Landespolitik:Die Grünen demonstrieren ihren Machtwillen

Lesezeit: 4 min

Der Spitzenkandidat der bayerischen Grünen, Ludwig Hartmann, bei seiner Rede auf dem Landesparteitag. (Foto: dpa)
  • Gut fünf Monate sind es noch, dann wählen Bayerns Bürger einen neuen Landtag.
  • Umfragen sehen die Grünen als zweitstärkste Kraft hinter der CSU - die Partei ist euphorisch. Aber muss sich auch fragen: Will man eine Koalition mit der CSU, die man derzeit hart attackiert?

Von Lisa Schnell, Hirschaid

Eines möchte Ludwig Hartmann jetzt doch klarstellen. Nein, er möchte nicht mit Markus Söder im Bett liegen. Darum gehe es doch gar nicht, sondern darum, als Grüne endlich zu gestalten. Und wer es jetzt noch nicht verstanden hat, dem hat Katharina Schulze noch etwas zu sagen: "Wir bekommen die Welt nicht besser gemeckert, wir bekommen die Welt nur besser gemacht."

Ihre Lust, endlich mal zu machen in Bayern, rufen die grünen Spitzenkandidaten den rund 400 Delegierten auf ihrem Wahlparteitag im oberfränkischen Hirschaid nicht nur vom Rednerpult zu, sie zeigen sie an jeder Ecke. Da steht eine Digitaluhr, die jede Sekunde abzählt, bis mit der Landtagswahl "die Zeit des Absolutismus in Bayern beendet ist". Als Landeschef Eike Hallitzky das sagt, sind es noch 162 Tage, 7 Stunden, 23 Minuten und 20 Sekunden. Und da ist der Beschluss, dass über einen Koalitionsvertrag ein Parteitag entscheiden soll. Eine Urwahl ginge aus Zeitgründen nur elektronisch und das ist den Grünen zu unsicher. Von der Macht trennt sie nur ein Buchstabe, zumindest auf ihren Plakaten, wo sie einen "Machanspruch" erheben.

Parteitag
:Die Grünen wollen, aber Söder mag nicht

Falls der Ministerpräsident nach der Landtagswahl eine Koalition eingehen müsste, stünden die Grünen parat. Doch ihr Problem ist, dass der Ministerpräsident andere Partner im Auge hat.

Kommentar von Lisa Schnell

In den Umfragen sind es ein paar Prozente mehr, bei 14 Prozent stehen die Grünen. Mindestens 15 müssten es werden, um einen Gestaltungsauftrag daraus abzuleiten, sagt Hartmann. Er glaubt, das ist zu schaffen, andere reden von einem zweistelligen Ergebnis. Auch 2013 lagen die Grünen in frühen Umfragen bei 15 Prozent, gewählt haben sie am Ende 8,6 Prozent. Jetzt aber reicht das Selbstbewusstsein, um zu sagen "wir sind stark genug, mit der CSU, die sich übermächtig fühlt, Gespräche zu führen", sagt Margarete Bause, Bundestagsabgeordnete. Eine, die schon bei den Grünen war, als Macht für viele so etwas wie eine ansteckende Krankheit war, mit der man sich besser nicht infiziert. Nein, mit dem M-Wort hat bei den Grünen mittlerweile kaum einer ein Problem, mit dem, der sich in Bayern de facto mit der Macht verbindet, schon eher: Markus Söder.

Und so oszilliert der Parteitag zwischen einem absoluten Gestaltungswillen und der großen Skepsis dem gegenüber, den man zum Gestalten bräuchte. Der Landtagsabgeordnete Markus Ganserer vereint die zwei Wesenszüge der grünen Seele an diesem Wochenende in einem Satz: Für ein Bündnis mit Söder fehle ihm "die Fantasie oder die richtige Droge, um es mir vorzustellen", sagt er, und dann: "Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen." Nur, wie soll das gehen?

Eva Lettenbauer, Sprecherin der Grünen Jugend, hat darauf keine Antwort. "Nichts" halte sie von einer Koalition mit Söder, der nicht vor rechten Parolen zurückschrecke und "rundum rücksichtslos" sei. Sie warnt vor einem "Regierungsfetischismus". Auch in der Opposition könne man gestalten, siehe die Abschaffung der Studiengebühren. Statt der Überschrift "Grüne wollen regieren" würde sie in Berichten über die Grünen viel lieber lesen "Die Grünen wollen die Umwelt schützen".

