Korruptionsaffäre in Regensburg:SPD warnte Wolbergs vor illegaler Spendenpraxis

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  • Die SPD-Landeszentrale mahnte den Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs im Februar 2015 per Mail zu allergrößter Vorsicht im Umgang mit Parteispenden.
  • Inzwischen ist Wolbergs als OB suspendiert, saß sechs Wochen in U-Haft und ist wegen Korruptionsverdachts angeklagt.
  • Das Landgericht Regensburg prüft derzeit die Anklage und entscheidet im neuen Jahr, ob es zum Prozess kommt.

Von Andreas Glas und Klaus Ott, Regensburg

Liebe Grüße stehen am Anfang der E-Mail. Doch die Nachricht, die Joachim Wolbergs (SPD) am 10. Februar 2015 erreicht, ist keine Liebeserklärung. Eher eine Warnung aus der SPD-Landeszentrale. Darin mahnt die Partei den Regensburger Oberbürgermeister zu allergrößter Vorsicht im Umgang mit Parteispenden - vor allem bei Spenden von Bauunternehmen, heißt es im Anhang der E-Mail, die vom SPD-Landesgeschäftsführer Finanzen verschickt wurde und der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Beeindruckt hat das Wolbergs offenbar nicht. Es flossen bis März 2016 weiterhin merkwürdige Spendensummen auf sein Wahlkampfkonto: immer wieder, immer von Spendern aus dem Umfeld der Regensburger Baubranche. Bis ein gutes Jahr später die Staatsanwaltschaft im Rathaus einrückte.

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Er soll Geld an den SPD-Ortsverein überwiesen haben, "um positive Entscheidungen der Stadtverwaltung" herbeizuführen.

Von Andreas Glas

Inzwischen ist Wolbergs als OB suspendiert, saß sechs Wochen in U-Haft und ist wegen Korruptionsverdachts angeklagt. Das Regensburger Landgericht prüft derzeit die Anklage und entscheidet im neuen Jahr, ob es zum Prozess kommt. Wolbergs weist alle Vorwürfe zurück, beschwört seine Unschuld - und betont, dass die Ermittlungen für ihn aus heiterem Himmel kamen. Die E-Mail der Landes-SPD legt nun nahe, dass Wolbergs spätestens im Februar 2015 hätte erkennen können, dass am scheinbar heiteren Himmel Wolken aufziehen und die ihn betreffende Spendenpraxis ein Donnerwetter auslösen könnte.

Es solle jeder Anschein ausgeschlossen werden, dass Spenden bestimmten oder bestimmbaren Projekten dienen sollen, heißt es im E-Mail-Anhang, der sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bezieht. War Wolbergs also bewusst, dass er womöglich gegen Recht verstößt? Und falls ja: Warum hat er Spenden aus der Baubranche fortan nicht abgelehnt? Auf SZ-Nachfrage gibt Wolbergs' Anwalt keine Antworten.

Den Text im E-Mail-Anhang hat ein früherer Mitarbeiter des SPD-Bundesvorstandes bereits vor mehreren Jahren geschrieben. Der allgemein gehaltene Text sollte der "innerparteilichen Diskussion" über Parteispenden dienen, teilt der Verfasser mit. Es geht darin um ein BGH-Urteil aus 2007 zur Spendenaffäre um den früheren Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl (SPD).

Der Text zitiert den damals neuesten Richterspruch des BGH, dass bereits der "Anschein von Käuflichkeit" strafbar sein könnte, "wenn Spender und Amtsträger davon ausgehen, dass dieser im Laufe der künftigen Amtszeit mit Entscheidungen zu diesem oder jenem Vorhaben des Spenders befasst sein wird und ein unbeteiligter Betrachter den Eindruck gewinnt, dass jener mit der Spende Einfluss auf anfallende Entscheidungen nehmen will". Diese Passage hätte Wolbergs alarmieren können. Denn Wolbergs bekam für den OB-Wahlkampf mehrere Hunderttausend Euro aus dem Umfeld eines Unternehmers, von dem er wusste, dass er sich für Baugrund interessiert, den die Stadt auf dem Gelände der früheren Nibelungenkaserne ausgeschrieben hatte.

