Interview mit Unicredit-Chef Profumo:"Sehe ich verängstigt aus?"

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Motorradfahrer und Unicredit-Chef: Alessandro Profumo über seinen Kollegen Ackermann, die Krise des Euro - und warum er seine Deutschkenntnisse nicht auffrischen konnte.

Caspar Busse und Martin Hesse

Seine neueste Errungenschaft steht auf dem Regal in seinem Büro: Stolz zeigt Alessandro Profumo, 53, das kleine Modell eines BMW-Motorrads. Mit der schweren Maschine unternimmt er am Wochenende Touren ins Umland von Mailand, seine Frau ist manchmal auch dabei, fährt aber eine rote Ducati. Profumo ist einer der dienstältesten Bankchefs. Unicredit zählt mit 10.000 Filialen in 22 Ländern zu den zehn größten Banken Europas und ist bisher relativ glimpflich durch die Krise gekommen. Vor fünf Jahren hatte Profumo die HypoVereinsbank gekauft, eine der größten Bankübernahmen überhaupt.

Alessandro Profumo ist Chef der Bankengruppe Unicredit. 2005 hat er die HypoVereinsbank übernommen. (Foto: ag.rtr)

SZ: Herr Profumo, vor fünf Jahren haben Sie im SZ-Interview angekündigt, die HVB werde Deutschlands beste Bank werden. Das ist ja schief gegangen, oder?

Alessandro Profumo: Warum? Man muss sich immer ehrgeizige Ziele setzen. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Menge erreicht. Die HypoVereinsbank steht gut da, und zählt heute gemessen an der Ertragsstärke zu den besten Banken in Deutschland. Auch bei der Kundenzufriedenheit haben wir erhebliche Fortschritte gemacht. Wir müssen uns vor niemandem verstecken. Wenn die HVB nicht Teil einer starken Gruppe geworden wäre, würde das heute - im dritten Jahr der Krise - möglicherweise anders aussehen.

SZ: Vorne liegt hierzulande immer noch klar die Deutsche Bank. Vergleichen Sie sich mit Josef Ackermann? Der ist doch ein anderer Typ als Sie.

Profumo: Ich kenne Joe Ackermann gut, wir begegnen uns häufig und tauschen uns oft aus. Aber es gibt natürlich Unterschiede: Ackermann wurde stark durch das Investment-Banking geprägt. Ich komme aus dem klassischen Bankgeschäft.

SZ: Können Sie Ackermann einen Tipp geben, wie er sein Image verbessern könnte?

Profumo: Wieso? Ist sein Image in Deutschland nicht gut? International ist sein Ansehen sehr hoch, ich lese aber auch nicht jeden Tag die deutschen Zeitungen.

SZ: Wie gut ist denn Ihr Deutsch?

Profumo: Ich habe an der Uni ein wenig Deutsch studiert. Nach der Übernahme der HVB wollte ich das auffrischen. Es ist immer etwas anderes, wenn Sie Menschen in ihrer eigenen Sprache begegnen können. Dann kam aber die Krise und es fehlte die Zeit. Vielleicht habe ich später noch Gelegenheit dazu.

SZ: Haben Sie den Kauf der HVB je bereut?

Profumo: Nein. Ich habe überhaupt keinen Grund, den Kauf der HypoVereinsbank zu bereuen. Natürlich gibt es immer Dinge, die besser laufen als erwartet, und Dinge, die schlechter laufen. Aber wir haben heute ein hervorragendes Management-Team, im Geschäft mit Firmenkunden und im Investmentbanking haben wir die Stärken der HypoVereinsbank ausgespielt. Und selbst das Privatkundengeschäft liefert heute Gewinn ab. Das war nicht immer so.

SZ: Was haben Sie von Deutschland in den letzten fünf Jahren gelernt?

Profumo: Ganz klar, die Entscheidungsprozesse werden in Deutschland einfach besser gemanaged. Wir Italiener bringen dagegen mehr Leidenschaft ein.

SZ: Sie meinen, Italiener sind chaotischer.

Profumo: Sagen wir mal, wir sind etwas weniger organisiert. Für uns Italiener ist das Endergebnis wichtiger als der Weg dorthin. Wir versuchen jetzt bei Unicredit, beide Elemente miteinander zu verbinden und zu einer gemeinsamen deutsch-italienischen Führungskultur zu verschmelzen, die auch in anderen Ländern der Gruppe erfolgreich funktionieren kann, beispielsweise in Osteuropa.