Dass die Grünen Verantwortung übernehmen wollen, wisse man seit Jamaika. "Das muss man nicht so vor sich hertragen", sagt Gülseren Demirel, Landtagskandidatin in München, wo sie an der Basis auch Ängste wahrnimmt. Sie erklärt sich diese damit, dass es mit Schwarz-Grün in Bayern auf kommunaler Ebene keine Erfahrung gibt. Eine Koalition brauche zudem immer auch Vertrauenspersonen, die zwischen den Partnern vermitteln können. Söder sei das sicher nicht. Zudem müssten die Grünen in der Regierung mit einer Verwaltung zusammenarbeiten, die seit Jahrzehnten von der CSU geprägt sei. Wie ein solches Bündnis auch enden könne, habe man ja an der FDP gesehen, die 2013 nicht nur aus der Regierung, sondern gleich aus dem Landtag geflogen ist.

In Hirschaid stehen die Unterschiede zur CSU im Mittelpunkt

Und dann gibt es da noch Stimmen wie die von Susanne Kurz. Die Landtagskandidatin aus München steht vor der Parteitagshalle in der Sonne und strahlt mit ihr um die Wette. Einmal schon habe sie die politische Wende verpasst, damals, als sie noch in Rheinland-Pfalz gewohnt hat. Als Kind war es dort normal, Helmut Kohl bei einem Besuch im Ort wie einem König zuzuwinken, erzählt sie. Als in der Pfalz die lange CDU-Alleinherrschaft endete, zog sie weg, ausgerechnet nach Bayern. "Jetzt kann ich doch noch bei der Wende dabei sein", hofft sie und redet davon, dass es bei der CSU auch vernünftige Leute gebe.

"Umweltminister Marcel Huber etwa", sagt der Delegierte Thorsten Kellermann. Klar müsse aber auch sein: "Wir werden für die Macht nicht unsere Grundsätze verkaufen." Die Skepsis, mit der CSU zu koalieren, so wie sie jetzt ist, sei bei allen gleich hoch, sagt Landeschef Hallitzky und schafft es, die zwei Stimmungen von Hirschaid ein wenig näher zusammenzubringen. Bereit sein aber, müsse man. Im Sommer wollen die Grünen Punkte festlegen, die für sie nicht verhandelbar wären, wie eine radikale Änderung der Integrations- und Umweltpolitik auf Seiten der CSU und solche, wo man zusammenkommen könne. In Hirschaid aber stehen die Unterschiede im Mittelpunkt.

Annalena Baerbock, die als neue Bundesvorsitzende zu Gast ist, weiß zwar zunächst nicht genau, wo sie sich befindet ("Hirschau?") und schrumpft den Ammersee auf 13 Hektar herunter. Bestimmter ist sie in ihrem Appell an die Grünen, sich mehr für die Sozialpolitik und damit für enttäuschte SPD-Wähler zu öffnen. Der von der Obergrenze schwadronierenden CSU wirft sie vor, eine Politik des Mitgefühls für Schwäche zu halten.

"Schäbig" wie Söder christliche Symbole für Wahlkampfzwecke nutze, schließt sich Schulze an, die Bayern schon auf dem Weg zur Totalüberwachung sieht, wenn die CSU an ihrem neuen Polizeigesetz festhält. Die Gesetzesnovelle müsse zurückgenommen werden, fordern die Grünen in ihrem Wahlprogramm. Bei dessen Diskussion löst die größte Debatte nicht das mögliche Bündnis mit der CSU aus, sondern die Frage, ob Bus und Bahn für junge Menschen nun ganz kostenfrei sein sollen (ja) oder ob nicht auch ein Jahresticket für 365 Euro reiche (nein).

Auch bekannte Forderungen wie die Mobilitätsgarantie auf dem Land oder die Begrenzung des Flächenfraßes auf fünf Hektar am Tag wurden beschlossen. "Es ist nicht der ökologische Idealzustand, aber allemal besser als der Ist-Zustand", sagt Hartmann und macht klar: Es soll eben nicht nur ein Wahlprogramm sein, sondern im Geheimen auch ein kleines Regierungsprogramm.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Aktueller Bayerntrend
:Söder kämpft vergeblich an der rechten Flanke

Mit Entscheidungen wie dem Kreuz-Erlass will Bayerns Ministerpräsident die Sympathisanten der AfD zurück zur CSU holen. Doch die Strategie geht nicht auf.

Kommentar von Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: