Asylpolitik:Flughafen-Drama um Iran-Abschiebung

Lesezeit: 2 min

Ein Iraner hat sich am Donnerstag am Frankfurter Flughafen seiner Abschiebung widersetzt. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Ein 34-jähriger Amazon-Mitarbeiter aus Bayern sitzt schon im Flugzeug nach Teheran, als er plötzlich flüchtet. Die Polizei nimmt ihn am Flughafen fest. Die geplante Abschiebung hatte schon zuvor Kritik ausgelöst.

Von Thomas Balbierer

Die geplante Abschiebung eines Amazon-Mitarbeiters aus Schwaben nach Iran hat am Donnerstagnachmittag ein dramatisches Ende genommen. Wie die Bundespolizei am Frankfurter Flughafen auf SZ-Anfrage bestätigt, befand sich der abgelehnte Asylbewerber Ehsan M. bereits im Flugzeug nach Teheran, als er vor dem Start aus seinem Sitz aufstand und aus der Maschine in Richtung Flughafen flüchtete. Da er nicht stehenblieb, mussten ihn Bundespolizisten stoppen und fixieren. "Er ließ sich ohne Gegenwehr festnehmen", sagt ein Polizeisprecher. Der Iraner war ohne Polizeibegleitung in das Linienflugzeug gebracht worden. Laut seiner Anwältin habe er große Angst vor der Rückkehr nach Iran gehabt, wo er nach Angaben seines Bruders an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen haben soll.

Der 34-Jährige wurde laut Bundespolizei noch am Donnerstagnachmittag freigelassen, da der Haftbeschluss nur bis zum Abschiebetermin galt. M.s Anwältin Felicitas Kohler erklärt, dass sich nach der gescheiterten Abschiebung eine Bleibeperspektive für ihren Mandanten ergeben könnte, etwa über die bayerische Härtefallkommission, die besonders schwere Einzelschicksale "unter Beachtung humanitärer und gesellschaftspolitischer Belange" neu beurteilen kann.

Der im Allgäu lebende Iraner war vergangene Woche in Abschiebehaft genommen worden. Sein Asylantrag war 2019 abgelehnt worden, seitdem lebte er mit einer Duldung in Deutschland. Bis zu seiner Festnahme arbeitete Ehsan M. in einer Vollzeitstelle im Amazon-Logistikzentrum bei Augsburg. Wie es mit seiner Beschäftigung nach der geplatzten Abschiebung weitergeht, konnte M.s Anwältin am Donnerstag nicht sagen. Er sei nun wieder geduldet und müsse in eine staatliche Unterkunft ziehen.

"Der Abschiebungsversuch ist erschütternd", teilte Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat nach den Ereignissen am Flughafen mit. "Der junge Mann hatte seinen Pass abgegeben, er hatte bei Amazon eine unbefristete Vollzeitstelle, er sprach gut Deutsch, er hatte hier einen Freundeskreis und auch einen Bruder." Der Iraner stehe exemplarisch für weitere Fälle, in denen gut integrierte und fleißige Arbeitskräfte aus Bayern abgeschoben werden sollen, so Dünnwald. "Hier findet eine Schädigung der Wirtschaft statt, um billigem Populismus zu frönen."

Bayerns Behörden wollte einen Iraner abschieben - obwohl die Sicherheitslage in dem autokratischen Staat als kritisch gilt. (Symbolbild) (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Kritik hatte auch das Ziel der Abschiebung hervorgerufen. Die Sicherheitslage in Iran wird von deutschen Behörden als kritisch eingestuft. Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 kommt es in dem Land zu massiver Gewalt des Staates gegenüber demonstrierenden Bürgerinnen und Bürgern. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen sollen insgesamt 551 Demonstranten von Sicherheitskräften getötet worden sein, die meisten durch Schüsse. UN-Experten sprechen von einem "systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung".

SZ PlusAbschiebehaft
:Amazon-Mitarbeiter aus Bayern soll nach Iran abgeschoben werden

Trotz der kritischen Sicherheitslage soll ein 34-jähriger Lagerarbeiter nach Teheran ausgewiesen werden. Das Bundesinnenministerium distanziert sich, Kritiker sprechen von einem Skandal.

Von Thomas Balbierer

Zwischen Oktober 2022 und Dezember 2023 hatten die deutschen Bundesländer deshalb einen Abschiebestopp in das autokratische Land beschlossen. Dieser wurde nicht verlängert, sodass seit Januar wieder Abschiebungen nach Iran möglich sind. Bayern hat nach Angaben des Innenministeriums in diesem Jahr bereits vier Personen nach Iran abgeschoben, zwei davon waren straffällig geworden. Ehsan M. wäre der fünfte gewesen.

Das Bundesinnenministerium (BMI) hatte sich auf SZ-Anfrage von der Entscheidung distanziert. "Die Menschenrechtslage hat sich seit den Protesten in Folge des Todes von Jina Mahsa Amini nicht verbessert. Bundesinnenministerin Faeser hat großen Respekt vor dem Mut der Menschen in Iran, die für Freiheit und Menschenrechte eintreten. Das BMI hätte daher eine Verlängerung befürwortet und das Einvernehmen dazu erklärt", teilte ein Sprecher zu Wochenbeginn mit. Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hatte das Ende des Abschiebestopps kritisiert: "Deutschland kann Abgeschobenen nicht garantieren, in Iran nicht willkürlich inhaftiert oder in Haft gefoltert zu werden - und darf deswegen auch keine Abschiebungen durchführen."

Am Frankfurter Flughafen hatte am Donnerstag eine kleine Gruppe mit Bannern gegen die geplante Abschiebung von Ehsan M. protestiert. Initiiert hatte die Demo der Exil-Iraner und Menschenrechtsaktivist Behrouz Asadi. "Dass Ehsan M. heute nicht abgeschoben wurde, ist eine große Erleichterung", sagte Asadi nach dem Flughafen-Drama. "Iran ist kein sicheres Land."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungGeplante Iran-Abschiebung
:Bayern geht mit seiner Härte gegen Geflüchtete zu weit

Die geplante Abschiebung eines iranischen Amazon-Mitarbeiters ist nur ein besonders drastisches Beispiel einer übermäßig scharfen Asylpolitik. Wo bleibt die Humanität?

Kommentar von Thomas Balbierer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: