Landtagswahl in Bayern:CSU und Freie Wähler einigen sich auf Koalitionsverhandlungen

Ein Bild vom Start der Koalitionsverhandlungen vor etwa zwei Wochen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Vier Tage nach der bayerischen Landtagswahl starten CSU und Freie Wähler am Donnerstag mit Gesprächen über die angestrebte Neuauflage ihrer Koalition.
  • Ziel ist, die Koalitionsverhandlungen binnen zweieinhalb Wochen abzuschließen: nämlich in der Woche vor der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags am 30. Oktober.
  • Allerdings knirschte es kurz vor Beginn der Gespräche ganz gewaltig.
  • Alle Informationen zur Landtagswahl in Bayern finden Sie hier gebündelt auf einer Seite.

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Wichtige Updates

CSU und Freie Wähler einigen sich auf Koalitionsverhandlungen  

Die meisten Stimmen holt Aigner, den höchsten Anteil hat Söder

Der Frauenanteil in der CSU-Fraktion: 18,8 Prozent

Aiwanger mit Abstand der Stimmenkönig in Niederbayern

Wie es jetzt weitergeht

Katharina Blum
Katharina Blum

CSU und Freie Wähler einigen sich auf Koalitionsverhandlungen  

Trotz offenkundiger Missstimmungen haben sich CSU und Freie Wähler in Bayern offiziell auf den Start ihrer Koalitionsverhandlungen verständigt. In einer ersten Sondierungsrunde am Donnerstag einigten sich die Delegationen nach einer langen und dem Vernehmen nach auch bisweilen sehr kontroversen Aussprache auf den weiteren Fahrplan. „Wir werden jetzt sehr, sehr schnell in einen Arbeitsmodus übergehen“, sagte CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek anschließend.
Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl zeigte sich zuversichtlich, dass innerhalb von kurzer Zeit ein guter Koalitionsvertrag ausgearbeitet werden könne. Es sei gut gewesen, vor den Verhandlungen in einem gemeinsamen Gespräch „wieder Vertrauen aufzubauen“.
Bei dem Pressestatement der beiden Fraktionschefs waren ausdrücklich keine Fragen zugelassen. Zudem gaben die beiden Parteichefs, Markus Söder und Hubert Aiwanger, keinerlei Statements ab.


Katharina Blum
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Umweltminister: Viertes Ministerium für Freie Wähler ist „Minimum“ 

Noch vor Beginn der Verhandlungen hatte der amtierende Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) wiederholt ein viertes Ministerium für seine Partei gefordert: „Ein viertes Ministerium ist das Minimum, sonst brauchen wir gar nicht weiterzureden“, sagte er am Donnerstag dem Online-Portal „fraenkischertag.de“. „Ich verstehe gar nicht, wie das zur Debatte stehen könnte.“

Die Freien Wähler hatten in der vergangenen Legislaturperiode mit Hubert Aiwanger (Wirtschaft), Michael Piazolo (Kultus) und Glauber (Umwelt) drei Minister in der von der CSU geführten Koalitionsregierung gestellt. Hinzu kamen zwei Staatssekretäre mit Kabinettsrang.
Die Freien Wähler argumentieren, der Zugewinn von 4,2 Prozent der Stimmen gegenüber 2018 bei gleichzeitig leichten Verlusten der CSU rechtfertige ein viertes Ministerium für den kleineren der beiden Partner. Die CSU betont, die Freien Wähler seien 2018 mit insgesamt fünf Kabinettsposten schon besser weggekommen, als das damalige Wahlergebnis gerechtfertigt hätte. 
Katharina Blum
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CSU und Freie Wähler starten Koalitionsgespräche 

Mit leichter Verspätung haben am Donnerstag die ersten Gespräche von CSU und Freien Wählern zur Bildung einer neuen Koalition begonnen. Während die Delegation der CSU - angeführt von Parteichef Markus Söder - überpünktlich im Weiße-Rose-Saal im Landtag eintraf, kamen die Freien Wähler mit ihrem Parteichef Hubert Aiwanger erst um kurz nach elf Uhr. Seine Delegation sei „inhaltlich aufmunitioniert“, sagte Aiwanger. Von ihm aus könnten die Verhandlungen „heute“ zum Abschluss kommen.

