler Menschen zu sein, es von unten an die Spitze zu schaffen, ist immer aufregend", so schätzte der Ghetto-Gigant seine Rap-Mission in einem Interview mit dem Magazin Laut ein.
Sein Leben ist Legende: Gossenkind im Viertel South Jamaica, Queens, New York; der Vater unbekannt, die Mutter wird nachts bei einem Einbruch im Schlaf vergast, als Curtis acht Jahre alt ist; erster Knastaufhalt wegen Dealens mit zwölf. Er kann mehr: rappen. Der große Jam Master Jay von Run DMC entdeckt und fördert ihn. Aber er steckt im Milieu und das Milieu in ihm. Als ihn bei einer Schießerei neun Kugel treffen, überlebt er, verdient sich den Titel "Immortal Street King", verliert aber seinen Plattenvertrag. Er dealt wieder, um sich neue Demo-Bänder leisten zu können. Auch als ihn die Superstars Dr. Dre und Eminem auffangen und groß aufpumpen, knallt 50 Cent immer wegen Drogen, Gewalt und Sex-Video-Affären in den Dreck.
Aber seine Geschichte ist zu echt, sein Ehrgeiz steckt an: Das Klassiker-Album "Die Rich or Die Tryin'" verkauft sich 15 Millionen mal; Porno-Nummern wie "Candy Shop" und "P.I.M.P." wurden weltweit von der Mittelklasse-Jugend mitgerappt, ein autobiografischer Film mit Fiddy als er selbst wird wenigstens von den Fans gefeiert (ist aber bei weitem nicht so kunstvoll wie Eminems "8 Mile"); den Bravo-"Otto" bekommt er auch.
Natürlich war das noch nicht das happy End. 50 Cent - immer gut für einen markigen Spruch für Waffenbesitz und Donald Trump und gegen Trans-Menschen - stritt mit so ziemlich jedem Kollegen, auch der eigenen Gruppe G-Unit (G für Guerilla). Viel Feind, viel Ehr. Gangster-Rap-Geschäft. Und das läuft, abgesehen von einer Privatinsolvenz mit 45 Millionen Euro Schulden 2015, angeblich prima. Unternehmerisch ist er jedenfalls pfiffig: Er verkauft millionenfach Klamotten, Handy-Klingeltöne, Selbsthilfe-Bücher und Videospiele; über seinen Deal, Wasser Vitamine zuzusetzen und die Firma für 4,1 Milliarden zu verkaufen, wundert er sich in "I Got Money" selbst: "I took quarter water sold it in bottles for two bucks / Coca-Cola came and bought it for billions, what the fuck?"
Derzeit hat er Edleres im Angebot. Seine Schnapsfirma Sire-Spirits verkauft Cognac und Champagner, auch auf den Konzerten. Viel neue Musik wird man nicht hören, sein jüngstes Album "Animal Ambition" ist von 2014. Künstlerisch lebt sich Curtis Jackson derzeit eher als Regisseur, Produzent und Schauspieler mit meist ziemlich heftigen Filmen und Fernsehserien wie "Power", "For Life" und "Black Mafia Family" aus. Zu erzählen hat 50 Cent eben immer was, und sei es zur Selbstvergewisserung auf der "Final Lap"-Tour, die aber wohl nicht seine letzte Runde sein wird: "Ich bin immer noch riesengroß rund um den Globus."