Wirtschaft in Bayern:Wie die Glasindustrie CO₂ und Energie sparen will

Lesezeit: 3 min

Der geplante Neubau von Schott in Landshut soll bis voraussichtlich Herbst 2025 fertig sein. (Foto: Visualisierung: Schott AG)

Der Spezialglashersteller Schott baut seinen Standort in Landshut um - und will klimaneutral werden. Eine Herausforderung, mit der in Bayern nicht nur die Glasindustrie kämpft.

Von Maximilian Gerl und Felix Hamann, Landshut

Noch steht die neue Halle draußen vor der Hauptstadt Niederbayerns nicht. Aber die entscheidenden Zahlen, die sind schon in der Welt: Hundert und Null. Einen "100 Prozent klimaneutralen Gebäudekomplex" will der Spezialglashersteller Schott an seinem Standort in Landshut-Münchnerau errichten, mit also bestenfalls null Auswirkungen aufs Klima. Dadurch werde einer "der wichtigsten Innovations- und Entwicklungsstandorte" des Konzerns gestärkt, sagte Peter Kniprath, Leiter des Geschäftsbereichs Electronic Packaging, anlässlich des Spatenstichs Anfang Dezember. Auch Oberbürgermeister Alexander Putz steuerte Begeisterung bei. "Das wird die Attraktivität des Standortes Landshut für hoch qualifizierte Arbeitskräfte weiter erhöhen."

Eine Fabrik der Zukunft also? In jedem Fall ein ambitioniertes Vorhaben, das räumen sie auch bei Schott ein. Zumal der Konzern mit Hauptsitz in Mainz aus einer Branche stammt, die sich mit der Frage herumschlägt, wie zukunftssicher hierzulande ihr Geschäft noch ist. Denn hohe Energiepreise und große Fragezeichen bei der Versorgung machen der Glasindustrie wie anderen Gewerken zu schaffen. Sogar von einem bayerischen Standortnachteil ist die Rede, auch weil sich hier - anders als in Norddeutschland - zu wenige Windräder drehen, um die Produktionsanlagen mit günstigem Strom zu versorgen. Und die Trassen, die ihn mal nach Süden bringen sollen, sind noch auf Jahre im Bau.

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So gesehen dürften sie auch anderswo in Bayern interessiert verfolgen, wie sich die Dinge bei Schott in Landshut entwickeln; ob sich die Vision von der Hundert und der Null erfüllt. Geplant ist, dass die neue Fabrik die beiden Landshuter Werke zu einem Kompetenzzentrum zusammenführt. In einem Abschnitt des zweigeschossigen Gebäudes soll dann die Produktion stattfinden, für den anderen sind Büros vorgesehen. Das Herz des neuen Gebäudes - das Energiekonzept - setzt auf einen Mix: Vereinfacht sollen Wärmepumpen Heizen und Kühlen regeln, die Abluft aus der Produktion für Wärme sorgen. Der Strom für die Fertigung hingegen soll sich aus einer Photovoltaikanlage auf dem Dach mit 1000 Modulen speisen.

Bis voraussichtlich Herbst 2025 soll die neue Fabrik fertiggestellt sein und nach Schott-Angaben jährlich rund 460 Tonnen Kohlenstoffdioxid einsparen. Davon fällt in der Glasproduktion normalerweise ausreichend an. Um Glas formen zu können, muss es erst in riesigen Wannen auf bis zu 1700 Grad Celsius erhitzt werden. Häufig wird dazu Erdgas genutzt.

In Niederbayern soll das nicht der Fall sein. "Schott ist hier seit Jahrzehnten verwurzelt", sagt Thomas Gassner. Er ist Werksleiter am Standort und kann daher genau erklären, was die gut 500 Beschäftigten in Landshut fertigen: Hightech-Komponenten aus Glas und Metall sowie Glaspulver- und Spezialglaskomponenten. Das Glaspulver wird zum Beispiel in der Zahnmedizin für Kunststofffüllungen verwendet. Schott gilt als einer der größten Hersteller für solche Dentalfüllungen weltweit. Zudem werden Komponenten beispielsweise zum Schutz von empfindlicher Elektronik produziert. "Was uns auszeichnet, ist die hohe Innovationskraft", sagt Gassner. "Es gibt eine Neuproduktrate von über 25 Prozent." Aktuell würden in Landshut nahezu 1000 Artikel für verschiedene Branchen und Industrien gefertigt.

Das Erhitzen und Verarbeiten von Glas hat jedoch im wahrsten Sinne seinen Preis. Die Energie gilt in der Branche als größter Kostenblock. Vor allem im Frühjahr 2022 waren deshalb die Nöte vielerorts groß, als die Erdgaspreise durch den russischen Angriff auf die Ukraine Rekordhöhen erreichten. Die Preise haben sich inzwischen wieder eingependelt. Trotzdem steht das Konstrukt auf gewissermaßen wackeligen Füßen, schon der Klimaschutzziele wegen. Nicht nur die Glasindustrie, sondern auch andere Branchen versuchen daher zunehmend, sich sowohl unabhängiger als auch grüner aufzustellen. So baute die Firma Schaltbau im niederbayerischen Velden eine neue Fabrik, die sich mit Wärmepumpen und Solaranlagen zu großen Teilen selbst versorgt.

Wenn die Fabrik fertiggestellt ist, sollen nach Schott-Angaben jährlich rund 460 Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart werden können. (Foto: Visualisierung: Schott AG)

Auch Schott hat das Ziel, als Konzern klimaneutral zu werden, 2030 soll es bestenfalls so weit sein. Dazu investiert man in Landshut einen nicht näher bezifferten, zweistelligen Millionenbetrag. Allerdings ist die Abkehr vom Erdgas nicht unproblematisch. Das Erhitzen einer Schmelzwanne mit Strom läuft nämlich anders ab. "Das kann man sich vereinfacht vorstellen wie bei einem Wasserkocher", sagt Unternehmenssprecher Jonas Spitra. "Je nachdem, von wo das Wasser erhitzt wird, gibt es unterschiedliche Strömungsverhältnisse." Trotzdem müsse sichergestellt sein, dass der Schmelzprozess kontrolliert ablaufe, damit das Glas am Ende keine Fehler aufweise. Um den Einsatz von Strom in der Produktion vorzubereiten, seien deshalb noch umfangreiche Tests notwendig. Entsprechende Projekte liefen bereits, sagt Spitra.

Im Geschäftsjahr 2021/22 erzielte Schott einen globalen Umsatz von rund 2,8 Milliarden Euro - ein solides Ergebnis angesichts des Marktumfelds und der vielen weltweiten Krisen. Dennoch fordert der Konzern von der Politik wettbewerbsfähige Energiepreise, um auch langfristig Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen auf den Markt bringen zu können. Während andere Branchen diese Strompreiskompensation schon bekommen würden, sei das bei Schott bisher nicht der Fall. Ganz ohne Hilfe könnte also am Ende die Vision von der Hundert und der Null womöglich nicht dauerhaft zu haben sein.

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