Friedrich-Alexander-Universität:Uni verteidigt Abriss von "Euthanasie"-Ort

Friedrich-Alexander-Universität: Der erste Flügel der historischen Pflegeanstalt wurde bereits abgerissen. Der zweite dürfte in den kommenden Wochen folgen.

Der erste Flügel der historischen Pflegeanstalt wurde bereits abgerissen. Der zweite dürfte in den kommenden Wochen folgen.

(Foto: Harald Sippel)

Der Abbruch der historischen Heilanstalt in Erlangen soll fortgesetzt werden. Einem für deren Erhalt kämpfenden Professor widerspricht die Uni - will aber dem Vorwurf nachgehen, auf ihn sei Druck ausgeübt worden.

Von Olaf Przybilla, Erlangen

Der Medizinethiker Andreas Frewer hat kürzlich in einem SZ-Interview dazu aufgerufen, den verbliebenen Flügel der historischen Heil- und Pflegeanstalt (HuPfla) in Erlangen zu erhalten. Ihm zufolge belegten neueste Forschungsergebnisse, dass exakt in diesem Teil des Gebäudekomplexes die "Euthanasie"-Maßnahmen der Nationalsozialisten, und zwar Tötungen per Hungerkost, stattgefunden haben.

Der repräsentativere Teil des historischen Gebäudes - der Mittelrisalit, der für einen Gedenkort stehen bleiben soll - sei der "Ort der Ärzteschaft und Beamten" gewesen. Insofern solle gleichsam der authentische Ort der Leiden größtenteils abgerissen werden, während der Ort jener, die Schuld auf sich geladen haben, stehen bliebe. Frewer, Professor für Ethik in der Medizin an der Erlanger Friedrich-Alexander-Universität (FAU), gab zudem an, auf ihn sei - offenbar aufgrund seiner konträren Haltung - "auf mehreren Ebenen massiver Druck ausgeübt" worden.

Nun hat die Universität - von der Süddeutschen Zeitung um eine detaillierte Stellungnahme gebeten - ausführlich auf die Aussagen des Professors reagiert. Die FAU verstehe sich als "Plattform der Freiheit", gerade auch was den wissenschaftlichen Diskurs angehe. Jede Meinung, solange sie wissenschaftlich fundiert ist und faktenbasiert vertreten werde, sei willkommen. Der FAU-Präsident Joachim Hornegger werde folglich dem Vorwurf, auf einen Professor der Universität sei Druck ausgeübt worden, "persönlich nachgehen". Dazu habe er Frewer zu einem Gespräch eingeladen. Auf dem Areal der historischen Heilanstalt entsteht ein Max-Planck-Zentrum. Vor dem eingeleiteten Abriss großer Teile des historischen Gebäudes war in Erlangen eine Debatte entbrannt, die bis heute anhält.

Im SZ-Interview hatte Frewer dargelegt, vorbereitende Abrissmaßnahmen des verbliebenen "Männerflügels" der historischen Heilanstalt hätten offenbar bereits begonnen. Es blieben folglich aller Voraussicht nach "nur noch wenige Wochen", um diesen für einen künftigen Gedenkort zu erhalten. Die FAU bestätigt dies: "Unserer Kenntnis nach trifft das zu." Zudem bestätigt die FAU, dass im stehenbleibenden Mittelteil des Gebäudes "Arbeitszimmer und zum Teil Wohnungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" untergebracht waren. Allerdings blieben "auch beim Abriss beider Flügel Ansätze der ehemaligen und heute nicht mehr erkennbaren Krankensäle stehen". Das federführend vom Kulturwissenschaftler Jörg Skriebeleit erarbeitete Konzept sehe "bewusst den Mittelrisalit als Sitz des Gedenkorts vor, da er als einziger Teil der Bestandsarchitektur sozusagen auf beide Flügel verweist und verweisen kann".

Der These Frewers, es sei dem ehrenamtlichen Engagement von Erlangerinnen und Erlangern zu verdanken, dass man heute wisse, was exakt an dem Ort passiert ist, widerspricht die FAU. Ein Forschungsprojekt stelle seit Jahren dessen Geschichte "quellenbasiert, transparent und sachlich" dar. Es dürfe nicht der Fehler begangen werden, ein Engagement von Bürgern "sozusagen als Konkurrenz zur bestehenden Forschung an der FAU zu verstehen". Auch der These der Medizinethikers, der verbleibende Flügel sei zwingend notwendig für eine differenzierte Erinnerungskultur, stimmt die Universität nicht zu. Laut Konzept repräsentiere vielmehr "das Kernstück" des Baus in seinen historischen Geschossflächen "den Verbrechenscharakter der in Erlangen begangenen NS-Medizinverbrechen in paradigmatischer Weise". Überdies sehe das Konzept durchaus einen "Teilerhalt" einstiger "Hungerstationen" vor.

Dementgegen hält der langjährige Leiter des Erlanger Stadtmuseums und 2. Vorsitzende des örtlichen Geschichtsvereins, der Historiker Thomas Engelhardt, Frewers Darstellung für zutreffend. Engelhardts Ansicht nach blieben vom authentischen Ort der Leiden - sollte der Abbruch wie geplant weitergehen - lediglich "Fragmente". Die Wirkungsmacht des Ortes drohe dadurch, "stark eingeschränkt" zu werden. Zwar glaube er nicht, dass der Abriss noch gestoppt werden kann. "Da habe ich resigniert", sagte er im SZ-Gespräch. Auf den fortlaufenden Abbruch hinzuweisen, sei trotzdem richtig. Vergangene Woche hatte zudem die Organisation "Ärzte für Frieden und soziale Verantwortung" einen Stopp der Abrissarbeiten gefordert und vor einem "irreparablen Schaden für die Gedenkkultur" gewarnt.

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