Angekündigtes Ziel ist es eigentlich, die Koalitionsverhandlungen binnen zweieinhalb Wochen abzuschließen: nämlich in der Woche vor der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags am 30. Oktober. Allerdings knirschte es kurz vor Beginn der Gespräche ganz gewaltig. Und dabei waren wechselseitige Vorwürfe der beiden Wunschpartner, „mädchenhaft“ und „pubertär“ zu sein, fast das kleinste Problem:

Kassian Stroh
Kassian Stroh

Grüne: Landtags-Vize und Landeschef verpassen Einzug in den Landtag

Zwei (zumindest parteiintern) prominente Opfer der Verluste der Grünen bei der Wahl: Der bisherige Landtags-Vizepräsident Thomas Gehring wird dem Parlament nicht mehr angehören. In seinem Heimatbezirk Schwaben sind alle Stimmen ausgezählt, demnach hat Gehring unter den dortigen Kandidaten der Grünen das fünftbeste Ergebnis. Sie bekommen in Schwaben aber nur vier Mandate zugeteilt. Gehring hat mit einem guten Ergebnis in seinem Stimmkraus Lindau-Sonthofen zwar insgesamt mehr als 19 000 Stimmen gesammelt - das waren aber knapp 1700 zu wenig für einen Sitz im neuen Landtag. Gehring gehörte ihm 15 Jahre lang an.

Neu ins Parlament wollte auch der aus Ebersberg stammende Landesvorsitzende der Grünen, Thomas von Sarnowski - er schaffte das aber nicht. Sarnowski holte knapp 17 000 Erst- und Zweitstimmen, landete damit auf Rang 17 der Grünen in Oberbayern, die dort aber nur 14 Abgeordnete stellen dürfen. 
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Die meisten Stimmen holt Aigner, den höchsten Anteil hat Söder

In absoluten Zahlen ist sie die klare Spitzenreiterin: Ilse Aigner (CSU) hat bei der Landtagswahl 471 081 Stimmen bekommen, so viele wie niemand sonst und auch deutlich mehr als der Ministerpräsident, Markus Söder. Stimmenkönigin nennt man das gemeinhin. Doch dieses Ranking der zusammengezählten Erst- und Zweitstimmen ist ein bisschen unfair. Denn in Oberbayern, wo Aigner zur Wahl stand, leben deutlich mehr Wahlberechtigte als in den anderen Bezirken.

Setzt man die absolute Stimmenzahl ins Verhältnis zu denjenigen, die auch gewählt haben, dann ist der klare Gewinner Markus Söder: Er trat in Mittelfranken an, dort votierten gut 36 Prozent der Wähler für ihn. Er kam am Sonntag auf ziemlich genau 329 000 Stimmen. Knapp dahinter liegt Hubert Aiwanger: Vor den Namen des Freie-Wähler-Chefs setzten 33 Prozent der Niederbayern, die zur Wahl gingen, ein Kreuzchen – macht knapp 225 000 Stimmen. 

Aigners Rekordzahl relativiert sich deutlich, wenn man sie ins Verhältnis setzt zur Zahl der Wähler in Oberbayern: 20 Prozent votierten hier für die Landtagspräsidentin. Ein prozentual besseres Ergebnis hat auch Finanzminister Albert Füracker (CSU): Knapp 160 000 und damit etwa 25 Prozent der Oberpfälzer Wähler stimmten für ihn.
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Söder fordert von Aiwanger ein Bekenntnis zur Demokratie, die Freien Wähler reagieren verstört

Am Tag zwei nach der Landtagswahl rumort es gewaltig in der alten und möglichen neuen Regierungskonstellation. Die CSU ist zum einen sauer über das sehr selbstbewusste Auftreten der Freien Wähler (FW) am Montag, die sich "auf Augenhöhe" mit den Christsozialen sehen und mehr Posten im Kabinett fordern. Zum anderen hat CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder am Mittag ein klares Bekenntnis der FW zu ihrem politischen Kompass und Demokratieverständnis gefordert. "Es ist im Wahlkampf viel passiert. Einfach Schwamm drüber oder ,Schau'n wir mal' reicht nicht aus", sagte Söder. Es müsse geklärt werden, ob die Freien Wähler "fest im demokratischen Spektrum verankert" seien oder ob es andere Tendenzen gebe. "Sonst wäre das ein Problem." Es gehe um die Integrität der Staatsregierung, daher müsse das Bekenntnis womöglich in einer Präambel des Koalitionsvertrages verankert werden.

