Kriminalität:Die wichtigsten Prozesse in Bayern im neuen Jahr

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Die Göttin Justitia steht sinnbildlich für die Rechtsprechung. Im neuen Jahr ist sie wieder vielfach gefragt. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Mord und Totschlag, Missbrauch, Vergewaltigung: Auch 2024 müssen sich die Gerichte mit aufsehenerregenden Kriminalfällen beschäftigen. Ein Überblick.

Mord am Schloss Neuschwanstein, tödliche Schüsse in Nürnberg und Prozess um den Tod einer Zehnjährigen: An den Gerichten im Freistaat stehen 2024 bedeutende Verfahren an.

Blumen und Kerzen erinnerten im April 2023 an das zehnjährige Mädchen, das in einem Kinder- und Jugendhilfezentrum in Wunsiedel getötet wurde. Was genau geschah, ist nach wie vor unklar. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Der Fall eines getöteten Mädchens in einem Kinderheim im oberfränkischen Wunsiedel löste 2023 weit über die Region hinaus Entsetzen aus. Am 1. Februar 2024 beginnt nun der Prozess gegen einen 25-Jährigen wegen Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und weiterer Vorwürfe vor dem Landgericht Hof. Ein Elfjähriger, der für den Tod des Mädchens verantwortlich sein soll, wird aufgrund seines Alters nicht strafrechtlich verfolgt. Er ist als Zeuge geladen.

Dem Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, in der Nacht auf den 4. April 2023 zunächst in das Kinderheim eingebrochen zu sein, um Wertgegenstände zu stehlen. Dabei sei er auf den Elfjährigen getroffen und habe sich vor diesem selbst befriedigt. Das zehn Jahre alte Mädchen soll der Mann später vergewaltigt und das Kinderheim dann wieder verlassen haben. Der Junge soll das Mädchen in derselben Nacht bei einem Streit stranguliert haben. Für den Prozess sind neun Termine bis Anfang März 2024 geplant.

Im Juni wurde Schloss Neuschwanstein zum Tatort. In der Nähe soll ein Mann zwei amerikanische Touristinnen angegriffen und in eine Schlucht gestoßen haben. Eine Frau starb. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

In Kempten wird voraussichtlich 2024 ein Fall verhandelt, der weltweit für Aufsehen sorgte. Im Juni 2023 waren in der Nähe des Schlosses Neuschwanstein im Allgäu zwei US-amerikanische Touristinnen angegriffen und eine Schlucht hinabgeworfen worden. Die Polizei nahm einen Landsmann der beiden Opfer fest, gegen den 31-Jährigen war im Herbst Anklage wegen Mordes, versuchten Mordes und weiterer Straftaten erhoben worden. Die Ermittler werfen dem Mann vor, dass er eine 21-Jährige überwältigte, vergewaltigte und strangulierte. Dann soll er die Frau einen 50 Meter tiefen Abhang hinuntergestürzt haben, sie überlebte nicht. Ihre 22 Jahre alte Freundin, die eingreifen wollte, soll von dem Angeklagten ebenfalls in die Tiefe gestoßen worden sein, sie überlebte verletzt. Das Kemptener Landgericht hat noch keine Termine für den Prozess festgelegt, wie ein Sprecher berichtete. Da noch Anhörungsfristen für Verfahrensbeteiligte laufen, habe die Strafkammer noch nicht über die Zulassung der Anklage entschieden.

Der inzwischen gestorbene Papst Benedikt XVI. war ursprünglich unter den Beklagten im Traunsteiner Missbrauchsprozess. Auch deswegen war das überregionale Interesse besonders groß. (Foto: Andrew Medichini/dpa)

Anfang Januar soll am Landgericht Traunstein der Prozess gegen das Erzbistum München und Freising um Schmerzensgeld und Schadenersatz für einen Missbrauchsbetroffenen fortgesetzt werden. Ein zweiter Verhandlungstag wurde für den 10. Januar 2024 terminiert. An dem Tag soll der Kläger, ein früherer Ministrant, selbst gehört werden. Die Fortsetzung des Prozesses war zuvor mehrfach verschoben worden. Der Mann gibt an, Mitte der 1990er-Jahre von einem Priester in Garching an der Alz einmal sexuell missbraucht worden zu sein. Er fordert in dem Zivilprozess mindestens 300 000 Euro Schmerzensgeld vom Erzbistum.

Das Erzbistum hatte über seinen Anwalt zu Prozessbeginn generell akzeptiert, dass der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung hat, sich aber nicht auf eine konkrete Summe festgelegt. Das Verfahren hatte vor allem deswegen bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil unter den Beklagten ursprünglich auch der inzwischen gestorbene Papst Benedikt XVI. war. Das Verfahren gegen ihn wurde aber abgetrennt. Nach seinem Tod ist weiter unklar, wer die Rechtsnachfolge antritt und damit gewissermaßen auch das Verfahren erbt.

