Favoriten der Woche:Science-Fiction im ganz, ganz großen Maßstab

Lesezeit: 4 Min.

Eigentlich hat die Nanny die Zügel der Galaxis in der Hand: Laura Birn als Androidin Demerzel. (Foto: Apple TV+)

In der zweiten Staffel "Foundation" wütet eine Rebellenallianz mit schwebenden, genmanipulierten Hyperraumnavigatoren. Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von Reinhard J. Brembeck, Stefan Fischer, Kathleen Hildebrand, Cornelius Pollmer und Gustav Seibt

Serie: "Foundation" geht in die zweite Staffel

In der zweiten Staffel von "Foundation" will Herrscher Cleon sich nicht mehr klonen lassen, sondern sich lieber altmodisch fortpflanzen - mit Königin Sareth (Elle-Rae Smith). (Foto: Apple TV+)

Als diese Science-Fiction-Serie vor zwei Jahren auf Apple TV+ anlief, war klar, was sie sein sollte: ein Epos im ganz, ganz großen Maßstab. Zu Recht, denn der Romanzyklus von Isaac Asimov zählt nicht nur zu den zentralen Klassikern des Genres, er umspannt auch mehrere Jahrtausende. Schon der Anfang ist so entrückt von der Gegenwart, wie nur möglich- "Foundation" beginnt zehntausend Jahre in der Zukunft, die Menschen haben die gesamte Galaxis besiedelt und kennen die Erde nur noch als Mythos. Ein Triumvirat aus Klonen des einstigen Herrschers Cleon regiert über das galaktische Imperium. Ein genialer Mathematiker prophezeit dieser Dynastie den Untergang, wird verbannt und gründet eine intellektuelle Widerstandsbewegung mit quantentechnologischer Ausstattung am Rand der Milchstraße. Die erste Staffel war visuell opulent und die Änderungen an der Romanvorlage waren ambitioniert. Zum Beispiel ist ein Großteil des bei Asimov männlichen Personals in der Serie weiblich. Aber die Handlung ging auch etwas zäh voran, als bekäme die Serie ihr gewaltiges Material nicht ganz in den Griff.

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Wen das abgeschreckt hat, der möge der zweiten Staffel unbedingt eine Chance geben. Die Autoren David S. Goyer und Josh Friedman haben hier etwas Seltenes geschaffen, nämlich innovative Science-Fiction, die nicht nur in Pathos schwelgt, sondern witzig sein kann und in der es - Schock! - sogar Sex gibt. Die Staffel beginnt mit einem neuen Zeitsprung von 150 Jahren. Die Herrschaft der Cleons ist geschwächt. Ihre Dekadenz zeigt sich gleich in der ersten Szene, als der Herrscher in seinem goldenen Schlafgemach der jahrtausendealten Androidin Demerzel beiwohnt, die seit Generationen die jungen Klone wie eine Mutter aufzieht. Es folgen: ein Attentat, die Entdeckung einer Kolonie von mächtigen Telepathen und eine Rebellenallianz mit schwebenden, genmanipulierten Hyperraumnavigatoren - es vergeht keine Folge ohne wilde Wendungen der Handlung. "Foundation" ist große, kluge Unterhaltung, ein bisschen Soap, ein bisschen "Star Wars", immer zum Bersten gefüllt mit Ideen. Auf in die nächsten 150 Jahre. Kathleen Hildebrand

Musik: Agustín Barrios, der Träumer

Das Album El Bohemio von Agustín Barrios, interpretiert auf der Gitarre von Thibaut Garcia, erschien am 22. September bei Erato. (Foto: Erato)

Agustín Barrios war ein südamerikanischer Bohemien, der auf seiner Gitarre Folklore mit Romantik zusammenbrachte, ein paar Jahre trat er unter dem Namen des Guaraní-Häuptlings Mangoré auf und trug Indianertracht. Etliche seiner Kompositionen und Arrangements sind nicht als Noten, sondern nur in seinen virtuosen und durch Spontanität verführerischen Aufnahmen überliefert, später haben sie Gitarristen transkribiert. Bei Agustín Barrios finden Urwald, Traum und Salon schwerelos zusammen, so in seinem berühmten Dreiteiler "La catedral" oder "Un sueño en la floresta". Auch Thibaut Garcia ist ein Träumer und zudem Meister des eleganten Schönklangs. So hat der 50 Jahre nach dem Tod von Barrios 1994 in Toulouse geborene Gitarrist jetzt eine beglückende CD mit Stücken und zwei Gedichten des Südamerikaners aufgenommen: "El Bohemio" (Erato). Reinhard J. Brembeck

Hörspiel: Interaktiv durch den Wald

"Die Villa im Wald" von ADR kombiniert Hörspiel und Gaming. (Foto: NDR)

