Umfrage Bayerntrend:CSU stürzt in die Laschet-Krise

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CDU-Chef Armin Laschet (links) spricht am Samstag auf dem CSU-Parteitag. Die Mehrheit der Parteimitglieder hätte lieber Markus Söder als Kanzlerkandidaten. (Foto: Filip Singer/Getty)

Umfrage zur Bundestagswahl: Im Bayerntrend fällt die Partei auf historisch schlechte 28 Prozent. Zulegen können vor allem die SPD und die Freien Wähler, die auf sieben Prozent der Stimmen kämen.

Von Johann Osel, München

Die deutschlandweite volatile Lage gut zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl macht sich massiv in der Zustimmung für die Parteien in Bayern bemerkbar. Wäre schon jetzt Wahltag, würden sich nur 28 Prozent der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat für die CSU entscheiden - das ist ein Verlust um acht Prozentpunkte im Vergleich zum Juli. Auch wäre dies zehn Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2017. Das zeigt der neue "Bayerntrend", eine repräsentative Studie für das BR-Politmagazin "Kontrovers".

Im Aufwind ist die SPD, sie käme auf 18 Prozent, was einer Verdoppelung des vorherigen Werts entspräche. Damit würden die Sozialdemokraten auf Platz zwei im Freistaat landen, sie überholen die Grünen mit nun 16 Prozent (minus zwei). Die AfD steht stabil bei zehn, die FDP steigt leicht auf zwölf Prozent, ebenfalls die Freien Wähler (sieben). Wäre dies der tatsächliche Wahlausgang, hätte die CSU ihr historisch schlechtestes Resultat zu verkraften - sie läge bei einer Wahlbeteiligung wie 2017 bundesweit unter der Fünf-Prozent-Marke. In den Bundestag käme sie dennoch, über die Direktmandate.

Sinkflug der CSU und Aufstieg der SPD hängen offenbar maßgeblich an den Kandidaten. Bei einer Direktwahl würden vier von zehn Bayern für einen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) votieren, ein Zuwachs von 17 Prozentpunkten im Vergleich zum Juli. CDU-Chef Armin Laschet fällt bei einer theoretischen Direktwahl von 33 Prozent auf 18; Annalena Baerbock von den Grünen rangiert etwa gleichbleibend bei 13 Prozent. Selbst nur jeder zweite CSU-Wähler würde Laschet direkt wählen. Die Zugkraft von Scholz ist indes ein Sondereffekt, die meisten Anhänger der anderen Parteien, auch von Grünen und CSU, sehen den Ausschlag für ihre Entscheidung mehr in den Inhalten als in den Personen.

Jedoch erreicht Olaf Scholz bei den Bürgern in Bayern nicht die allgemeinen Popularitätswerte - unabhängig von einer Direktwahl - des CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Mit der Arbeit des Ministerpräsidenten sind 63 Prozent der Befragten zufrieden; das ist gleichwohl ein Minus von sieben Prozent und sehr weit von den persönlichen Spitzenwerten entfernt, die Söder als Corona-Manager in der berühmten "Stunde der Exekutive" 2020 erreichte. Mit Laschet sind lediglich 17 Prozent der Bayerinnen und Bayern zufrieden - er steht damit auf Platz fünf, hinter Söder, Scholz, Baerbock und sogar FDP-Chef Christian Lindner (er kommt auf Platz drei in dem Personen-Ranking, 35 Prozent Zufriedenheit).

Trotz Veränderungen in der Sonntagsfrage und Verschiebungen bei den persönlichen Werten präferiert nach wie vor eine Mehrheit der Befragten eine unionsgeführte Bundesregierung - aktuell 34 Prozent; dies ist aber ein Rückgang, im Juli waren es 47 Prozent. 28 Prozent, und damit fast doppelt so viele wie vor zwei Monaten, favorisieren den politischen Wechsel in Berlin zugunsten eines SPD-geführten Bündnisses; weitere 13 Prozent wünschen sich die Grünen als Nummer eins.

In der Gruppe der unter 40-Jährigen goutieren mit 26 Prozent ebenso viele eine grün-geleitete Regierung wie eine Kanzlerschaft der Union. Dagegen sind bei den 40- bis 54-Jährigen und den Wahlberechtigten im Rentenalter die Zustimmungswerte für eine grüne Regierungsführung marginal: einstellige Werte.

"Es hat den Eindruck, Armin Laschet hängt wie ein Mühlstein um den Hals der CSU und zieht die Partei immer weiter nach unten, egal wie sehr sich die Christsozialen auch abstrampeln", deutet BR-Wahlexperte Andreas Bachmann die Studie. "Die CSU schafft es nicht sich vom Bundestrend abzukoppeln. Die Bayern-Karte zieht nicht, inhaltlich kommt kein wuchtiger Aufschlag, nur eine defensive Anti-Rot-Rot-Grün Kampagne."

Zu erwähnen ist, dass weitere Änderungen, Schwankungen oder sogar eine Trendumkehr bis zum 26. September möglich sind. Einerseits war die Umfragesituation für die Parteien in diesem Jahr bereits mehrmals sehr wechselhaft, traditionelle Bindungen spielen in der Gesellschaft bekanntlich eine immer geringere Rolle. Andererseits misst die Sonntagsfrage laut BR nur "aktuelle Wahlneigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten", also einen "Zwischenstand im Meinungsbildungsprozess". Von denjenigen, die im Bayerntrend eine Parteipräferenz benannten, sagten denn auch 30 Prozent, dass sich ihre Entscheidung bis zum Wahltag durchaus noch ändern könnte - darunter überdurchschnittlich viele Jüngere. Bei den Wahlberechtigten im Alter bis 39 Jahre sagten das sogar vier von zehn Befragten.