Das sind scharfe Worte – dafür, dass beide Parteien miteinander eine Koalition bilden wollen. Entsprechend verärgert sind die Freien Wähler. Ihr Fraktionschef Florian Streibl nennt Söders Forderung "verstörend". Die Freien Wähler hätten kein Problem damit, ein solches Bekenntnis abzugeben. Eigentlich müssten CSU und Söder das aber wissen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Schließlich regieren wir seit fünf Jahren gemeinsam."
Über diese Themen wollen beide Seiten am Donnerstag bei einem ersten Treffen reden. "Es wäre fatal, jetzt einfach zur Tagesordnung überzugehen", sagte der frisch gewählte CSU-Fraktionschef im Landtag, Ex-Gesundheitsminister Klaus Holetschek. "Es würde auch keine gute Basis legen für zukünftiges Regierungshandeln, sondern wir müssen uns jetzt an den Tisch setzen, mal in die Augen schauen und mal Klartext reden." Diese Kritik der CSU ist nicht neu, vor dem Wahltag hat sie aber gescheut, Aiwanger und seine Freien Wähler derart anzugehen. Nun bricht sich der Unmut in der CSU Bahn.

Söder hat auch die Flugblatt-Affäre im Blick. Wenige Wochen vor der Wahl hatte ein hetzerisches Pamphlet aus Aiwangers Schulzeit die Regierung in eine Krise gestürzt. Der Vize-Ministerpräsident verneint, es selbst verfasst zu haben. Und im Juni hatte Aiwanger mit einer rechtspopulistischen Aussage zur Lage der Demokratie ebenfalls Verwerfungen mit der CSU ausgelöst.
Kassian Stroh
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CSU: Kein Landtagsvize-Posten für die AfD

Die CSU weist die Forderung der AfD nach einem Landtagsvizepräsidenten-Posten zurück. "Eine Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, kann kein Verfassungsamt übernehmen. Ganz einfach", sagt Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Der neue CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek verlangt, die AfD in Bayern müsse sich endlich "klar abgrenzen" von Björn Höcke und anderen. Vorher sei eine Diskussion müßig. Thesen, die Höcke und andere verträten, seien "ein No-Go", sagt Holetschek. "Und dann will ich mal wissen, wie man sich jetzt mal distanziert, abgrenzt von dem braunen Sumpf, der da rumschwirrt."

Die AfD will nach ihren Zuwächsen bei der Wahl nun einen der Landtagsvizepräsidenten stellen - in den vergangenen fünf Jahren sind sie damit an der Mehrheit des Landtags gescheitert. Auch im Bundestag ist die AfD seit ihrem Einzug 2017 als einzige Fraktion nicht im Präsidium des Parlaments vertreten. Sämtliche Kandidaten verfehlten die erforderliche Mehrheit; die Partei scheiterte auch mit dem Versuch, vor dem Bundesverfassungsgericht einen Vizepräsidenten-Posten zu erstreiten. https://www.sueddeutsche.de/bayern/soeder-afd-holetschek-verfassungsschutz-landtagsvize-1.6282885
Kassian Stroh
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Der Frauenanteil in der CSU-Fraktion: 18,8 Prozent

Wer bisher der Meinung war, die auch von Parteichef Markus Söder forcierte Frauenförderung in der CSU komme kaum voran, wird nun eines Besseren belehrt: Sie macht Rückschritte. Die neue Landtagsfraktion ist zu nicht einmal einem Fünftel weiblich. 16 Frauen und 69 Männer gehören ihr an. Der Frauenanteil beträgt also 18,8 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren waren es mehr als 21 Prozent.

