Es soll Menschen geben, die noch an die Vernunft der großen Koalition glauben. An die Vertreter der ehrenhaften Parteien CDU, CSU und SPD. Die am Montagabend eingeschaltet hatten bei der Politsendung "Hart aber fair" in der Hoffnung, diese Parteien reißen sich nun endlich mal zusammen und wollen ein ordentliches Bild abgeben. Es dauerte nur zehn Minuten, da war diese Hoffnung dahin. Bei all jenen, die auf diese Parteien bauen als Hort für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und verlässliches Regieren musste ein Gefühl zwischen Fassungslosigkeit und Empörung aufkommen.
Die Sendung offenbarte binnen dieser zehn Minuten das politische Dilemma des Landes. Das Thema lautete: "Ein Jahr nach der Wahl: Verstehen die Bürger diese Regierung noch?" In einem Einspieler direkt zu Beginn kam ein Mann aus Dortmund zu Wort, Rentner, Schlapphut, Sonnenbrille. Was ihn störe? "Das ganze Theater, zum Beispiel mit dem ... wie heißt er noch mal? (Der Reporter warf an dieser Stelle ein: 'Herr Maaßen.') Haben die nix anderes zu tun?". Schöner hätte man nicht fragen können. Kurz darauf erhielten die Studiogäste von der großen Koalition das Wort: Stephan Mayer von der CSU beispielsweise, Staatssekretär im Innenministerium, sowie Michael Müller, Berlins Regierender Bürgermeister von der SPD. Es stellte sich verblüffend schnell heraus, dass sie offenbar wirklich nichts anderes zu tun haben.
CDU, CSU und SPD hatten sich ja tags zuvor in der unendlichen Causa des umstrittenen Hans-Georg Maaßen geeinigt, der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz wechselt auf einen neuen Posten ins Innenministerium. Nach zwei Wochen Streit. Jetzt lederte Müller wieder los: "Herr Maaßen hätte entlassen werden müssen, ohne Wenn und Aber!" Woraufhin Mayer zurücklederte: "Das Chaos hat ausschließlich die SPD zu verantworten." Minutenlang ging es hin und her. Das Kamerabild schwenkte mittendrin auf Jörg Meuthen, Bundessprecher der AfD, der genüsslich grinste. Und dann den Kopf schüttelte.
"Je länger die regieren, desto mehr werden wir wachsen"
Es waren Minuten, in denen das politische Desaster dieser großen Koalition wie im Brennglas über die Bildschirme der Nation flimmerte. Hier zwei, die sich zum x-ten Mal wegen der gleichen Sache ankeifen, obwohl sie sich kurz davor noch auf einen Kompromiss geeinigt hatten. Dort die AfD, die nicht mehr tun muss, als mit dem Kopf zu schütteln, um das Gefühl einer bestimmt nicht kleinen Zuschauerzahl auszudrücken. Jörg Meuthen gab sogar zu, wie einfach es derzeit für seine Partei sei. "Je länger die regieren, desto mehr werden wir wachsen. Sie liefern tatsächlich allen Anlass dazu. Alle Parteien in der Opposition werden profitieren. Und wir vielleicht ganz besonders." Nach den ersten zehn Minuten "Hart aber fair" war dem schwer zu widersprechen.
Das merkten dann offenbar auch die Herren Mayer und Müller und hielten sich in den restlichen 65 Minuten mit gegenseitigen Angriffen zurück. Aber auch das steht ja sinnbildlich für die Berliner Politik im Herbst 2018! Allein die Angst vor der AfD scheint die Regierungsparteien noch zu disziplinieren. Ihre Vertreter können die gegenseitige Ablehnung jedenfalls nur noch schwer verheimlichen. Bis zu den Landtagswahlen in Bayern am 14. Oktober und zwei Wochen später in Hessen dürfte sich daran erst einmal nichts ändern. Was dann kommt, weiß niemand. Kehrt Ruhe ein? Kommt es zum großen Knall?
Im Fernsehstudio versuchten die Gäste wegzukommen von persönlichen Animositäten - es sollte um Sachthemen gehen. Doch selbst hier wurde deutlich, warum die große Koalition sich so schwer tut, ihre Politik zu vermitteln. Der CSU-Mann lobte seine Mütterrente, der SPD-Mann seine Erwerbsminderungsrente. Um aber zu erklären, was das jeweils genau ist und wer davon wie profitiert, hätten sie wohl sieben "Hart aber fair"-Sendungen gebraucht.
Dann das nächste Groko-PR-Desaster: Die Redaktion spielte Informationen zur Grundrente ein, auf die sich Union und SPD geeinigt haben. Sie bedeute, dass arme Rentner, die 35 Jahre ins System eingezahlt haben, künftig 80 Euro mehr im Monat kriegen. Woraufhin AfD-Mann Meuthen sagen durfte: "Ist das ihre Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit? Ich hab eine andere."