Unter Bayern:Der Trachtler und die Niedertrachtler

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So wie im Januar in Straubing protestieren die Landwirte noch immer landauf, landab. Ihre Parolen sind nicht immer orthografisch korrekt. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Wie man mit einem Deppen möglichst souverän umgeht - eine Beobachtung, die gut in die aufgeregten Zeiten passt.

Kolumne von Franz Kotteder

Derzeit sieht man in den Zeitungen viele Bilder von Demonstrationen. Auf einem von einer bayerischen Bauerndemo sah man eine Frau mit einem selbst gemalten Pappschild, auf dem zu lesen war: "Mehr Verstand, weniger Bildung!" Das war interessant, weil die Menschen da normalerweise kein Gegensatzpaar erkennen. Oder finden, das eine hänge meistens mit dem anderen zusammen.

Muss aber nicht sein. Oft trifft gerade bei Leuten, die immer gern auf den sogenannten "gesunden Menschenverstand" pochen, die schöne Liedzeile aus Haindlings Deppen-Rap zu: "Von hundert Meter ko ma scho erkenna, da kimmt a Depp daher!"

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Mich erinnert das an ein Erlebnis aus den späten Achtzigerjahren in der Münchner S-Bahn, als die noch weitgehend nach Fahrplan fuhr. Da stieg ein torkelnder und sturzbesoffener Skinhead ein, schimpfte auf "die Drecksausländer" und grölte rechtsradikale Parolen. Einige eher schmalbrüstige Männer überlegten, ob sie empört schauen durften.

An der Stirnseite des Wagens aber saß ein Mann in den besten Jahren, der trotz einer leichten Wampe von der Statur her an den Schmied von Kochel erinnerte, mit seinem breiten Kreuz und den enormen Wadln. Er trug eine Strickjacke und eine alte Lederhose, und das zu einer Zeit, in der man sich noch nicht als Werdenfelser Bergbauer verkleiden musste, wenn man aufs Oktoberfest ging.

Er hob kurz seinen runden Kopf, stützte die Arme auf die Knie und beugte sich leicht nach vorn. "Du hoitst jetzt dei Fotzn und steigst glei wieder aus", sagte er mit einem tiefen Bariton und in aller Seelenruhe zu dem Glatzkopf, "weil sonst fangst a poor!" Augenblicklich herrschte Stille, und man konnte wie eine Welle die spontane Freude spüren, die durch den Wagen ging. Der Naziskin sah den Mann mit glasigen Augen an, maulte nur noch kurz und stieg an der nächsten Haltestelle aus.

Die gelassene Reaktion des Trachtlers hatte damals sicher viel mit Verstand zu tun und viel mit Bildung, Herzensbildung jedenfalls. Es war ihm ersichtlich wurscht, ob im Zug vielleicht ein Linksextremer saß, der auch seiner Meinung war: Er sagte einfach das, was er für richtig hielt. Und man wünscht sich nur, dass die heutigen, blaubraunen Niedertrachtler auf ähnlich couragierte Bayern treffen, die schon aus hundert Metern Entfernung erkennen: Schau hi, do kimmt a Depp daher.

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