Zwar hat die CSU vor der Wahl betont, wie gut Frauen auf ihren Listen platziert seien. Das hat aber wenig geholfen, da wegen des insgesamt schwachen Ergebnisses für die CSU nur direkt gewählte Abgeordnete in den neuen Landtag eingezogen sind. Und die Partei hat seit Jahren das Problem, dass in den Stimmkreisen selbst mit Vorliebe fast immer Männer aufgestellt werden - in diese Prozesse vor Ort einzugreifen, davor scheut die Parteispitze zurück. Sie kann allenfalls bei der Listenreihung mitgestalten - die aber, wie diese Wahl gezeigt hat, irrelevant ist für die Sitzverteilung.

Ein ähnliches Bild zeigt sich übrigens seit vielen Jahren bei der CSU im Bundestag: Auch hier kamen zuletzt fast nur noch direkt gewählte Kandidaten ins Parlament und keine Listenkandidaten. Der Frauenanteil der CSU-Landesgruppe beträgt aktuell zehn von 45 Abgeordneten, also 22,2 Prozent.
Kassian Stroh
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Neuer CSU-Fraktionschef Holetschek zu Aiwanger: "Wir sind jetzt raus aus dem Bierzelt-Modus"

Klaus Holetscheks politischer Aufstieg geht weiter: Der 58-Jährige ist nun der neue Chef der CSU-Fraktion im Landtag. 84 Abgeordnete stimmten in ihrer ersten Sitzung für Holetschek, einer gegen ihn, wie aus Teilnehmerkreisen verlautete. CSU-Chef Markus Söder hatte den Schwaben für den Posten vorgeschlagen, bei der Abstimmung gab es keinen Gegenkandidaten.

Holetschek saß vier Jahre im Bundestag, ehe er 2002 Bürgermeister von Bad Wörishofen wurde. Seit 2013 sitzt er im Landtag. Im März 2020 kam er ins Kabinett, erst als Staatssekretär im Bau, ein halbes Jahr später inmitten der Corona-Pandemie im Gesundheitsministerium. Im Januar 2021 wurde er als Minister dessen oberster Chef. Als Fraktionschef beerbt Holetschek Thomas Kreuzer, der bei der Wahl nicht mehr angetreten war.

In seiner ersten Pressekonferenz machte Holetschek deutlich, dass die Fraktion gegenüber der Staatsregierung "selbstbewusst" auftreten wolle - und dass es "nicht so weitergehen" solle wie in den vergangenen Jahren. Damit bezog er sich vermutlich auf die Kritik vieler Abgeordneter an Kreuzer, allzu treu und widerspruchslos an Söders Seite gestanden zu haben. Zugleich setzte sich Holetschek - wie viele CSU-Größen am Montag - klar von den Freien Wählern ab. Deren aktuelles Auftreten sei "nicht gerade vertrauensbildend", man müsse Hubert Aiwanger sagen: "Wir sind jetzt raus aus dem Bierzelt-Modus." Söder wiederum sagte zu den Äußerungen der Freien Wähler vom Vortag - etwa den Forderungen nach einem weiteren wichtigen Ministerium: Dies sei "kein sehr gelungener Start" der Gespräche über die Fortsetzung der Koalition gewesen. 
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Aiwanger mit Abstand der Stimmenkönig in Niederbayern

Riesenerfolg für Hubert Aiwanger: In Niederbayern holt er knapp 225 000 Stimmen - und zwar 34 000 Erststimmen in seinem Stimmkreis Landshut, wo er das Direktmandat geholt hat, und gut 190 000 Zweitstimmen über die Liste. Das ist mit sehr großem Abstand das beste Ergebnis aller Kandidatinnen und Kandidaten in Niederbayern. Auf dem zweiten Platz folgt Christian Bernreiter, Bau- und Verkehrsminister sowie CSU-Bezirkschef. Er aber bekommt nicht einmal halb so viele Stimmen wie Aiwanger, nämlich knapp 99 000. 

Zwei Vergleichszahlen verdeutlichen, was das für ein Ausnahmeergebnis für Aiwanger ist: Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren bekam er nur gut 100 000 Stimmen, also nicht einmal die Hälfte. Und diesmal machte jeder dritte Niederbayer, der zur Wahl ging, sein Kreuz beim Vize-Ministerpräsidenten.

