Die "bayerischen SPD-Legenden" haben Medienvertreter nach München und Nürnberg eingeladen - und da glaubt man förmlich, Spöttern mit Hochschulabschluss beim Sich-Beömmeln lauschen zu können: Ob das eine wohlgesetzte Contradictio in Adiecto bayerischer Sozialdemokraten sein soll, ein rhetorischer Kunstgriff also - sogenannter Widerspruch im Adjektiv - wie in "schwarzer Schimmel"? Oder ob sie gleich noch Wilhelm Hoegner selig hinzuschalten mögen, seines Zeichens bayerischer Ministerpräsident 1945/46 sowie 1954 bis 1957. Eine amtlich beglaubigte Bayernlegende also - und ja doch: Sozialdemokrat.
Nein, die Sache mit den "Legenden" liegt anders; und dürfte nicht mit überfallartig auftretendem Sozi-Größenwahn zu erklären sein, sondern dem schlichten Anspruch, Politik nicht primär auf Länderebene wahrzunehmen. Bei den Legendenkonferenzen zur Landtagswahl treten am Freitag Christian Ude, Renate Schmidt, Franz Maget und Ulrich Maly auf die Bühne. Und ja doch: Da hält sich landespolitischer Legendenglanz - verbände man den ausschließlich mit bayerischen Regierungsämtern - in maximal engen Grenzen. Dafür sitzt da eine Frau, die für viele immer noch die Bundesfamilienministerin a. D. schlechthin ist. Zuzüglich insgesamt 39 Jahre OB-Erfahrung in den beiden großen Städten Bayerns. Dergleichen würde der CSU, gelinde gesagt, schwer fallen.
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Der Auftritt der vier beginnt in der Nürnberger SPD-Zentrale launig, wie nicht anders zu erwarten. Münchens Alt-OB Christian Ude steigt wagemutig mit einer Formulierung ein, in der die Fügung "oberbayerische Demut" vorkommt. Was genau der Inhalt seiner Einleitung ist, geht im Podiumsgetümmel etwas unter, weil die Ex-Bundesministerin Schmidt wissen will, was das denn bitte sein soll: oberbayerische Demut. Anschließend wird der aktuelle Stand der Enkelkinderzahl aller Podiumsteilnehmer eruiert. Es sind, nach zuverlässiger Zählung, 32. Wobei gesagt werden muss, dass die Bayern-SPD den Begriff der Legende doch etwas ausgeweitet hat. Anwesend sind in Nürnberg neben Ude, Schmidt, Maly und Maget auch der ehemalige Landrat von Kronach, Heinz Köhler, der Ex-Oberbürgermeister von Coburg, Norbert Kastner, und Klaus Herzog, ehemaliger OB von Aschaffenburg.
Die vier von der Legendeneinladung - Maly, Schmidt, Ude, Maget - treten noch zusammen für ein Foto; in der Mitte ist die Renate Schmidt des Jahres 1994 zu sehen, in der sie als Spitzenkandidatin in Bayern 30,05 Prozent geholt hat. Danach wird's dann aber bald sehr ernst auf diesem Podium und viel ernster, als die humorige "Legenden"-Einladung hat vermuten lassen. Am elegantesten kriegt die unverhoffte Kurve Ulrich Maly hin, der zunächst eigene Gedanken zur Legendenladung kundtut: "Ich habe mich gefragt: Was machen wir hier eigentlich?" Habe er doch befürchtet, dass der "Nachrichtenwert" einer Runde, in der alteingesessene Sozialdemokraten überraschenderweise zur Wahl der SPD aufrufen, "gegen null" tendiere. Immerhin, das will Maly der Runde zugutehalten, "dürften wir in etwa das Durchschnittalter der bayerischen Wählerinnen und Wähler repräsentieren".
Das aber sei nicht der Grund für sein Erscheinen. Er wolle ernsthaft um Gehör bitten - und zwar für die dringende Bitte an Wähler, bei der kommenden Landtagswahl "kurz innezuhalten". Angesichts einer mindestens rechtspopulistischen Partei, die die älteste demokratische Partei Deutschlands zu überflügeln drohe, habe er begründete Hoffnung, dass dieses Innehalten beim Gang in die Wahlkabine etwas bewirken könnte. "Es sieht keiner - und tut auch nicht weh", sagt Maly.
Am ernsthaftesten wird Coburgs Ex-OB Kastner. 94 Jahre sei sein Vater alt, dieser Tage habe er, Kastner, ihn sagen hören: "Norbert, was im Augenblick passiert, erinnert mich an schlimme Zeiten und macht mir Angst." Renate Schmidt betont auf Rückfrage: Nein, als nun 79-Jährige könne sie sich an einen solchen Auftritt - einen Wahlaufruf von Alteingesessenen der Bayern-SPD - beim besten Willen nicht erinnern: "Das habe ich noch nie gemacht." Einen starken rechten Rand aber, findet sie, "das haben die Bayerinnen und Bayern nicht verdient". Sie hat den Aufruf initiiert, gemeinsam mit Ude. Der sagt, als erfahrener Sozialdemokrat sei er "zutiefst besorgt und beunruhigt", dass "eine rechtsextreme rassistische Partei" in aktuellen Umfragen mit "der ältesten demokratischen Partei Deutschlands innerhalb und außerhalb Bayerns" auf Augenhöhe liege. Zwischen zehn und zwölf Prozent lag die AfD bei jüngsten Umfragen in Bayern, die SPD meistens knapp darunter. Ude warnt davor, "die schlimmsten Fehler der deutschen Geschichte sehenden Auges zu wiederholen".
Maget, ehemaliger Spitzenkandidat der SPD, fügt noch eine Warnung hinzu. Wenn die sogenannte Lufthoheit über den Stammtischen bedeute, dass man "die Polemik und die Lügen" der Rechtspopulisten selbst übernehme, so betreibe man schlicht deren Sache.