Mittelalterfeste in Bayern:Neue Ritter braucht das Land

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Neue Ritter braucht das Land: Auf Schloss Kaltenberg wird heuer ein frischer Finsterling namens Melwas sein Unwesen treiben. (Foto: Nicole Messer; Ritterturnier GmbH)

Bayern gaukelt sich zurück ins Mittelalter: "Spectaculum und Kurzweyl" gibt es von der Landshuter Hochzeit über das Tänzelfest und den Further Drachenstich bis zum Lanzenschwingen auf Schloss Kaltenberg.

Von Michael Zirnstein

Derer Definitionen sind da mannigfach, doch tut man keinem alten Rittersmann oder Burgfräulein unrecht, das Mittelalter zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit, also zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert einzusortieren. Freilich könnte man auch sagen, das Mittelalter dauert noch immer an. Zumindest hat diese Epoche heutzutage derart viele glühende Verehrer und Verfechter, dass man auf Festen, Märkten und Turnieren sich zumindest im Sommer durchgehend in der alten Zeit tummeln kann, gerne im Wams oder im Surcot.

Ob nun diese alte Zeit so gut war, wie sie tendenziell auf den modernen Mittelalter-Spielen nachzuerleben ist, sei dahin gestellt. Der Authentizitätsgehalt liegt hier irgendwo zwischen absoluter Detailtreue (wie bei der Landshuter Hochzeit) und Fantasy-Spektakeln à la "Game of Thrones" beim Further Drachenstich. Bei etwa 100 Spektakeln in Bayern kann man aber definitiv sagen: Das Mittelalter ist strahlend und keinesfalls finster. Eine Auswahl.

Landshuter Hochzeit

Schön und reich: Katharina Mottinger und Luis Truhla sind das neue Brautpaar der "Landshuter Hochzeit". Sie spielen heuer die polnische Königstochter Hedwig und Herzog Georg den Reichen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

"Himmel Landshut! Tausend Landshut! Landshut Hallo!" wird nun nach sechs Jahren (inklusive zwei Jahren Pandemie-Pause) endlich wieder durch die Straßen, auf der Burg und am Turnierplatz gebrüllt; wobei dieses "Hallo!" Neulingen ziemlich langgezogen und ungewohnt im Ohr klingen dürfte. Betonte man das früher so? Anzunehmen, denn der seit 150 Jahren bestehende Verein "Die Förderer" und die 2400 Mitwirkenden des Spektakels haben "größten Anspruch an Authentizität". Uhren, Brillen, Smartphones und sogar Kartoffeln sind verbannt. Die Stadt feiert "Landshuter Hochzeit" wie 1475, als die polnische Königstochter Hedwig und Herzog Georg der Reiche heirateten. Da ziehen sich der Zug und das Lanzenturnier schon mal in die Länge, aber eben das hat seinen Charme.

"Gelebte Geschichte" gibt es drei Wochen lang an allen Tagen und Ecken in der Hauptstadt Niederbayerns. Am größten ist der Ansturm an den Sonntagen beim Hochzeitszug durch die Alt- und Neustadt und im Anschluss bei den Reiter- und Ritterspielen und dem Lagerleben auf dem Festplatz. Am Samstag, dem Vortag der Hochzeit, gibt es Musik und Tanz rund um die gotischen Bürgerhäuser und das nächtliche Lager auf dem Turnierplatz. Die ganze Woche über taucht die Stadt ins Mittelalter ein: Im Rathausprunksaal wird ein Schauspiel über die Bauersfamilie Schilthack aufgeführt; hier gibt es auch Musik "zu Ehren des Fürsten" und ein Tanzspiel.

Auf der Burg Trausnitz tummeln sich Zauberer, Feuerschlucker, Gaukler und Komödianten, ein Fechtmeister zeigt sein Können. Der "Nächtliche Mummenschanz" ist ein Stück über Zecher, die ihre Seele an den Teufel verlieren. Beim "Laudate Dominum" spielen ein Vokal- und ein Instrumental-Ensemble das einst sehr populäre Lied "L'homme arme". Und im Salzstadel laden Spielleute ein zu "Wollust für Ohren, Augen und Wänste".

Landshuter Hochzeit 1475, 30. Juni bis 23. Juli, www.landshuter-hochzeit.de

Kaltenberger Ritterturnier

Das weitläufige Gelände von Schloss Kaltenberg wird im Juli wieder zum Tummelplatz für Gaukler. (Foto: Chris Roch)

Mit 16 englischen Recken fing es an. Luitpold von Bayern hatte sie im Burggraben des Towers von London kämpfen sehen und lud sie zur 800-Jahr-Feier der Dynastie Wittelsbach auf sein Schloss Kaltenberg ein. Die Kaltenberger Ritterspiele sind seither ganz schön gewachsen. Jeden Juli breitet sich eine mittelalterliche Turnierstadt auf dem weitläufigen Gelände aus. Unter den hohen Bäumen und Gebäuden gibt es viel zu entdecken: Handwerksstände, Tavernen und Schenken, Lager, in denen Mittelaltergruppen campieren. Ständig stößt man auf etwas zum Staunen, beim großen Umzug wie auf den fünf Bühnen, auf denen Musikanten oder Gaukler spielen. Zum Auftakt bei der "Gauklernacht" am 14. Juli sind sie die alleinigen Herren auf Kaltenberg, erstmals werden sich heuer Mittelalter-Bands wie Corvus Corax und Tanzwut zu neuen Konstellationen mischen.