Aiwanger erweist sich damit als Zugpferd der Freien Wähler in Niederbayern. In diesem Regierungsbezirk haben sie ihr bestes Ergebnis geholt, sind mit 29,7 Prozent aller Stimmen nahe dran an der CSU (31,7 Prozent). Aiwanger hat den Freien Wählern in Niederbayern mehr als jede zweite Stimme besorgt. Bernreiter, zuvor Landrat in Deggendorf, war von Söder vor eineinhalb Jahren ins Kabinett geholt worden. Später wurde er auch zum CSU-Bezirkschef gewählt. Sein Auftrag war nicht zuletzt, ein Erstarken der Freien Wähler in Aiwangers Heimatland zu verhindern - offenkundig war ihm dabei nur wenig Erfolg beschieden.
Nina von Hardenberg
Nina von Hardenberg

FDP lehnt Rücktrittsangebot von Parteichef Hagen ab

Der bayerische FDP-Parteivorsitzende Martin Hagen bleibt trotz Wahlniederlage im Amt. Er habe seit Sonntag sehr viele Zuschriften erhalten mit der Bitte, nicht hinzuwerfen, berichtet Hagen bei einer Pressekonferenz in der Landesgeschäftsstelle in München. "Gleichwohl habe ich dem Landesvorstand meinen Rücktritt angeboten", sagte Hagen. Wenn man ein so niederschmetterndes Ergebnis erfahre, könne man danach nicht "business als usual" machen. Der Landesvorstand habe ihn aber gebeten, im Amt zu bleiben. Man habe schriftlich abgestimmt. Es gab keine einzige Stimme für den Rücktritt. 

Die Reaktion aus der Partei bis hin zur Sitzung des Landesvorstands habe ihn bewogen weiterzumachen, sagte Hagen. Und auch sein politischer Ehrgeiz: "Ich beende meine politische Karriere nicht mit dem Rauswurf aus dem Landtag", sagte er. "Meine Motivation ist es, diese Scharte auszuwetzen." Die FDP hatte bei der Wahl am Sonntag nur drei Prozent der Stimmen erhalten und muss nun aus dem Landtag ausziehen. 
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Präsident des Zentralrats der Juden: "Der Albtraum dauert an"

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, ist über die Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen besorgt. "Der Albtraum dauert an und ich habe die Besorgnis, dass er noch etwas länger anhält", sagte Schuster dem Bayerischen Rundfunk - auch mit Blick auf die AfD-Umfragewerte in den ostdeutschen Bundesländern. In Bayern ist die AfD mit 14,6 Prozent (2018: 10,2) die drittstärkste Kraft geworden. 

Schuster sagte, er hoffe, dass die von der Union viel zitierte Brandmauer gegen die AfD halte. Zwar hätten die aktuellen Wahlerfolge der rechten Partei noch keine Auswirkungen auf das jüdische Leben im Land, sagte der Würzburger - 85 Prozent der Bevölkerung hätten eben nicht für die AfD gestimmt. Dennoch wachse bei vielen das Nachdenken über eine mögliche Emigration. Eine Regierungsbeteiligung der AfD auf Bundesebene sei jedenfalls "nur schwer mit jüdischem Leben in Deutschland vereinbar".

Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatte am Sonntag das Wahlergebnis der AfD in Bayern "schwere Belastung" für die Arbeit des neuen Landtags bezeichnet. "Minderheiten wie die jüdische Gemeinschaft werden so weiter verunsichert."
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Wie es jetzt weitergeht