Womöglich ist für die Parteien über inhaltliche Themen noch Einiges zu holen. Gefragt nach den derzeit wichtigsten politischen Problemen nannten 44 Prozent der Befragten den Umwelt- und Klimaschutz, jeweils ein Fünftel Zuwanderung (21) und soziale Ungleichheit (19); dahinter folgen Corona, Rente und Wirtschaft. Zwei Aspekte sind hierbei auffällig: So lag der Problemfokus der bayerischen Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl 2017 mit 58 Prozent noch eindeutig auf der Migration; Klimaschutz mit nur neun Prozent hatte damals einen recht nachrangigen Stellenwert. Im Vergleich zum Juli ist die Sensibilität in Bayern dafür auch erneut gestiegen. Darüber hinaus kann eine bundesweite Umfrage, ebenfalls im September und vom Institut Infratest-dimap erhoben, vergleichend herangezogen werden: Demnach interessieren sich die Bayern deutlich mehr fürs Klima als die befragten Bundesbürger.

Würden Produkte und Energieträger teurer werden, trifft das allerdings im Freistaat ähnlich wie auf Bundesebene auf Widerspruch. Steigerungen beim Einkauf von Milch, Käse, Wurst und Eiern als Folge einer CO₂-Bepreisung ginge zwar noch für rund die Hälfte der Wahlberechtigten "in die richtige Richtung", für die andere Hälfte nicht. Doch ein deutlich höherer Benzinpreis findet bei gerade mal 26 Prozent der Wahlberechtigten in Bayern Anklang; allein in den Reihen der Grünen-Anhänger (70 Prozent) gilt das als mehrheitsfähig.

Wie reagieren die im Landtag vertretenen Parteien auf die Trends? Schon bei einem ähnlichen Umfragewert am Dienstag hatte CSU-Generalsekretär Markus Blume von einem "Weckruf an alle Bayern" gesprochen - es drohe ein Linksrutsch oder, wie es Söder neulich formulierte, eine "verdünnte" Linksregierung in Form einer Ampel aus SPD, FDP und Grünen. Noch sei es möglich, so Blume, "den Trend zu drehen". Die CSU werde dazu "die Bayern-Karte in der verbleibenden Zeit noch mal sehr deutlich spielen". Die Menschen müssten spüren, dass es bei der Wahl "um die Frage geht, wie Bayern künftig im Bund vertreten sein wird". Mit gezielter Werbung für die Zweitstimme als "die Bayernstimme" will man vor allem die Konkurrenz von FDP und Freien Wählern einbremsen. Am Freitag und Samstag treffen sich die Christsozialen zum Parteitag in Nürnberg, dort ist auch Armin Laschet zu Gast.

Der bayerische SPD-Chef Florian von Brunn sagt zum plötzlichen Schwung für seine Partei im Freistaat: "Wir freuen uns sehr über das große Vertrauen der Menschen zu Olaf Scholz und den Zuspruch für die Sozialdemokraten." Er liest aus der Umfrage, dass viele Befragte als Grund für ihre Entscheidung den Kandidaten zusammen mit "guten Positionen der SPD" sähen. Claudia Roth, bayerische Spitzenkandidatin der Grünen, zeigte sich trotz Minus in der Umfrage zuversichtlich: "Die Menschen wollen Veränderung. Verantwortlich für das Hier und Jetzt sind Union und SPD." Bei den "wahlentscheidenden Themen" wie Klima machten die Grünen ein konkretes Angebot, "bloße Lippenbekenntnisse von Laschet und Scholz" würden den Zukunftsherausforderungen nicht gerecht.

Der FDP-Landeschef Daniel Föst hatte bereits am Dienstag bei der ähnlich lautenden Umfrage auf Twitter mitgeteilt: "Das FDP-Gebashe der CSU funktioniert erkennbar nicht." Wählerinnen und Wähler wollten zurecht Inhalte - "und wir wollen das Land modernisieren". Bei der AfD widmet man sich weniger dem stagnierenden Umfragewert (klar unter der Bundestagswahl 2017, bei der sie 12,4 Prozent erreichte), sondern lieber der Schwäche der CSU. Fraktionschefin Kathrin Ebner-Steiner interpretiert diese so: "Markus Söder ist der Totengräber der CSU." Sie macht dafür etwa die angekündigte Klimapolitik "zu Lasten der Steuerzahler" oder einen Corona-Kurs "im Elfenbeinturm" verantwortlich.

Für die Freien Wähler dürfte es enttäuschend sein, dass sie auf sieben Prozent taxiert werden, trotz Steigerung. In FW-Kreisen ist schon länger von dem Rechenspiel die Rede, wonach wohl ein zweistelliges Ergebnis in Bayern (bei der Landtagswahl waren es 11,6) nötig wäre, damit es bundesweit für fünf Prozent reicht und man sich einige Bundesländer mit schwächerem Abschneiden erlauben könne. Am Kampfeswillen aber hat Parteichef Hubert Aiwanger zu Wochenbeginn beim politischen Gillamoos keine Zweifel gelassen: Es brauche die FW als "bewährte und trotzdem frische Kraft" im Bundestag, "eine Kraft, die aufmischt, ohne nur zu zündeln", die aber auch bereit sei, Verantwortung zu tragen.

© SZ vom 09.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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