Favoriten der Woche:Diese Gedichte sind ein Geschenk

Lesezeit: 4 min

Die Sonderausgabe von "Dreizehn Gedichte" enthält: Neun Gedichte. (Foto: https://dreizehnplus13.de)

Poetische Weihnachtsgrüße in einem digitalen Band mit Hilde Domin, Heinrich Heine oder Nelly Sachs: Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von Sofia Glasl, Laura Hertreiter, Marc Hoch, Peter Laudenbach und Helmut Mauró

Geschenkte Gedichte: "Gegen Antisemitismus, für das Erinnern"

Wer Weihnachtsgrüße per Mail und Whatsapp verschickt, kann in diesem Jahr einen digitalen Gedichtband anhängen, der niemanden kaltlässt. Denn in der Reihe "13 Gedichte" ist diese Woche eine Sonderausgabe erschienen, die man auf der Webseite dreizehnplus13.de kostenlos herunterladen kann. Unter dem Titel "Gegen Antisemitismus, für das Erinnern" haben Herausgeber Oliver Wurm und und Autorin Katharina Pütter Gedichte von Heinrich Heine, Else Lasker-Schüler, Kurt Tucholsky, Selma Merbaum, Rose Ausländer, Nelly Sachs, Hilde Domin, Mascha Kaléko und Erich Fried mit Texten zu Werk und Lebensgeschichte ergänzt. Auch für Neujahrsgrüße geeignet, zum Beispiel wegen Hilde Domins Gedicht "Wer es könnte". Es geht so: "Wer es könnte/die Welt/hochwerfen/dass der Wind hindurchfährt." Laura Hertreiter

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Theater: "Bucket List" an der Berliner Schaubühne

Der Sarkasmus ist Yael Ronen vergangen: Szene aus "Bucket List". (Foto: Ivan Kravtsov/Schaubühne Berlin)

Yael Ronen hat mit den Proben für ihr neues Stück an der Berliner Schaubühne kurz nach dem 7. Oktober begonnen, und das merkt man der Inszenierung an. Es ist der Versuch einer gemeinsamen Traumabewältigung mit Mitteln der Kunst, mit betörendem Gesang und hinreißend schöner - manchmal vielleicht sogar etwas zu schön in tröstenden Harmonien schwelgender - Musik von Shlomi Shaban, dem israelischen Leonard Cohen. Der beißende Sarkasmus ihrer Inszenierungen am Maxim Gorki Theater ist Ronen bei ihrer Rückkehr an die Schaubühne vergangen. Ruth Rosenfeld, Damian Rebgetz, Carolin Haupt und Moritz Gottwald stellen sich in dem gut einstündigen Abend zwischen Theater und Musical die Frage, wie das Leben weitergeht, wenn die vertraute Welt gerade verwüstet wird. Von den alten Gewissheiten sind nur noch "Müllhalden" übrig, "ich wache auf unter den Ruinen meiner früheren Wirklichkeit". Wenn Theater heilen kann, dann so. Peter Laudenbach

Film: "Chicken Run - Hennen rennen"

Die Hühner sind diesmal auf Küken-Rettungsmission. (Foto: Aardman/ Netflix)

In dieser Agenten-Mission entscheidet kreativer Pragmatismus. Da wird ein Fadentrenner zum Universalschlüssel, Stricknadeln zu Samurai-Schwertern und ein Kleiderbügel samt Wäscheleine zur Seilrutsche für die Flucht. Das Kommando: ein entschlossener Hühnerhaufen, bis unter die gar nicht mal so sprichwörtlichen Zähne mit Haushaltswaren bewaffnet.

Reales Geflügel hat natürlich kein Gebiss, doch das gab es für die Helden des Films "Chicken Run - Hennen rennen" von ihren Erfindern beim britischen Animationsstudio Aardman gratis mit dazu. Nach 23 Jahren schicken sie ihre erfolgreichen Hühner endlich in ein neues Abenteuer: Im ersten Teil flohen sie aus einem Mastbetrieb in die Freiheit, nach Manier von Steve McQueen in "Gesprengte Ketten". In der Fortsetzung "Chicken Run: Operation Nugget" gerät ein forsches Küken in eine Fast Food Fabrik, und die Familie muss eine "Mission Impossible" einleiten.

Das zahnreiche Grinsen haben die Hühner mit ihren Kollegen aus den anderen Aardman-Filmen gemeinsam, allen voran "Shaun das Schaf" und "Wallace & Gromit". Mit den traditionell handgemachten Welten aus Plastilin und augenzwinkernden Filmbezügen trotzt das Studio wacker dem CGI-Zeitalter. Die Knetanimationen haben eine stabile Fanbase, die Ende November ziemlich in Aufruhr war. Die Nachricht vom Aus des Knetherstellers Newclay, Haus- und Hoflieferant für Aardman, trübte die Vorfreude auf Teil zwei des Hühnerabenteuers. Angeblich reichten die Knetvorräte nur noch für einen letzten Film, so die Meldung. Und nun?