An den normalen Turniertagen ist das aufwändig inszenierte Ritterturnier in der Arena für 13 000 Besucher der Höhepunkt. Mehr und mehr wurde es zu einem Schauspiel mit 300 Mitwirkenden und Spannungsbogen. Diesmal gibt es einen neuen, angeblich humorbegabten Schwarzen Ritter namens Melwas, der um die Königskrone kämpft. Des weiteren tauchen auf König Lienhart, seine Tochter Apolonia, der Lanzenreiter Lienhardt, ein geheimnisvoller Medicus, ein Monster und Wolpertinger. Außer auf die spektakulärsten Pferde-Stunts der Branche fiebert das Publikum vor allem auf den Tjost hin, bei dem sich je zwei Ritter mit ihren Lanzen aus dem Sattel stoßen wollen.

42. Kaltenberger Ritterturnier, Schloss Kaltenberg, 14. - 30 Juli, jeweils Fr. - Sa., www.ritterturnier.de

Tänzelfest

"Kinder spielen die Geschichte ihrer Stadt", lautet alljährlich das Motto des Tänzelfestes in Kaufbeuren. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

König Maximilian I. galt im 15. Jahrhundert nicht nur als "der letzte Ritter Deutschlands", er gilt auch heute noch als moderner Regent, schuf er doch "zu Encouragierung der Jugend den Denzeltag". An diese Stiftung erinnert die Stadt Kaufbeuren alljährlich mit ihrem Tänzelfest, dem ältesten historischen Kinderfest Bayerns. Im Zentrum stehen die Festumzüge, diesmal am Sonntag und Montag, 16. und 17. Juli: 1700 Kinder in historischen Gewändern mit 35 Festwägen und 170 Reitpferden lassen die Stadtgeschichte von der Karolinger- bis zur Biedermeierzeit Revue passieren.

1700 Kinder schlüpfen für den Festzug in historische Gewänder. (Foto: Tänzelfest Verein)

Das Tänzelfest hat elf Tage lang noch mehr zu bieten. Von der "fröhlichen Eröffnungsfeier" mit Gottesdienst und Kindersegnung, Theater, Musik, Tanz und eigener Fanfare im Rondell am Tanzplatz an (13. Juli, begrenzte Plätze!) gibt es noch das historische Lagerleben im Fackelschein mit Ritterkämpfen, Gauklern, Speis und Trank (14. & 15. Juli), den Häfelesmarkt mit Handwerkern vom Töpfer bis zum Schmied (15. - 17.7.) und den Vergnügungsmarkt auf dem Festplatz mit Festzelt, Schaustellern und Fieranten (15. - 24. Juli).

Auch in Landsberg am Lech gibt es ein großes historisches Kinderfest: Das Ruethenfest. Seit 1647 ehrt es den Brauch, dass Lehrer mit den Schülern vor den Toren der Stadt Ruten von Büschen brachen. Wie alle vier Jahre sind die Höhepunkte die Festumzüge am Samstag und Sonntag mit 1000 Mädchen und Buben und Pferdeprachtgespannen (19. - 23.7.).

Tänzelfest, Kaufbeuren, 13. bis 24. Juli, www.taenzelfest.de

Further Drachenstich

Sind wir hier bei "Game of Thrones"? Nein, in Furth im Wald. Beim Drachenstich treibt der größte Schreitroboter der Welt (16 Meter lang) sein Unwesen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Der Further Drachenstich gilt als ältestes Volksschauspiel in Europa. Seit 500 Jahren muss das Vieh sterben, als Symbol des Sieges über das Böse. Der Drache selbst wurde über die Jahre immer wieder modernisiert, als größter vierbeiniger Schleichroboter steht der aktuelle im Buch der Weltrekorde. Zum Volksschauspiel gibt es einen historischen Festumzug mit 1200 Mitwirkenden (14.8.) sowie das Cave Claudium. In den Chamb-Auen breitet sich dann ein Lager mit Händlern, Rüstungsschmieden und 1000 Rittern aus, die Einblicke in mittelalterliche Kampftechniken geben (18. - 20.8.).

Further Drachenstich, Furth im Wald, 2.-20. August, www.drachenstich.de

Stadt- und Burgfeste

Wenn's richtig gut läuft, dauert die Fahrt nach Rothenburg ob der Tauber ein bisserl mehr als drei Stunden, wenn nicht, beginnt das Abenteuer. (Foto: Werner J. Bertsch/imago images)

Bayern ist reich an historischen Gemäuern - und damit an Kulissen, die Gäste auf eine Zeitreise zurück nehmen. Fast jede Burg, oder was davon noch steht, hat ihren Mittelaltermarkt, etwa die Ruine Winzer (mit Blick übers Donautal, 23. - 25.6.), Burg Rabenstein auf dem Hochplateau überm Ailsbachtal (der größte Mittelaltermarkt Nordbayerns, 4. - 6.8.), und die längste Burg Europas in Burghausen, auf die "Gaukler, Musiker, Handwerksleut und Blaublüter mittelalterliches Leben zurückbringen" (7. - 9. Juli). "Spectaculum und Kurzweyl" sind auch in historisch anmutenden Gemeinden geboten, vom Frundsbergfest in Mindelheim (100 000 Besucher!, 23.6. - 2.7.) über "Füssen in der Renaissance" (30.6. - 2.7.) und das Neuburger Schlossfest mit Brillantfeuerwerk über der Donau (30.6. - 2.7.) bis zu den Reichsstadt-Festtagen in der prächtigsten Mittelalterstadt Bayerns, Rothenburg ob der Tauber (1. - 3.9.). Zum Jubiläum 900 Jahre Uehlfeld gibt es auch einen Mittelaltermarkt, dort wird auch "Handwerk zum Anschauen" geboten, unter anderem von einem Henker - nun, so viel Anschaulichkeit muss dann vielleicht doch nicht sein.

Mittelaltermärkte und Feste in Bayern, einen gut gepflegten Kalender gibt es auf mittelaltermarkt-info.de/loc/bayern/

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