Nach seinem Wahlsieg im Frühjahr 2014 schlug Wolbergs dem Stadtrat vor, die Kriterien für die Grundstücksvergabe zu ändern und neu auszuschreiben. Weil die Firma des Bauunternehmers, die an Wolbergs gespendet hatte, nicht die erste Ausschreibung gewonnen hatte, mutmaßt nun die Staatsanwaltschaft. Im Stadtrat soll Wolbergs dann sogar gegen den Rat der Verwaltungsmitarbeiter für eine Vergabe an den spendenfreudigen Bauunternehmer geworben haben. Offenbar mit Erfolg: Der Spender bekam den Zuschlag. Darin sieht die Staatsanwaltschaft ein Schmiergeldgeschäft. Dass es illegale Absprachen zwischen Wolbergs und dem Unternehmer gab, muss sie aber erst nachweisen.

"Jede Spende ist ordnungsgemäß verbucht worden"

Andererseits: Vielleicht braucht es diese Nachweise gar nicht, wenn es laut BGH-Urteil und Infoschreiben des Genossen schon reichen könnte, wenn im Wahlkampf Spenden angenommen werden, obwohl man sich mit der Bewerbung eines Spenders wird befassen müssen. In diesem Zusammenhang könnte Wolbergs nun auch die besagte E-Mail vom 10. Februar 2015 zum Verhängnis werden. "Ich war nie käuflich", sagt er seit Monaten. Doch sollte Wolbergs die Mail gelesen haben, könnte es schwer für ihn werden, sich darauf zu berufen, nicht gewusst zu haben, dass bereits der Anschein der Käuflichkeit strafbar sein könnte. Und er wird sich schwer tun, zu erklären, wieso er weiter Spenden des besagten Unternehmers annahm.

Es ist eine Mail, die noch eine Frage aufwirft: Ist der Bayern-SPD bereits damals aufgefallen, dass einiges faul sein könnte mit den Spenden für Wolbergs? Nein, sagt ein Parteisprecher, die E-Mail sei "keine Warnung, sondern ein Routinevorgang" gewesen. Dass SPD-Mitglieder über Parteispenden aufgeklärt werden, "erfolgt routinemäßig im Zusammenhang mit der Ankündigung von Aktionen zum Einwerben von Spenden". Zusätzlich belasten könnte Wolbergs eine weitere E-Mail, diesmal aus dem Januar 2013.

Darin berichtet er dem SPD-Landesgeschäftsführer Finanzen von einen Kleinbus, den er für Wahlkampfauftritte kostenlos von einem Regensburger Autohaus zur Verfügung gestellt bekam - und dessen Nutzung er unerlaubterweise nicht als Parteispende verbuchte. Alles sei auch ohne Ausstellen von Spendenquittungen gelaufen, schreibt Wolbergs in der E-Mail an den Landesgeschäftsführer. Dabei hat der suspendierte OB in den vergangenen Monaten stets beteuert: "Jede Spende ist ordnungsgemäß verbucht worden." Hat Joachim Wolbergs den Kleinbus wenigstens nachträglich verbucht, nachdem ihn der SPD-Landesgeschäftsführer in einer Antwort-Mail über seinen Fehler aufklärte?

Auch hierzu gibt es auf Nachfrage keine Antwort von Wolbergs' Anwalt. Und aus der SPD-Landeszentrale heißt es: "Ob und welche Schlüsse Joachim Wolbergs aus der ihm gegebenen Information gezogen hat, kann von hier aus nicht nachvollzogen werden." Selbst tätig ist die Partei offenbar nicht geworden. Es sei nicht Aufgabe der Landes-SPD, solche Fehler zu korrigieren, teilt der Sprecher mit. Für die Jahre nach 2013 liege allerdings "die Vermutung nahe", dass Wolbergs die Hinweise des Landesgeschäftsführers befolgt und den Kleinbus sauber verbucht hat.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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