NS-Kunst:Stadt distanziert sich von Hitlers "Lieblingslandschaftsmaler"

Der Marktheidenfelder Landschaftsmaler Hermann Gradl (hier auf undatiertem Porträtbild). (Foto: Sammlung Michael Deubert (Historischer Verein Marktheidenfeld).)

Über das Erbe des Malers Hermann Gradl war man sich in Marktheidenfeld Jahrzehnte uneins. Wie umgehen mit einem maßgeblichen Amtsträger im NS-Staat? Nun gibt es einen Konsens in der fränkischen Stadt.

Von Olaf Przybilla, Marktheidenfeld

Seit Jahrzehnten ist sich das fränkische Marktheidenfeld uneins darüber, wie mit dem dort geborenen Künstler Hermann Gradl umzugehen ist, dem "Lieblingslandschaftsmaler" Adolf Hitlers. In den Neunzigerjahren wurde die zunehmend unversöhnliche Debatte auch in überregionalen Medien geführt, seither galten die Fronten als verhärtet. Ein Konsens erschien zwischenzeitlich schwer vorstellbar, ist nun aber doch eingetreten: Der Stadtrat distanziert sich von der 1942 beschlossenen, direkt nach der NS-Diktatur bestätigten und 1955 verliehenen Ehrenbürgerschaft für Gradl.

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Im Rat herrsche Einigkeit, dass eine solche Ehrung aufgrund der Verstrickung Gradls in den Kunstbetrieb des NS-Regimes "aus heutiger Sicht nicht mehr in Betracht" kommen würde. Gradl war als Direktor der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste maßgeblicher Amts- und Funktionsträger im NS-Staat. Auf Listen Marktheidenfelder Ehrenbürger soll er künftig nicht mehr aufgeführt werden. Auch wird die 1957 benannte Gradlstraße dem Königlichen Bezirksamtmann Jakob Gradl gewidmet, Gradls Vater. Zusatzschilder sollen darauf hinweisen.

Darüber hinaus will die Stadt die bisherige Gradl-Dokumentation im städtischen Kulturzentrum in einen Sonderbestand der Stadtbibliothek überführen. Dort soll es weiterhin einen Raum für die Auseinandersetzung mit Leben und Werk Gradls geben. Vor allem der Schriftsteller Peter Roos hatte den lange unkritischen Umgang der Stadt mit Gradl heftig attackiert, war dort aber auf zum Teil erbitterten Widerstand gestoßen.

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Von Olaf Przybilla

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