Am Ende sollen die Beteiligten alles wieder auf Anfang stellen: Der Rappenalpbach wird saniert und in einen Zustand wie vor der Zerstörung im Herbst 2022 versetzt. Das ist Ergebnis eines Vergleichs, den Älpler und der Freistaat am Montag vor dem Verwaltungsgericht Augsburg geschlossen haben. Damit ist zumindest einmal geklärt, wie einer der größten Naturfrevel der vergangenen Jahre in Bayern beseitigt werden kann. Beide Parteien betonten, dass sie einen langen Gerichtsstreit vermeiden wollten, während dem im weitgehend zerstörten Rappenalpbachtal nichts passiert. Die Älpler als Kläger und die Behörden als Beklagte betonten aber auch, dass die Ansichten weiterhin diametral auseinandergingen, was die Verantwortung für die folgenschwere Begradigung des Flussbetts im Herbst vergangenen Jahres anbelangt.
"Die Schuldfrage blenden wir in unserem Verfahren aus", sagte die Richterin. "Es geht hier nur darum, wie man Natur und Gewässer am besten gerecht werden kann." Allerdings gab das Gericht dann durchaus Einblick, wie es aus seiner Sicht in dem streng geschützten Naturjuwel dazu kommen konnte, dass die Älpler den Bach ausbaggern und begradigen. Ausgangspunkt des Dilemmas sei aus Sicht des Gerichts, dass keiner der Beteiligten sich offenbar darüber im Klaren war, dass der Markt Oberstdorf für den Unterhalt des Bachs zuständig ist. Nach Schäden durch einen Starkregen sahen sich also die Älpler in der Verantwortung und sprachen bei der Unteren Naturschutzbehörde vor. Nach einem Ortstermin war es dann so, wie es laut Richterin oft ist: "Zwei Leute, zwei völlig unterschiedliche Berichte über den Vorgang."
Die Älpler beriefen sich auf einen Aktenvermerk nach dem Ortstermin und begradigten den Bach unter Missachtung sämtlicher Vorgaben des Natur- und Gewässerschutzes. "Gut gemeint ist nicht gut gemacht", tadelte die Richterin. Gleichzeitig stellte sie fest, dass auf beiden Seiten Fehler passiert seien: Wenn der zuständige Mitarbeiter im Landratsamt Oberallgäu den Fall an die Gewässeraufsicht weitergeleitet hätte, wäre die vermutlich eingeschritten. "Es ist allerdings schwer, das alles in rechtliche Kategorien zu pressen. Deshalb macht es mehr Sinn, nach vorne zu schauen."
Der Vergleich sieht nun vor, dass der Freistaat auf eigene Kosten ein Konzept erstellt, wie das Rappenalpbachtal wieder in einen Zustand versetzt werden kann, wie er vor den Baggerarbeiten im vergangenen Jahr bestand. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hatte zugesagt, dass der Wildbach seine ursprüngliche Dynamik wieder erhält. Die Älpler wiederum sind zuständig für Initialbaumaßnahmen, sie sollen etwa Wasserbausteine setzen, um eine weitere Vertiefung des Flussgrunds zu verhindern. Anschließend sind Vermessungen und ein Monitoring vereinbart.
Das Umweltministerium begrüßte den Vergleich. "Jetzt kann im Interesse des Rappenalpbaches gehandelt werden", sagte ein Sprecher, "der Ausgang eines langen Gerichtsverfahrens muss nicht abgewartet werden." Wichtig sei jetzt, dass die Arbeiten "zügig starten und naturschutzfachlich eng begleitet werden". Auch die Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag und Grünen-Politikerin Rosi Steinberger nannte den Vergleich gut. "Der Rappenalpbach muss wieder ein natürlicher Wildbach werden", sagte sie. "Das Umweltministerium und vor allem Minister Thorsten Glauber müssen alle Maßnahmen im Blick haben und absegnen. Bei der Sanierung darf auf keinen Fall auf eine Sparversion gesetzt werden."
"Eine Minimallösung werden wir nicht akzeptieren", heißt es vom Bund Naturschutz
Der Bund Naturschutz (BN) heißt die angestrebte Renaturierung ebenfalls gut, will das Konzept des Freistaats jedoch genau prüfen. "Eine Minimallösung werden wir nicht akzeptieren", sagte Thomas Frey am Rande der Verhandlung. Dem BN-Regionalreferent für Schwaben fehlt im Vergleich allerdings ein Ausgleich für die entstandenen Schäden am Fluss. Die Flusssohle sei so massiv zerstört worden, dass regelmäßig das Wasser in den Untergrund versickere und der Gebirgsbach trocken falle. Der BN schlägt etwa vor, den Fluss auf seine historischen Geländekanten zu erweitern und ihm so wieder mehr Raum zu geben.
Unabhängig von dem Vergleich laufen die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kempten wegen eines Verstoßes der Alpbauern gegen deutsches und europäisches Naturschutzrecht weiter. "Es ist grundsätzlich so, dass ein Gesetzesverstoß durch so einen Vergleich nicht repariert werden kann", erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Montag. Sollten die Ermittlungen tatsächlich einen Gesetzesverstoß ergeben, könne der Vergleich allenfalls bei der späteren Strafzumessung berücksichtigt werden. Bei Umweltstraftaten drohen den Tätern je nach Schwere Bußgelder bis zu 50 000 Euro und sogar Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Wie das Ermittlungen gegen die Alpgenossenschaft ausgehen, ist aber noch nicht abzusehen. Die Staatsanwaltschaft hat im Frühjahr ein umfangreiches Gutachten über die Schäden an Flora und Fauna in dem Naturschutzgebiet in Auftrag gegeben. Die Aufnahmen dafür dauern an.