Bildung:40 000 ukrainische Kinder in Bayern werden schulpflichtig

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Am wichtigsten ist für die Kinder aus der Ukraine, dass sie schnell Deutsch lernen, um gut am Unterricht teilnehmen zu können. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bildungsminister Piazolo stellt im Landtag sein Konzept vor, wie geflüchtete Schüler integriert werden sollen. Im Zentrum steht die Frage, ob es genug Lehrer gibt.

Von Johann Osel, München

Kultusminister Michael Piazolo (FW) hat mit dem Bildungsausschuss über sein Konzept debattiert, wie Kinder und Jugendliche aus der Ukraine nach den Sommerferien zur Schule gehen sollen. Aktuell seien etwa 27 000 junge Leute "im Schulsystem angekommen", für das kommende Schuljahr rechnet er mit 35 000 bis 40 000. Dann nämlich wird auch für die Breite der Geflüchteten die Schulpflicht greifen, bis dato nehmen viele freiwillig an einer pädagogischen Willkommensgruppe, einer Integrationsklasse und vereinzelt am Regelunterricht teil. Die Schätzung orientiert sich an Angaben des Innenministeriums zu den registrierten Schulpflichtigen. Unklar sei aber, ob diese jetzt noch alle im Land sind - ebenso, ob eine Rückkehr in die Ukraine oder ein dauerhafter Verbleib in Bayern geplant ist. Die Zahl, sagte Piazolo am Donnerstag im Landtag, sei vergleichbar mit der Größe eines Abiturjahrgangs. "Spürbar" also, "eine große Herausforderung". Er merke aber die "riesengroße Solidarität, wenn man draußen an den Schulen ist".

Als "Erfolgsmodell" bezeichnete Piazolo die bisherigen Willkommensgruppen, 1100 sind es im Freistaat, mit 3500 Kräften; gut 40 Prozent davon mit formaler Lehramtsqualifikation. An sich sei Unterricht in Regelklassen das Ziel, Basis dafür seien aber Deutschkenntnisse, die bei vielen erst aufgebaut werden müssten. In Grundschulen soll das über das Prinzip "Sprachbad" gemeinsam mit allen Kindern geschehen - in dem Alter nehme man Sprache "schneller, leichter, spielerischer an", so Piazolo, könne sich "hineinfallen lassen". An weiterführenden Schularten werden Brückenklassen der Normalfall sein. Anders als 2015, als viele Flüchtlinge in Bayern ankamen, sollen alle Schularten solche einrichten, auch Gymnasien. Deutsch als Zweitsprache ist in diesen Klassen bei ansonsten weitgehend normaler Stundentafel der Schwerpunkt, ergänzend könnten Angebote des Fernunterrichts, online aus der Ukraine, genutzt werden.

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Beim Personal hat der Freistaat unter anderem 1000 Stellen "entsperrt", die im Haushalt eigentlich für den erhöhten Bedarf an Gymnasien im Jahr 2025 (wenn G-8- und G-9-Jahrgänge zusammentreffen) gedacht waren - zweckgebunden für Brückenklassen. "Diese Stellen sind für uns neue Stellen", sagte Piazolo zu dem Vorwurf, es handele sich um eine Art Mogelei. Ohne dieses Vorgehen hätte man auf den Haushalt 2023 warten müssen. Willkommenskräfte aus den bisherigen Gruppen, Teilzeit-Aufstockungen, das "Reservoir" der Pensionäre und auch geflüchtete ukrainische Lehrerinnen sollen das Tableau ergänzen. Der Minister zeigte sich guter Dinge, dass das alles klappt; durchaus mit Flexibilität. "Auch wir lernen jeden Tag dazu, wir entwickeln das immer weiter."

Im Grundsatz gibt es Lob für die Brückenklassen

Von der Opposition gab es im Grundsatz Lob für den schnellen Aufbau der Brückenklassen, kritische Töne aber zu Details. Man könne sich noch so kreative Projekte ausdenken, "es steht und fällt mit dem Personal", sagte Anna Schwamberger (Grüne), sie wünscht etwa mehr unbefristete Stellen. Simone Strohmayr (SPD) berichtete vom Besuch einer Grundschule und von viel Bürokratie, um die Kräfte, die jetzt in Willkommensgruppen arbeiten, fürs nächste Schuljahr zu halten. Matthias Fischbach (FDP) sagte, beim Einsatz pensionierter Lehrkräfte sei seine "Hoffnung beschränkt", schließlich werde um die Gruppe seit Jahren gebuhlt. Gerhard Waschler (CSU) konterte, man solle dieses wichtige "Mosaiksteinchen" nicht geringschätzen. Oskar Atzinger (AfD) fragte, ob denn die Ukrainer überhaupt "vom deutschen Schulsystem zwangsbeglückt werden" müssten, es gebe doch den Fernunterricht. "Blanker Unsinn", meinte Johann Häusler (FW), Schulpflicht sei für die AfD wohl ein Fremdwort.

Im Ausschuss war ein befreit wirkender Kultusminister zu erleben, mit Neigung zum Scherzen: eine Besuchergruppe der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung begrüßte er augenzwinkernd als SPD-nah, an anderer Stelle versicherte er, dass im Keller seines Ministeriums keine Lehrkräfte versteckt seien, lediglich Akten. Zur Erinnerung: Bei den Turbulenzen um die Schulen in der Pandemie, vor allem wegen der Lernplattform Mebis, war Piazolo stark unter Beschuss geraten, im BR-Bayerntrend Anfang 2021 waren 74 Prozent aller Befragten mit ihm unzufrieden - desaströs. Der Ärger war ihm damals anzumerken. Mittlerweile nehmen Beobachter Teamgeist im Bildungsausschuss wahr, auch sei die Ankunft Geflüchteter an Schulen bisher ohne größere Pannen gelaufen. Wobei die Pandemie auch nächstes Schuljahr wieder zum Problem werden könnte, auszuschließen ist wohl nichts. "Unser Ziel ist, wie in diesem Schuljahr, Präsenzunterricht", stellte Piazolo klar. Abzuwarten seien aber die Entwicklung der Virusvarianten und die künftige Corona-Rechtsgrundlage durch den Bund.

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