SZ: Was war Ihr größter Fehler - mit Blick auf die Übernahme der HVB?

Profumo: Natürlich haben wir auch Fehler gemacht. Aber bei dem Integrationsprozess sind wir zum Glück von größeren Problemen verschont geblieben. Das ist alles ziemlich gut gelaufen.

SZ: Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten fünf Jahre gesetzt?

Profumo: Wir wollen in Deutschland wachsen, im Geschäft mit Firmenkunden und im Investmentbanking weitere Marktanteile gewinnen. Größe ist jedoch kein Selbstzweck, vor allem zählt die Qualität: unsere Kunden müssen zufrieden sein.

SZ: Das wollen doch alle. Woher soll das Wachstum denn kommen?

Profumo: Natürlich profitieren wir davon, dass einige Banken in Deutschland in Folge der Finanzkrise ihr Geschäft erheblich zurückfahren mussten. Das gilt zum Beispiel für die Landesbanken, denen die EU entsprechende Auflagen macht.

SZ: Haben Sie Interesse an den Landesbanken?

Profumo: Ich hätte einen besseren Vorschlag: Die deutschen Landesbanken sollten mit den Sparkassen fusionieren. Durch eine solche vertikale Integration könnten wirklich starke Institute entstehen, zum Beispiel in Bayern. Das wäre zwar gegen unsere eigenen Interessen, weil dann ein starker Wettbewerber hinzukäme, aber andererseits würde dies den Finanzstandort München stärken, und davon würden alle Finanzinstitute vor Ort profitieren, also auch Unicredit.

SZ: Es sind nicht nur die Landesbanken, auch die Commerzbank steht ziemlich schlecht da.

Profumo: Das sagen Sie. Die Commerzbank ist in meinen Augen sehr gut geführt, aber sie ist noch stark mit der Integration beschäftigt. Auch hier wird es sicherlich Gelegenheiten für uns geben, neue Kunden zu gewinnen, zumal es bei dem Kundenstamm von Commerzbank und Dresdner Bank erhebliche Überschneidungen gibt.

SZ: Wo wollen Sie sonst wachsen?

Profumo: Neben dem Geschäft mit den Firmenkunden liegt unser Augenmerk vor allem auch auf vermögenden Privatkunden. Im Onshore Private Banking (wo Vermögen nach den Steuergesetzen des jeweiligen Kundenlandes veranlagt wird, Anm. d. Red.) sind wir in Europa schon die Nummer Drei - hinter der Deutschen und BNP Paribas.

SZ: Vor fünf Jahren haben Sie einen Vertrag beim Kauf der HVB geschlossen, das sogenannte Business Combination Agreement, das den Deutschen weitgehende Rechte garantierte. Das läuft jetzt aus. Muss sich München Sorgen machen?

Profumo: Nein, es wird sich nichts verändern. In dem Vertrag haben Dieter Rampl (der ehemalige Chef der HVB) und ich im Grunde nur an unserem gemeinsamen Geschäftsplan festgehalten, und den haben wir in den letzten Jahren abgearbeitet.

SZ: Wollen Sie nicht das reichlich vorhandene Kapital aus München abziehen? Kapital kann man in diesen Zeiten doch immer brauchen.

Profumo: Nein, aber den Gedanken verstehe ich auch nicht. Die HVB ist eine 100-prozentige Tochter der Gruppe. Das Kapital der HVB wird bei der Berechnung der Kapitalquote der Unicredit vollständig miteinbezogen. Nur darum geht es.

SZ: Muss die Unicredit vor den Stresstests der EU Angst haben?

Profumo: Sehe ich etwa verängstigt aus? Wir verfügen über ein solides Geschäftsmodell und haben in den letzten zwei Jahren unser Kapital aus eigener Kraft um mehr als zehn Milliarden Euro erhöht.

SZ: Ist es sinnvoll, die Ergebnisse der Stresstests zu veröffentlichen?

Profumo: Grundsätzlich ja, Transparenz ist sehr wichtig. Diskutieren muss man, was und wie viele Informationen veröffentlicht werden. Aber es kommt vor allem darauf an, dass alle in Europa nach den gleichen Kriterien getestet werden. Die Latte kann nicht für die einen bei fünf Metern liegen und für andere bei einem Meter. Fairness bitte!