In den kommenden Tagen und Wochen sortiert sich der politische Betrieb neu - ein Überblick über das, was bereits absehbar ist:
  • Zunächst einmal heißt es nun Warten: auf die Liste der neuen Abgeordneten. Denn noch liegen nicht alle einzelnen Zweitstimmenergebnisse vor; die aber sind entscheidend dafür, wer für welche Partei nun in den Landtag einzieht. Vermutlich wird das an diesem Dienstagvormittag klar sein. Bisher sind nur die Namen der 91 direkt gewählten Abgeordneten bekannt.
  • Stehen die Abgeordneten fest, können die Fraktionen erstmals zusammentreten und ihre neue Spitze wählen. Das wird zum Teil in dieser Woche erfolgen, bei manchen wie der AfD vermutlich auch erst kommende Woche. Nur die CSU-Fraktion kommt bereits an diesem Dienstag zusammen, wählt aller Voraussicht nach Klaus Holetschek zum neuen Fraktionschef und bestimmt Ilse Aigner als Kandidatin für das Amt der Landtagspräsidentin. Bei der CSU steht die Zusammensetzung der Fraktion bereits fest, da sie nur aus direkt Gewählten besteht.
  • Wohl am Donnerstag kommen CSU und Freie Wähler (FW) zu einem ersten Koalitionsgespräch zusammen - CSU-Chef Markus Söder wird dazu einladen. Dass ihm das zusteht und nicht den FW, darauf hat er am Montag Wert gelegt.
  • Am 30. Oktober tritt dann der neue Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammen, unter anderem um ein neues Präsidium zu wählen. Der 30. Oktober ist der letztmögliche Tag dafür, denn laut Verfassung muss sich das Parlament spätestens am 22. Tag nach der Wahl konstituieren.
  • Danach haben die Abgeordneten laut Verfassung eine Woche, also bis zum 6. November Zeit, eine neue Ministerpräsidentin oder einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen. Söder will die Wahl am 31. Oktober abhalten. Bis dahin sollte also eine Koalition stehen, was nicht viel Zeit ist, was aber reichen dürfte. CSU und FW haben ja grundsätzlich bekundet, weiter miteinander regieren zu wollen. Sie müssen keine Mitgliederbefragungen oder große Parteitage abhalten, um einen Koalitionsvertrag absegnen zu lassen. Und vor fünf Jahren haben sie ihre Koalition in gerade mal zwei Wochen unter Dach und Fach gebracht.
  • Sollte der Landtag aber nach einer Woche noch keinen Regierungschef bestimmt haben, beginnt eine Art Sonderfrist zu laufen: Sie dauert vier Wochen. Ist an deren Ende, also Anfang Dezember, noch immer kein Ministerpräsident gewählt, wird der Landtag aufgelöst und es gibt eine Neuwahl. Das aber ist in der Geschichte des Freistaats noch nie passiert.
Anna Landefeld

Die SZ berichtet

Lesen Sie hier unsere wichtigsten Analysen, Hintergründe und Einordnungen zur Landtagswahl in Bayern: 

  • Die CSU verliert in Bayern massiv an Freie Wähler und AfD. Dass sie ihr Ergebnis am Ende trotzdem hält, liegt auch am Ausbluten der Ampelparteien. Über das Stühlerücken, bei dem am Ende einer auf dem Hintern landet. Analyse zur großen Wählerwanderung von Thomas Balbierer (SZ Plus)

  • CSU und Freie Wähler teilen am Tag nach der Wahl gegeneinander Spitzen aus. Hubert Aiwanger bezeichnet den Koalitionspartner als „mädchenhaft“. Ministerpräsident Söder warnt ihn vor Selbstüberschätzung. Und nun? Analyse von Roman Deininger, Andreas Glas und Christian Sebald. (SZ Plus)

  • Hubert Aiwanger und seine Partei sind zweitstärkste Kraft in Bayern geworden – manche sprechen deshalb von einem Rechtsruck, doch die Freien Wähler weisen das strikt zurück, schreiben Lisa Schnell und Christian Sebald. (SZ Plus)

  • Jetzt bricht die Zeit der Abrechnung an: Rechtsaußen erstarkt, die Opposition schwach wie nie - und die alten, vermutlich neuen Regierungsparteien? Die Abneigung zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger wird Folgen fürs Land haben. Ein Kommentar von Sebastian Beck (SZ Plus)

  • Jüngster direkt gewählter Bayern-Parlamentarier jemals? So darf sich Kristan von Waldenfels, 23, nennen. Einen anderen Maximaltitel hatte er eh längst inne: jüngster Bürgermeister Deutschlands. Ein Porträt von Olaf Przybilla (SZ Plus)

