Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Keira Knightley sabotiert als Siebziger-Jahre-Feministin in "Die Misswahl" den größten Schönheitswettbewerb der Welt. Oskar Roehler hat das Leben von Rainer Werner Fassbinder verfilmt.

Von SZ-Kritikern

Die Misswahl

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(Foto: dpa)

Hundert Millionen Zuschauer saßen vor fünfzig Jahren noch weltweit vor den Fernsehern, um die Wahl zur Miss World zu verfolgen - mehr als seinerzeit bei Mondlandung. Was da geschah, hatte enorme Wirkung für das Frauenbild, sei es auf reaktionäre, sei es auf revolutionäre Weise. 1970 war ein Schlüsseljahr für das Event, britische Frauenrechtsaktivistinnen störten die reibungslose Fleischbeschau mit Pfiffen, Rasseln und Mehlbomben, zum ersten Mal gab es eine schwarze Miss World. Aus vielen verschiedenen Perspektiven kompiliert Regisseurin Philippa Lowthorpe ein amüsantes, schlagfertiges und kluges Puzzle mit tollen Darstellern - Keira Knightley, Gugu Mbatha Raw, Rhys Ifans, Lesley Manville und Greg Kinnear als sehr schmieriger Bob Hope. "Der Kampf gegen das Patriarchat hält an", heißt es am Ende.

Gott, du kannst ein Arsch sein

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(Foto: dpa)

"Schnitt im Po, Mexiko!" So in etwa stellt sich eine unheilbar krebskranke Sechzehnjährige ihr restliches Leben vor. Von der auf wahren Begebenheiten basierenden Geschichte ist in André Erkaus Buchverfilmung nicht viel übrig geblieben, hier werden Glasscherben aus dem Arsch gezogen, Tequila-Gläser geleert, Kühe geritten, De­kolle­tés tätowiert und Indianerweisheiten bemüht. Obendrein spielt Til Schweiger einen Pfarrer, das muss man auch erstmal verkraften. Außer einem Roadtrip nach Paris und dem gut harmonierenden Jungdarstellerpaar (Sinje Irslinger und Max Hubacher) hat diese ebenso kalkulierte wie routinierte Tragikomödie nicht viel mehr zu bieten.

Contemporary Past

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(Foto: Meetings With History)

Mit Meißeln und Farbe dürfen Jugendliche aus Deutschland, Polen und Rumänien einigen Opfern der Nazis kleine Denkmäler setzen. Bei einem Projekt in der Gedenkstätte Buchenwald lernen sie etwas über die Verbrechen an Sinti und Roma - und begreifen, dass sie etwas für eine bessere Zukunft tun können. Regisseur Kamil Majchrzak begleitet sie in seiner Dokumentation, die mithilfe von Zeitzeugen und Nachkommen auch eine Gegenwart zeigt, in der Diskriminierung und Rassismus noch lange nicht Geschichte sind.

Enfant Terrible

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(Foto: dpa)

Das Leben und das Filmen von Rainer Werner Fassbinder, vom Action Theater, 1967, bis zu seinem Tod 1982. Ein Mythos der Münchner Filmgeschichte, Kolportage und Mysterienspiel, masochistische Liebes- und Hassrituale, seine Schonungslosigkeit und Verachtung den anderen gegenüber und sich selbst. Seine Exzesse und seine Erfolge, Berlinale und Cannes, seine manischen und manierierten Filme, seine Einsamkeit und Besessenheit, von Oskar Roehler in chemisch reinen Farben inszeniert, mit minimalen Verschiebungen der wirklichen Begebenheiten, so dass alles am Ende ganz authentisch wirkt.

Jim Knopf und die Wilde 13

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(Foto: dpa)

Anfangs ist es gewöhnungsbedürftig, Jim Knopf, Lukas den Lokomotivführer, Frau Waas und König Alfons, den Viertelvorzwölften nicht in Gestalt der Marionetten auf der Bühne der Augsburger Puppenkiste zu sehen, sondern unter der Regie von Dennis Gansel als Realfilmenschen. Doch dann lässt man sich bereitwillig mitreißen, in die sagenhaften Welten, die in Babelsberg so liebevoll und aufwendig erschaffen wurden. Jetzt geht es rastlos weiter auf Abenteuerkurs und Selbstfindungsreise, zu Wasser, zu Lande, unter der Erde und in der Luft, zum goldenen Drachen der Weisheit, zur chinesischen Prinzessin, zum Scheinriesen in der Wüste, zu den Wassernixen vor der Magnetinsel, zu dreizehn wilden Piraten, die eigentlich nur zwölf sind, und irgendwann öffnet sich ein seltsamer Widerspruch zwischen dem gemütlichen Temperament der Figuren und ihrem irren Aktionismus.

Niemals Selten Manchmal Immer

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(Foto: dpa)

Als die amerikanische Regisseurin Eliza Hittman mit der Arbeit an diesem Film begann, hat sie noch nicht ahnen können, wie sehr die Rechte von Frauen in den USA aktuell bedroht sind. Sie folgt der 17-jährigen Autum (Sidney Flanigan), die schwanger ist und heimlich mit ihrer Cousine nach New York fährt, weil man ihr zuhause in der Kleinstadt nicht einmal die Wahrheit darüber gesagt hat, wie weit fortgeschritten die Schwangerschaft schon ist. Ein rührendes Drama über ein verzweifeltes Kind und einen kleinen Lichtschein von Solidarität unter Mädchen. Bei der diesjährigen Berlinale hat der Film den Großen Preis der Jury bekommen.

On the Rocks

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(Foto: dpa)

Sofia Coppola als Autorin und Regisseurin, Bill Murray als Hauptdarsteller, siebzehn Jahre nach "Lost in Translation": Von dieser Wiedervereinigung hätte man sich mehr versprochen als diese mäßig witzige, irgendwie lauwarme Komödie über eine Abziehbild-New-Yorkerin. Rashida Jones spielt eine Autorin mit zwei süßen Kindern, die modern, aber seltsam passiv ist und mit dem Glücksversprechen ihrer Ehe hadert. Murray als ihr charmanter aber achtloser Bonvivant-Papa ist so gut, wie Coppolas wenig originelles Drehbuch ihn sein lässt. Mit seiner Tochter heckt er bei teuren Cocktails die Observation ihres (möglicherweise untreuen) Ehemanns aus. Man schaut ihm gern dabei zu, dem Rest des Films eher nicht. (In einigen Kinos, bald auch auf Apple TV+)

The Trial of the Chicago Seven

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(Foto: NICO TAVERNISE/NETFLIX © 2020)

Ein reinrassiges Gerichtsdrama von Aaron Sorkin, als Autor schon lang einer der besten Beobachter von Gesellschaft und Politik in den USA ("The West Wing", "The Social Network"). Hier führt er auch Regie und verwandelt die (schon für sich genommen irren) Transkripte eines Prozesses aus dem Jahr 1968 in großes Drama. Sieben Studentenaktivisten um Tom Hayden (Eddie Redmayne) und Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen) sollen als Verschwörer gegen den Staat verurteilt werden, aber die Anklage ist konstruiert. In Wirklichkeit hatten sie in Chicago weitgehend friedlich gegen den Vietnamkrieg demonstriert, wurden aber von der Polizei niedergeknüppelt. Zusätzlich sitzt, noch willkürlicher, auch ein Black Panther auf der Anklagebank. Amerika kann jederzeit in autoritäre Bigotterie kippen, das zeigt der Richter (Frank Langella) als herrlicher Schurke. (In einigen Kinos und auf Netflix).

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