Ärger über Artenschutz-Volksbegehren:"Wir Bauern werden verraten und verkauft"

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Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber wurde bei der ersten Regionalkonferenz in Kulmbach ausgebuht. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Unter Landwirten ist der Ärger über die CSU und deren Umgang mit dem Bienen-Volksbegehren groß. Das bekommt Ministerin Kaniber bei zwei Aufeinandertreffen deutlich zu spüren.

Von Christian Sebald, Wolnzach

Eine Stunde lang verteidigt Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) schon vor 300 Bauern, dass Ministerpräsident Markus Söder das "Volksbegehren Artenvielfalt - rettet die Bienen" übernommen hat, da meldet sich Hans Gasteiger. "Wir Bauern werden verraten und verkauft", schimpft Gasteiger, Ende 50, dunkler Janker, grünes Hemd. "Das ist alles Bauern-Bashing." Gleich darauf macht er seiner Wut auf Söder Luft: "Der hat nicht so viel Hintern in der Hose, dass er die ganze Gesellschaft in die Verantwortung nimmt, wir Bauern sind die Deppen der Nation."

Gasteiger kommt Kaniber gerade recht. "Das bringt nix", ruft sie ihm zu, "wir müssen sachlich reden." Dann schreibt sie den 300 Bauern ins Stammbuch, dass die Staatsregierung das Volksbegehren habe akzeptieren müssen: " Das Votum war eindeutig. Davor konnten und wollten wir die Augen nicht verschließen."

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Der Grund dafür liegt wohl ausgerechnet im erfolgreichen Volksbegehren zum Artenschutz.

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Die Diskussion am Mittwochabend im Hopfenmuseum in Wolnzach ist die zweite Regionalkonferenz, auf der Kaniber die Bauern besänftigen und vom Kurs der Staatsregierung überzeugen will. Der Grund: Seit CSU und Freie Wähler das Volksbegehren angenommen haben, hat sich die Stimmung unter ihnen enorm aufgeheizt. Viele fühlen sich im Stich gelassen. Egal ob Biotopverbund, Wiesenschutz oder Streuobstbäume, sie wollen keine neuen Auflagen akzeptieren. Dabei hatte Bauernpräsident Walter Heidl kurz zuvor all den Kompromissen zum Volksbegehren zugestimmt, die an einem groß angelegten runden Tisch erarbeitet worden waren. Auf der ersten Regionalkonferenz am Montag in Kulmbach wurde Kaniber mit Buh-Rufen empfangen.

Zwar ertönen in Wolnzach keine Buh-Rufe. Aber auch dort sind die Bauern sauer. Man kann es an den versteinerten Mienen und dem lauen Pflichtapplaus erkennen, mit dem sie Kaniber empfangen. Die Ministerin ficht das nicht an, zumindest lässt sie sich nichts anmerken. Drei Stunden lang kämpft sie um die Gunst der Bauern. Sie zeigt Verständnis für deren Frust. Sie rühmt deren Leistungen für die Kulturlandschaften. Sie lobt das bisheriges Engagement für den Naturschutz. Sie übt Kritik an den Städtern, die all diese Verdienste nicht achteten. Sie verspricht den Bauern Förderprogramme, die sie für die Härten des Volksbegehrens entschädigen sollen. Ganz so wie man es gewohnt ist, wenn Minister den Bauern schmeicheln wollen.

Kaniber freilich belässt es nicht dabei. Sie ruft den Bauern auch Sätze zu, die diese nicht gerne hören. Etwa dass Landwirtschaft und Politik in der Vergangenheit "vielleicht" zu wenig auf Umwelt-, Tier- und Klimaschutz geachtet und sich Gesellschaft und Landwirtschaft auch deshalb auseinandergelebt hätten. Ein "Weiter-so" dürfe es deshalb nicht geben. Auch an den Bauernverband richtet sie ungewohnt direkte Worte. Statt die Bemühungen um einen Ausgleich zu torpedieren, solle er Söder und die Staatsregierung bei der Umsetzung des Volksbegehrens unterstützen. Und darauf vertrauen, dass sie sich für die Belange der Bauern einsetzten.

Anders als in Kulmbach kommt Kaniber in Wolnzach gut an. Zumal sie sich Zeit nimmt. Als die Regionalkonferenz spätabends endet, zollen ihr alle im Saal Respekt. Ob sie die Bauern auch vom Kurs der Staatsregierung überzeugt hat, bleibt indes offen. "Wir sind schon so oft enttäuscht worden", sagt der oberbayerische Bauernpräsident Anton Kreitmair, der einige Jahre für die CSU im Landtag saß. "Wie es dieses Mal ausgeht, werden wir erst wissen, wenn das Volksbegehren in Gesetze gegossen worden ist."

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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