Glücklicherweise sind Aardmans Knetwelten von Erfindern, Handwerkern und Bastlern bevölkert, die mit ihren MacGyver-Fähigkeiten aus allem das Beste machen. Deshalb tragen die Hühner nicht nur selbst gestrickte Mützen, sondern auch Pfadfinderrucksäcke, prallvoll mit Lösungen für jede Lebenslage. Auch das Studio hat vorgesorgt: Die Lagerräume sind noch mit Knete gefüllt und das Labor tätig. Wie die Erfinder der Filme seien auch die hauseigenen Tüftler fleißig, versicherte das Studio. Experimente mit neuen Materialien seien im Gange und die Produktionen der nächsten Jahre gesichert - und somit natürlich auch das Hühnerlächeln mit Überbiss. Sofia Glasl

Fotografie: "Die große Retrospektive" von Saul Leiter

Bevor er mit der Kamera durch New York zog, malte Saul Leiter jahrzehntelang kleinformatige Aquarelle. (Foto: 2023 Saul Leiter Foundation)

Ein großer Unsichtbarer der Fotokunst im 20. Jahrhundert ist Saul Leiter. 60 Jahre lang fotografierte er Tag für Tag, doch seine 40 000 Dias und 20 000 Abzüge bekam zu seinen Lebzeiten kaum jemand zu Gesicht, denn Leiter wollte genau das: Unsichtbarkeit. "Ich hatte das Glück, mein Ziel, erfolglos zu sein, erreicht zu haben", sagte er in einem seiner seltenen Interviews gegen Ende seines Lebens. Leiter zählt damit zur seltenen Spezies von Fotografen, die die ambitioniertesten künstlerischen Ziele verfolgen, ohne für sich persönlich irgendetwas zu wollen.

Wie einzigartig seine Fotografien sind, lässt sich jetzt in dem schönen Bildband "Die große Retrospektive" des Heidelberger Kehrer Verlags nachvollziehen. Er ist aus Anlass seines 100. Geburtstags (3. Dezember 1923) erschienen und zeigt natürlich auch einige seiner mittlerweile legendären Farbfotos aus dem New York der Fünfzigerjahre. Diese Aufnahmen transzendieren den schnöden Realismus von Straßenfotos auf die Ebene der Kunst, was gar nicht einmal erstaunlich ist: Leiter hat jahrzehntelang kleinformatige Aquarelle gemalt und die zarte Farbgebung seiner Malerei in die Welt der Fotografie überführt. Ein roter Regenschirm auf einer grauen Straße, der Schein einer gelben Leuchte als Reflexion auf einer Scheibe, das grüne Licht einer Ampel inmitten eines Schneetreibens: Leiters Farbeinsatz ist so reduziert, dass von den Fotos, die doch in der hektischen Welt New Yorks entstanden sind, eine fast andächtige Stille ausgeht. Gleichzeitig ist Leiter ein Meister visueller Kompositionen: hier eine vom dunklen Schatten einer Markise angeschnittene Person, dort die Spiegelung einer Frau in einem Schaufenster, schließlich seine großartigen Silhouetten von Menschen draußen, aufgenommen vor einer Scheibe innen, die von der Wärme wie in einer Dusche beschlagen ist. Das sind meisterliche Fotos, die die piktorialistische Fotografie eines Heinrich Kühn ins moderne New York zu überführen scheinen.

Leiters Werk ist erst sehr spät entdeckt worden und wird bis heute erschlossen (so etwa auch seine überaus zarten Aktfotos, von denen der neue Band einige präsentiert). Doch auch als der Ruhm kam, blieb er immer nur in seinem Viertel in New York. Das ist eigentlich das Erstaunlichste an diesem erstaunlichen Künstler: dass er jahrzehntelang dieselben Straßen mit all ihrer lächerlichen Alltäglichkeit abschritt und dabei so viel Wunderbares entdeckte. Gemäß seinem Credo: "Ich bin Romantiker, kein Realist. Ich betrachte die unwichtigsten Dinge und finde das Schöne dabei." Marc Hoch

Klassik: 525 Jahre Wiener Sängerknaben

Ein Lehrbach der abendländischen Musikgeschichte. (Foto: Decca)

Größere und kleinere Schätze findet man in dieser Jubiläums-Box "525 Jahre Wiener Sängerknaben", etwa die Motette "O Domine" von Josquin des Prez unter der Leitung des aktuellen Chorchefs Gerald Wirth oder eine Mehr-Generationen-Mozart-CD mit Ferdinand Grossmann, Hans Gillesberger - Dirigent der legendären Aufnahme von Bachs Johannespassion, die nun unter Harnoncourt firmiert - und Peter Marschik. Neben Raritäten aus Renaissance und Frühbarock gibt es auch solche aus dem Umfeld Mozarts zu entdecken: Werke von Salieri, Eybler, Herbeck und natürlich: Michael Haydn, dem großen kleinen Bruder von Joseph Haydn. Diese Box ist ein anschauliches, erhellendes, inspirierendes Lehrbuch der abendländischen Musikgeschichte, mit einem durchweg fantastischen Chor und großartigen Solisten. Helmut Mauró

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMit Bildung gegen Vorurteile
:"Die Hamas hat das nicht gemacht"

Das Jüdische Museum Berlin tourt durchs Land, um Jugendlichen das Judentum zu erklären. Ein turbulenter Vormittag an einer Schule in Berlin.

Von Thorsten Schmitz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: