Parteiwechsel:Abrechnung mit Aiwanger

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Alexander Muthmann will Mitglied bei der FDP werden. Den Antrag hat er schon gestellt. (Foto: dpa)
  • Alexander Muthmann, langjähriger Abgeordneter der Freien Wähler, tritt aus der Partei aus und wechselt zur FDP.
  • Als Grund dafür nennt er vor allem den politischen Kurs des Chefs. Angeblich sollen weitere Übertritte folgen.
  • Aiwanger selbst zeigt sich von Muthmanns Austritt eher ungerührt. Eine Überraschung sei es nicht gewesen, meint der FW-Chef, eher eine "Erleichterung".

Von Lisa Schnell, München

Alexander Muthmann kann ganz frei sprechen. Wie viel Prozent werden die Freien Wähler (FW) bei der Landtagswahl 2018 holen? Muthmann schaut skeptisch, wie einer, der ein fast unmögliches Bemühen beobachtet, er schürzt die Lippen, wiegt den Kopf. Fünf, vielleicht sechs Prozent oder weniger, sagt er. Bis vor kurzem hätte er damit seine Partei schlecht geredet, jetzt spricht er als Konkurrent.

Muthmann ist am Dienstag aus der FW-Fraktion ausgetreten, am Mittwoch stellte er einen Aufnahmeantrag bei der FDP. Sein Mandat im Landtag behält er und ist dort damit der einzige FDP-Abgeordnete. Dass es seine Partei so schnell wieder ins Maximilianeum schafft, das hätte FDP-Landeschef Albert Duin auch nicht gedacht.

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Mehr noch als seine pinke Krawatte strahlt er selbst. Auch wenn Duin das gerne anders intoniert: Es ist wohl weniger die Anziehungskraft der FDP, die Muthmann zum Austritt motivierte, als die Enttäuschung über die Freien Wähler.

Eine Partei, für die er seit 2002 Politik machte. Sechs Jahre vertrat er ihre Interessen als Landrat von Freyung-Grafenau, neun Jahre saß er für sie im Landtag, war Mitglied im Haushaltsausschuss, ja sogar Mitglied des Vorstands. In der Fraktion galt er als Leistungsträger. Die FW aber, wie Muthmann sie versteht, gibt es für ihn nicht mehr, vor allem nicht unter FW-Chef Hubert Aiwanger. Dessen Rolle sei für seinen Austritt "maßgeblich" gewesen, sagt Muthmann, den mit Aiwanger eine lange anhaltende innerniederbayerische Abneigung verbindet.

Schon im Juni hatte er angekündigt, nicht mehr für die FW zu kandidieren, weil ihm Aiwangers Aussagen in der Flüchtlingspolitik zu nah an der AfD waren. Gerade hier sei eine sachliche Tonart gefragt, sagt Muthmann. Aiwanger aber habe Ängste geschürt.

Dazu komme die Ämterhäufung bei Aiwanger, der zugleich Fraktions-, Landes- und Bundesvorsitzender ist. Wenn in anderen Parteien mal einer über die Stränge schlage, gebe es immer einen, der die Spitzen abbreche. Bei den FW aber gebe es nur Aiwanger. Dass es in der Fraktion und vor allem in den Kommunen viele Freie Wähler gebe, die einen moderateren Kurs in der Flüchtlingspolitik vertreten, dringe da kaum noch durch, sagt Muthmann. Aber das ist nicht alles.

Auch in anderen Bereichen habe Aiwangers dominante Prägung den Freien Wählern geschadet. "Wir verharren zu sehr im Bestand", sagt Muthmann, ohne zu merken, dass er ja gar nicht mehr zum "wir" gehört. Etwa in der Landwirtschaft, bei der man den Bauern helfen müsse, sich auf die Zukunft vorzubereiten. "Immer nur das zu verteidigen, was wir kennen, ist sicher zu wenig."

Oder beim Umwelt- und Naturschutz, da findet Muthmann gleich gar nichts Zukunftsorientiertes. Auch den Bürgerdialog, für ihn ein Grundsatz der Freien Wähler, konnte er nicht mehr erkennen. Als Beispiel führt er den dritten Nationalpark an, den Aiwanger von München aus zu Teufelszeug erklärt habe, ohne in die Bevölkerung hineinzuhorchen.

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Aiwanger selbst zeigt sich von Muthmanns Austritt eher ungerührt. Eine Überraschung sei es nicht gewesen, meint der FW-Chef, eher eine "Erleichterung". "Jetzt wissen wir, woran wir sind, und können frei nach vorne arbeiten." Bei ihm habe sich noch keiner gemeldet, der Muthmanns Entscheidung bedauere. Er sei guter Dinge, dass nun wieder Inhalte im Vordergrund stünden.

In letzter Zeit fielen die Freien Wähler eher anders auf. Da war etwa der Ärger mit Günther Felbinger, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, den Landtag durch Scheinverträge um eine hohe Summe betrogen zu haben. Aiwanger stellte sich konsequent hinter ihn. Nicht nur Muthmann hatte die sanfte Linie des Chefs gestört. Es ist deshalb nicht gesagt, dass durch seinen Austritt das Betriebsklima in der Fraktion wieder besser wird, wie es Aiwanger erwartet.

"Ich kann ihn gut verstehen", sagt ein Fraktionsmitglied, der in Muthmanns Weggang einen großen Verlust sieht. Seine Kritik werde von einigen durchaus geteilt. Neben der Diskussion, wer ihm in seinen Ämtern nachfolgen soll, müsse nächste Woche auch die Kritik an Aiwanger ein Thema sein. Andere sehen den Austritt als die Entscheidung eines Einzelnen an.

"Sie sind alle herzlich willkommen"

"Sie wird die Fraktion nicht groß tangieren", sagt Generalsekretär Michael Piazolo. Er stellt zudem die Frage, ob es von Muthmann guter Stil war, sich im Frühsommer als FW-Kreisvorsitzender wählen zu lassen, um dann auszutreten. "Ein bisschen unglücklich" nennt das Muthmann. Dass seine neue Heimat die FDP sein werde, habe er da noch nicht gewusst. Jetzt aber ist er überzeugt, dass es ganz gut passe.

Wirklich? Muthmann kämpft seit Jahren für eine Landesentwicklung, in denen alle Regionen die gleichen Chancen haben. Die FDP aber galt während ihrer Koalition mit der CSU nicht als Fanklub der Landesentwicklung. Ein paar Feinabstimmungen gebe es natürlich, sagt Muthmann, die Richtung aber stimme.

Bei der FDP ist man zumindest glücklich. Nach vier Jahren in der außerparlamentarischen Opposition ist politische Erfahrung hier eher Mangelware. Jetzt fällt ihnen einer der "anerkanntesten Haushaltspolitiker im Landtag" in den Schoß, wie Detlev Werner, Chef der Niederbayern-FDP, sagt. Duin ist sich sicher, dass noch weitere wechseln. Es gebe schon Gespräche. "Sie sind alle herzlich willkommen", lockt er.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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