Es gibt Szenen, ganz nüchtern festgehalten auf Kamera, die sind so unfassbar, dass man das gar nicht glauben mag, wie da einfach ein paar Journalisten drum herumstehen, ihren Job verrichten, mitschreiben und aufzeichnen konnten. Die Kamera war die eines brasilianischen Fernsehsenders im Jahr 1978, das Geschehen spielte sich auf einer Polizeistation in São Paulo ab. Da hatte sich Gustav Wagner zwar gestellt, Chefaufseher des Vernichtungslagers Sobibor, doch er tat so, als wüsste er nichts vom Massenmord. Auf der Polizeistation ist da auch Shlomo Szmajzner, einer der wenigen Überlebenden des Lagers. Er erkennt den Mann sofort, "das ist der Oberscharführer Wagner", sagt er und wendet sich dann vom Reporter ab. Er redet auf Portugiesisch auf Wagner ein, der vom anderen Ende des Raums auf ihn zukommt: "Weißt du, was mir das bedeutet? Hast du dir das mal überlegt? Hast du wirklich nicht den Mut zu sagen, was du getan hast? Sei doch ein Mensch und erzähl die Wahrheit, heute nach 36 Jahren. Sei doch mal ein Mann und erklär dich, schäm dich, und sag die Wahrheit." Wagner steht Szmajzner inzwischen gegenüber, er trägt ein Hemd mit weit offenem Kragen, er zieht an seiner Zigarette. Und er grinst.
Doku "Shlomo - Der Goldschmied und der Nazi":Wer war Shlomo Szmajzner?
Lesezeit: 4 Min.
Eine Doku über einen Holocaust-Überlebenden - und einen Verdacht.
ZDF-Doku "Hitlers Macht":Sie wussten, was geschah
Die ZDF-Doku "Hitlers Macht" macht die Begeisterung für das Nazi-Regime nachvollziehbar, spart aber an entscheidender Stelle: beim Antisemitismus.
Lesen Sie mehr zum Thema