Noch schlechter auf die EU ist allerdings ein Deutscher zu sprechen: Günter Verheugen, SPD, ehemaliger Erweiterungskommissar und Industriekommissar der EU. Er schimpft ordentlich über seinen Ex-Arbeitgeber. "Die Briten haben einen Anspruch darauf, dass die EU mal was Neues vorlegt", sagt er. Denn der Brexit-Deal sei kein Diktat der EU gegenüber Großbritannien. Doch Brüssel habe von Anfang an klargemacht: "Das Spiel wird nach unseren Regeln gespielt." Dabei seien die Probleme lösbar, sagt Verheugen.
Verheugens Auftritt zeigt, dass die EU keineswegs gefeit ist davor, dass der politische Streit in London nach Brüssel überschwappt. Bislang treten die übrigen 27 Länder geeint auf, doch es gibt auch hier Kritiker der Verhandlungstaktik.
Eine Grenze zwischen Irland und Nordirland? "Das ist eine Insel, nicht einmal eine große Insel", sagt Verheugen, "wenn sie da was kontrollieren wollen, können sie das an den Häfen und Flughäfen machen." Man brauche keine Personenkontrollen, und das Handelsvolumen sei lachhaft. Eine Zollunion komme vor allem wegen der EU nicht zustande. Denn die besteht auf Vorbedingungen, die für Großbritannien nicht akzeptabel seien: der Europäische Gerichtshof als oberste juristische Instanz, keine Mitsprache der Briten bei der Handelspolitik, Nachvollzug aller europäischen Regelungen, ohne mitreden zu können. Verheugens Frage: "Ist das der richtige Umgang mit einem wichtigen Partnerland?" Für ihn stehen diese EU-Regeln zur Debatte.
Das dürften Verheugens alte Kollegen in Brüssel nicht gerne hören. Gelten doch dort die Binnenmarkt- und Zollunion-Regeln als sakrosankt, um die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Wer dabei sein will, muss Vorteile und Nachteile akzeptieren, Rosinenpickerei ist unerwünscht. Doch Verheugen bleibt dabei: "Brüssel hat ein Lehrstück dafür geliefert, wie man nicht mit einem Mitgliedsland umgehen darf, das raus will."
Greg Hands nickt bei diesen Worten gerne, ohne dabei freilich seinen sehr kritischen Blick zu verlieren. Widerspruch kommt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ARD-Korrespondentin Dittert. Die Schottin Whitford ist sowieso für einen Verbleib ihres Landes in der EU und zählt allerlei Vorteile auf: zum Beispiel die Europäische Arzneimittel-Agentur oder die Europäische Chemikalienagentur. Das klingt gut, und die meisten Zuschauer dürften etwas dazugelernt haben.
Wie es nun weitergeht? Dittert sagt: "Es ist das Allerschwierigste, eine annähernd stimmige Prognose zu machen." Auch das hört sich auf einem deutschen Sofa am Sonntagabend gar nicht so schlecht an. Es nährt die Hoffnung, dass noch ein paar Folgen der Brexit-Saga in Produktion sind. Und Anne Will, Maybrit Illner und all die anderen Talkshow-Macher müssen ja irgendwas zum Reden haben. Der Gruselfaktor des Brexit ist da schwer zu überbieten.