Hörspiel und Gaming gehen gut zusammen. Nun hat die ARD erstmals solch ein interaktives Abenteuer für Kinder realisiert. Zwar gibt es von Lisa Krummes "Die Villa im Wald" auch eine konventionelle Radiofassung (WDR 5, 30.9., 19 Uhr und RBB Kultur, 1.10., 14 Uhr). Noch spannender ist jedoch die Mitspiel-Variante. NDR Info sendet am Sonntag (8.04 Uhr) eine Version, bei der Kinder im Studio entscheiden, welchen Weg die Geschichte nimmt. Drei Freunde spielen dort ein Escape-Game, das sich in ein reales Abenteuer verwandelt. Von Sonntag an können Hörer auf der Webseite adventure-hoerspiele.ard.de auch selbst festlegen, welche Entscheidungen die jungen Helden in heiklen Situationen treffen sollen. Dementsprechend kann das Abenteuer mal gut, mal schlecht ausgehen. Jeder kann obendrein selbst bestimmen, wie gruselig die Soundeffekte sein sollen. Stefan Fischer

Sammelband: "Die Weltbühne"

Der Broschurband "Weltbühne" der 1920er-Jahre mit politischen Kommentaren, Europäische Verlagsanstalt, 213 Seiten, 20 Euro (Foto: Europäische Verlagsanstalt)

Die Weimarer Republik scheiterte nicht an mangelnder Einsicht. Zutreffende Gefahrenanalysen waren zu jedem Zeitpunkt verfügbar. Das zeigt einmal mehr eine Auswahl von Kommentaren aus der Zeitschrift Die Weltbühne, die Alexander Gallus, einer ihrer besten Kenner, in einem schönen Broschurband bei der Europäischen Verlagsanstalt herausgegeben hat. Manches kennt man aus den Werkausgaben, so Kurt Tucholskys Forderung von 1922, nach der Ermordung Rathenaus, die Republik solle ihre Apparate - Beamten, Polizei, Militär - von ihren Feinden säubern. Anderes liest man neu und ist bestürzt von der Aktualität. Kurt Hiller fragte im August 1932, warum so viele Arbeiter und verelendete Bildungsbürger - vor allem Studenten - nicht links wählen, sondern gegen ihren Klassenstandpunkt rechtsradikal-nationalsozialistisch. Seine Antwort: Es ist die Kultur. Die marxistischen Parteien haben wegen ihres trivialen Verständnisses von Basis und Überbau das universale Erbe der bürgerlichen Kultur preisgegeben - ohne ihr etwas Besseres entgegenzusetzen. "Proletarische Kultur" könne den Idealismus der Jugend nicht gewinnen. Und auch den von der Rachepolitik des Versailler Vertrags angestachelten Nationalismus - Hiller hält den deutschen Nationalismus für eine Folge des französischen - könne das marxistische Denken nicht kontern. Ähnlich kritisiert Hiller den Pazifismus: Berechtigt als Friedenspolitik, mache er zu Unrecht die sozialen Werte des Soldatischen - Hingabe, Verantwortung, Führung, Disziplin, Kameradschaft - verächtlich, also Werte, die in der damaligen Jugendbewegung hochgehalten wurden. Hiller erkennt hier sozialerotische Möglichkeiten, die man den Nationalsozialisten nicht hätte überlassen dürfen. Damit zeigt er, dass die Nazis auf dem ihnen von den Linken leichtfertig überlassenen kulturellen Feld auch moderne Möglichkeiten nutzten. Deutscher-Klassik-Idealismus, Griechensehnsucht, Naturromantik - all das verschmähte marxistisches Denken als bürgerliche Ideologie. "Zu platt!", ruft Hiller. Linke Politik müsse Klassenstandpunkt mit bürgerlicher Kultur verbinden. Soziale und kulturelle Fragen nicht trennen, also links und "woke" zugleich sein - wäre das nicht auch die Aufgabe heute? Gustav Seibt

Freske: "Naddl und Ronny" in Dresden

"Naddl und Ronny siegt!", versprach lange Zeit ein Graffito an der Fassade eines Hochhauses in Dresden, und daran muss erinnert werden, jetzt, da ein anderer der örtlich berühmten Naddl-und-Ronny-Schriftzüge Diskussionen auslöst. Der lokalpolitische Hausmeister Holger Zastrow (FDP) setzt sich erneut für eine Entfernung des Graffito an der Carolabrücke ein, der aktuell niedrige Wasserspiegel der Elbe begünstige dies. Der grüne Baubürgermeister wiederum lässt nicht unerwähnt, dass das entsprechende Budget der Stadt vor allem für die Entfernung verfassungsfeindlicher Symbole vorgesehen sei. Die diesbezügliche Gesinnung von Naddl und Ronny ist genauso unbekannt, wie Naddl und Ronny selbst es sind. Sicher ist aber, dass sie auch in beeindruckender Weise Unterstützung erfahren. Eine E-Petition setzt sich für den Erhalt des Brücken-Graffito ein, eingebracht wurde sie laut Petitionstext von: "Kevin & Chantalle". Cornelius Pollmer

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