Landtagswahl:Als es für die CSU noch schlimmer war

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Die Partei könnte tief stürzen, aber wohl kaum auf die 27,4 Prozent, die sie nach der Landtagswahl 1950 in eine Koalition mit der SPD zwangen.

Von Hans Kratzer, München

Sollte die an absolute Mehrheiten gewöhnte CSU bei der Landtagswahl am Sonntag tatsächlich weit unter die 40-Prozent-Marke fallen, dann wäre das ein politischer Erdrutsch, aber kein Novum. Den größten Einbruch ihrer Geschichte erlebten die Christsozialen gleich nach dem Krieg, nämlich bei der Landtagswahl im November 1950, bei der sie nur 27,4 Prozent der Wählerstimmen erhielten, es war ein Allzeittief. Vier Jahre zuvor lag die CSU noch bei 52,3 Prozent.

Macht diesmal die AfD der CSU-Mehrheit zu schaffen, so war es 1950 die erstmals antretende Bayernpartei, die auf Anhieb 18 Prozent holte und zusammen mit dem Bund der Heimatvertriebenen (BHE) eine massive Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse erzwang. CSU und SPD bildeten sodann eine Koalition unter dem Ministerpräsidenten Hans Ehard (CSU).

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Nachdem die amerikanische Militärregierung die Bayernpartei 1948 landesweit zugelassen hatte, begann ein erbitterter Bruderkampf mit der inhaltlich nahe verwandten CSU. Die Bayernpartei formulierte allerdings ihre Forderungen weitaus radikaler. Sie strebte nach einer größtmöglichen Unabhängigkeit Bayerns und sie agierte gegen die von ihr befürchtete Überfremdung des Landes durch Flüchtlinge.

Bei der ersten Landtagswahl nach dem Krieg am 1. Dezember 1946 erreichte die CSU ohne den Konkurrenten Bayernpartei 52,3 Prozent, die SPD 28,6, die Wirtschaftliche Aufbauvereinigung (WAV) 7,4, die Kommunisten (KPD) 6,1 und die Liberalen (FDP) 5,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung in Bayern lag 1946 bei 75,7 Prozent. Sie war damit wesentlich höher als 2013 (63,6 Prozent). Den höchsten Wert erreichte sie 1954 mit 82,4 Prozent, den niedrigsten 2003 mit 57,1 Prozent.

Obwohl sie an demokratische Wahlen noch nicht gewöhnt war und viele Bürger den politischen Parteien nach den Erfahrungen mit dem Nazi-Regime eher skeptisch begegneten, musste die bayerische Bevölkerung 1946 ein Superwahljahr bestreiten. Bei der Landtagswahl im Dezember stimmte sie in einem Volksentscheid auch noch über die neue Bayerische Verfassung ab, die mit 70,6 Prozent der Stimmen angenommen wurde.

Das Jahr 1946 war ein Superwahljahr

Bereits im Juni 1946 hatten die bayerischen Wähler über die Zusammensetzung der Verfassunggebenden Landesversammlung abzustimmen. Dort hatte die CSU sogar 58,3 Prozent der Stimmen erhalten, die SPD 28,8 Prozent. Aber noch herrschten damals die Verhältnisse der Stunde null. Der CSU-Politiker Josef Müller umschrieb die Lage rückschauend so: "Manches Ereignis war voll ernster Tragik, manches von einer Komik, und beinahe alles von unvorstellbarer Primitivität."

Die Umgestaltung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Basis war eine Forderung auf der Potsdamer Konferenz der Siegermächte im August 1945. Das Ziel sollte die Umwandlung Deutschlands in ein demokratische System sein. Es sollte einerseits durch die Entnazifizierung erreicht werden, andererseits durch den Aufbau demokratischer Institutionen und die Zulassung demokratischer Parteien. Bis Ende Dezember 1945 waren in den meisten bayerischen Landkreisen CSU, SPD und KPD als selbständige politische Gruppierungen zugelassen. Neue Parteien wie die populistische Wirtschaftliche Aufbauvereinigung (WAV) folgten bald nach.

Das amerikanische Kriegsministerium hatte schon während des Krieges spezielle Abteilungen gegründet, die später die Zivilverwaltungen in Deutschland übernehmen und die demokratische Umerziehung der Bevölkerung übernehmen sollten. Aufschlussreiche Erkenntnisse über die Probleme, die sich dabei ergaben, vermitteln die Monatsberichte der amerikanischen Militärregierung. Laut einer Untersuchung des Historikers Alfred Wolfsteiner mussten zum Beispiel allein im Landkreis Burglengenfeld zwischen Mai und August 1945 genau 41 Bürgermeister wegen früherer Zugehörigkeit zur NSDAP ihre Sachen packen. Auch viele Beamte mussten bis zum Abschluss ihrer Entnazifizierung ihre Posten räumen.

Die ersten demokratischen Nachkriegswahlen Deutschlands überhaupt fanden in Wohlmuthshüll in der Fränkischen Schweiz statt. Bereits am 18. Juli 1945 hatten die amerikanischen Militärbehörden dem Ort die Möglichkeit gegeben, einen Bürgermeister zu wählen. Wie Wolfsteiner schreibt, bedeutete die Wahl eine Ausnahme und ein Lob. Nach dem Tod des alten Bürgermeisters im Jahr 1942 fand sich kein Nachfolger. Niemand wollte nur um des Postens willen der NSDAP beitreten. Das Dorf wurde deshalb vom nahen Ebermannstadt aus verwaltet.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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