SZ: Es gibt doch in Europa noch nicht einmal eine einheitliche Regulierung?

Profumo: Das ist ein gravierendes Problem. Wir brauchen eine starke und einheitliche europäische Finanzaufsicht und gemeinsame Regeln in allen Mitgliedsländern. Wir brauchen mehr Europa.

SZ: Welche Regeln sind denn entscheidend, um künftig Krisen zu verhindern?

Profumo: Krisen wird es immer geben. Aber wir müssen die Wahrscheinlichkeit für Krisen reduzieren und die daraus resultierenden sozialen Folgen begrenzen. Europa muss aus meiner Überzeugung möglichst rasch strengere Kapitalregeln festlegen und diese dann schrittweise und konsequent einführen. Wir brauchen mehr Integration in Europa, nicht weniger. Die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben, darf darunter jedoch nicht leiden. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre eine drastische Reduzierung des außerbörslichen Handels mit Derivaten.

SZ: Ist es nicht das eigentliche Problem, dass einige Banken einfach zu groß geworden sind?

Profumo: Was heißt zu groß? Wenn ich in einen Smart einsteige, wirke ich mit 1,90 Meter groß, in einem Mercedes nicht. Man muss als Maßstab für die Größe einer Bank Europa und nicht einzelne Länder nehmen. Außerdem sind die größten Probleme nicht durch die größten Banken entstanden, wie das Beispiel Lehman Brothers oder in Deutschland die IKB zeigt.

SZ: Würde eine Bankenabgabe helfen?

Profumo: Eine europäische Bankenabgabe ist grundsätzlich sinnvoll. Aber nur, wenn damit keine Haushaltslöcher gestopft werden. Das Geld sollte in einen Fonds fließen, der Banken mit Liquiditätsproblemen hilft und somit zur Stabilität des Systems beiträgt.

SZ: Wird die Euro-Krise die europaweit agierenden Banken wie Unicredit erneut in Turbulenzen stürzen?

Profumo: Momentan haben wir keine Euro-Krise, und niemand hat Interesse daran, dass der Euro in eine echte Krise gerät. Sehr wichtig dabei ist, was Deutschland tut. Deutschland zwingt die anderen EU-Mitglieder zu Haushaltsdisziplin. Und das unterstütze ich.

SZ: Wird es gelingen, die Krise langfristig einzudämmen?

Profumo: Ich bin ein überzeugter Europäer und ein unverbesserlicher Optimist. Europa wird letztlich gestärkt aus der Krise hervorgehen, weil wir am Ende eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik haben werden.

SZ: Müssen wir uns denn Sorgen um Italien machen?

Profumo: Nein, Italien hat zwar hohe Schulden, aber die Neuverschuldung gehört zu den niedrigsten in der Eurozone. Außerdem liegen die Schulden ganz überwiegend bei inländischen Gläubigern. Die Sparquote der Italiener ist schon immer sehr hoch, die private Verschuldung sehr niedrig.

SZ: Italien könnte also kein zweiter Fall Spanien werden. Was sind die Stärken und Schwächen der italienischen Wirtschaft?

Profumo: Die Struktur unserer Wirtschaft ist ganz anders als in Spanien. Wir sind hinter Deutschland zweitgrößter Exporteur in der EU. Unser Problem ist, dass wir nur sehr wenige große Unternehmen haben, nur eine Handvoll - anders als Deutschland mit seinen vielen internationalen Konzernen.

Zur Person:

Am 17. Februar 1957 wird Alessandro Profumo in Genua geboren und wächst in Sizilien auf. Dann studiert er an der Mailänder Eliteuni Bocconi Betriebswirtschaft. Als er 20 Jahre alt ist, wird seine Frau schwanger. Profumo arbeitet neben dem Studium bei einer kleinen Bank, die damals sein Schwiegervater führte, am Schalter. Nach Stationen bei den Unternehmensberatungen Mc Kinsey und Bain kam er 1994 in den Vorstand der Bank Credito Italiano. 1997 wird er jüngster Chef einer italienischen Großbank. Er baut die Unicredit-Gruppe zu einer der größten europäischen Banken aus, wird 2002 europäischer Banker des Jahres, 2005 übernimmt er die HVB.

© SZ vom 05.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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