In der Nürnberger Südstadt sind im Oktober 2022 ein Mann getötet und ein weiterer schwer verletzt worden. (Foto: Eberlein/dpa)

Der Prozess um die tödlichen Schüsse in der Nürnberger Südstadt wird das Landgericht in den ersten Monaten 2024 beschäftigen. Die Kammer geht von einer umfangreichen Beweisaufnahme aus. Bis in den März sind zahlreiche Verhandlungstermine angesetzt. Angeklagt ist ein 29-jähriger Mann wegen Mordes und versuchten Mordes. Er soll im Oktober 2022 auf einer belebten Straße auf zwei Freunde geschossen haben. Im Januar will die Kammer zunächst Polizeikräfte und Zeugen der Tat befragen. Danach sind die Witwe des getöteten 30-Jährigen und ein 35 Jahre altes Opfer geladen, das den Angriff schwer verletzt überlebt hatte. Weitere Familienangehörige und Freunde der Männer will die Kammer ebenfalls befragen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es vor der Tat einen Streit zwischen dem Angeklagten und den beiden Opfern gab. Die genauen Gründe dafür sind nicht bekannt. Diese will die Kammer nun im Laufe des Prozesses herausfinden.

Der Prozess gegen den jungen Mann, der wegen Mordes an Hanna W. angeklagt ist, erregt großes öffentliches Interesse. Es sind weitere Termine bis März angesetzt. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Das Landgericht Traunstein beschäftigt sich weiter mit dem mutmaßlichen Mord an der 23-jährigen Studentin Hanna W. in Aschau im Chiemgau. Da sich die Beweisaufnahme hinzog, hat das Gericht zuletzt weitere Termine bis in den März angesetzt. Die junge Frau war in der Nacht zum 3. Oktober 2022 in einem Club in Aschau im Chiemgau und hatte sich von dort am frühen Morgen auf den Heimweg gemacht - doch zu Hause kam sie nie an. Ein Passant entdeckte die Leiche der Frau am Nachmittag im Fluss Prien, etwa zwölf Kilometer flussabwärts. Ein heute 22-Jähriger wurde sechs Wochen nach der Tat festgenommen und anschließend des Mordes angeklagt. Der junge Mann bestreitet die Tat. Bislang blieb unklar, ob die junge Frau womöglich ohne fremdes Zutun in den Fluss fiel und ertrank.

Auf dem Schulgelände in Lohr am Main wurde ein 14-jähriger Junge im September tot aufgefunden. (Foto: Pia Bayer/dpa)

Ein 14-Jähriger soll im September 2023 einen Gleichaltrigen im unterfränkischen Lohr am Main mit einem Kopfschuss getötet haben. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat den Verdächtigen wegen Mordes angeklagt, der Prozess könnte 2024 folgen. Der Deutsche schweigt seit seiner Festnahme zu den Vorwürfen. Als Tatmotiv gibt die Staatsanwaltschaft Mordlust an. "Er hat die Tat nur begangen, um jemanden zu töten", sagte ein Sprecher der Behörde. Die Tatwaffe, eine Neun-Millimeter-Pistole, gehörte legal einem Nachbarn des Jugendlichen. Dieser verfügte laut Polizei über sämtliche Erlaubnisse. Zudem habe er seine Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt. Wie der Schüler an die Pistole kam, ist bisher unklar, weil der Waffenbesitzer wegen eines Krankenhausaufenthaltes nicht befragt werden konnte und wenige Wochen nach der Tat starb. Der 66-Jährige soll den Jungen aber gekannt haben. Sollte es zum Prozess gegen den Jugendlichen kommen, wäre die Jugendkammer des Landgerichts Würzburg mit der Sache betraut.

Im März 2023 soll ein Mann im unterfränkischen Marktheidenfeld seine Ehefrau getötet haben. Im November klagte die Staatsanwaltschaft Würzburg den 36-Jährigen wegen Mordes an. Die Ermittler gehen davon aus, dass er die 33-Jährige aus niedrigen Beweggründen tötete, da die Ehefrau seiner Ansicht nach Schande über die Familie gebracht hatte. Die Frau wollte sich demnach von ihrem Ehemann trennen, doch dieser habe das nicht akzeptieren können. Bei einem Streit in der gemeinsamen Wohnung soll der Mann mindestens acht Mal auf die Frau eingestochen haben. Sie starb später im Krankenhaus. Sich selbst fügte der Mann demnach in der Absicht, Suizid zu begehen, auch mehrere Stichverletzungen zu. Der Afghane wurde nach dem Vorfall festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Das Paar hat vier Kinder. Diese kamen in die Obhut des Jugendamtes. Das Landgericht Würzburg hat bislang keine Prozesstermine festgelegt.

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