  • Und wenn die Welt in Flammen steht? Egal. Die Talk-Runden nach den Landtagswahlen schwimmen durch die Seichtgewässer der Nachbereitung. Das letzte und wahre Wort spricht: Uli Hoeneß im Bayerischen Rundfunk. Willi Winkler über Geschwätz und Größenwahn (SZ Plus)

  • Ampel-Debakel auf Ansage: Die Bürger würden sich nach weniger Streit in der Koalition sehnen, so lautet eine der Analysen nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Nach den Verlusten der drei Parteien am Sonntag dürfte das nicht wahrscheinlicher werden, schreiben Markus Balser, Georg Ismar, Paul Anton-Krüger und Henrike Roßbach (SZ Plus)
     

Kassian Stroh
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Söder an die Freien Wähler: "Achtung: Seriös"

In der CSU mehren sich die Stimmen, die eine klarere Abgrenzung von den Freien Wählern (FW) verlangen - nun kündigt auch der Parteivorsitzende einen kritischeren Umgang an und mahnt den bisherigen und möglichen künftigen Koalitionspartner zur Zurückhaltung. Die CSU wolle "die bisherige bürgerliche Arbeit fortsetzen", sagt Markus Söder. "Aber Achtung: Seriös. Ich rate allen, auf dem Teppich zu bleiben, keine Selbstüberschätzung zu betreiben, sondern schon vernünftig zu sein, die Größenverhältnisse zu realisieren." Die CSU werde ihr Versprechen, Stabilität für Bayern, halten, aber "nicht um jeden Preis".

Das Rangeln zwischen FW und CSU wird am augenfälligsten bei der Frage, wer wie viele Ministerien leiten darf. Er verstehe, "dass der eine oder andere unter Strom steht", sagt Söder mit Blick auf die Forderung der FW nach einem weiteren Ministerposten. Sie hätten 2018 nach der Wahl mit fünf der 18 Kabinettsposten bereits mehr bekommen, als ihnen zugestanden hätte. FW-Chef Hubert Aiwanger wiederum hatte am Vormittag gesagt: "Wenn man die Wahlergebnisse anschaut, glaube ich, dass jeder sich ausrechnen kann, wie viele Ministerien uns zustehen." Das könne "jeder Grundschüler". Söder - dem Grundschulalter seit Längerem entwachsen - sagt nun: "Rechnerisch gesehen übrigens ist es so, dass den Freien Wählern kein weiterer Kabinettsposten zusteht."

Und dann setzt er gleich mal ein paar Spitzen gegen die bisherigen FW-Minister ab: Von denen erwartet er bessere Arbeit, bei der Leistung seien "viele Fragen offen". In der Wirtschafts-, Schul- oder Umweltpolitik etwa müsse er als Regierungschef ständig Fragen beantworten. "Ich glaube, da muss alles und alle besser werden" - alle drei Ministerien sind in der Hand der Freien Wähler. Und speziell seinem Vertreter Aiwanger gibt Söder noch mit, dass er von den künftigen Ministern erwarte, die "volle Legislaturperiode" zur Verfügung zu stehen. Schließlich hat Aiwanger klar gemacht, dass er in zwei Jahren seine Freien Wähler in den Bundestag führen wolle.

Söder kündigt auch an, mit den FW erst einmal über ein paar grundsätzliche Fragen sprechen zu wollen, etwa die Frage, wo sie ihren Standort im Parteiensystem sähen. "Wir wollen da klare gemeinsame Bekenntnisse haben, um eine gute Regierungsarbeit fortsetzen und starten zu können." Erst danach werde über Inhalte und Personalien gesprochen. "Seit Erding haben sich die Freien Wähler Stück für Stück verändert. Deshalb verändert sich auch die Zusammenarbeit." In Erding hatte Aiwanger im Juni bei einer Demonstration gerufen, es sei an der Zeit, dass sich die "schweigende Mehrheit" im Land die Demokratie zurückholen müsse - eine Formulierung, wie sie bisher AfD-Politiker gebraucht haben.

Die Abneigung zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger werde Folgen fürs Land haben, kommentiert Sebastian Beck (SZ Plus): 

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