Unterfranken:Frauen, Futter, Freiheit!

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Ausblick vom Döbraberg oder Döbra bei Schwarzenbach am Wald. Wenn einer noch nicht so lange hier wohnt, spricht man von einem Neigschmeggden. (Foto: mauritius images / Martin Siepma)

Zugezogene stehen unter Beobachtung. Wenn so einer seine neue Heimat mit "Tschernobyl" vergleicht, kommt das nicht gut an. Man kann es ihnen aber auch besonders hübsch machen.

Glosse von Olaf Przybilla

Wenn einer noch nicht so lange da ist, sagen wir höchstens vier oder fünf Generationen, dann spricht man in Franken, vor allem in Unterfranken, von einem Neigschmeggden. Ein solcher zeichnet sich dadurch aus, dass er zwar nützlich sein mag, womöglich gar ein feiner Charakter, aber im Zweifelsfall leider nicht zur - soziologisch jetzt - autochthonen Urbevölkerung hinzugerechnet werden kann. Will heißen: So einer mag etwas zu sagen haben, kann aber nicht mitreden. Schon gar nicht, wenn's um lokale Defizite geht.

Damit zu "Wir in Bayern", diesem Fernsehwohlfühlwohnzimmer, wo man bei eintretender Dunkelheit so sagenhaft gediegen in den Abend dämmern kann. Mit der Frage "Wo und wie wollen wir wohnen" haben sie sich dort kürzlich beschäftigt und dazu eingeladen war einer, der nach allen Kriterien urfränkischen Selbstverständnisses zum Kreis der Neigschmeggden zu rechnen wäre.

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Selbst hat der Mann auch gar kein Geheimnis daraus gemacht, hat erzählt davon, was sich seine Familie und er so erhofft hatten, vor zweieinhalb Jahren, beim Umzug nach Schwarzenbach am Wald in Hochfranken. Etwas Schönes kaufen habe man wollen, danach renovieren, großer Garten, auf der Straße spielende Kinder, solche Sachen. Und dann sei man erstmals die Hauptstraße der Stadt entlang gefahren (der Studiogast formulierte: "die sogenannte Hauptstraße"), und da habe man links und rechts "Geschäfte" gesehen. Und bei Ansicht dieser Ex-Geschäfte, da habe es so gewirkt, "als ob da Tschernobyl ausgebrochen ist".

Tschernobyl im naturschönen Hochfranken, ja, das finden sie dort gerade übersichtlich höflich. Zumal der Mann eigenen Angaben zufolge nicht aus New York, Rio oder Tokio nach Franken gezogen ist. Sondern aus dem Harz.

Apropos umgezogen. Der Pfau, von dem an dieser Stelle jüngst die Rede war, weil er frei streunend in Franken sein Unwesen getrieben hat, hat nun den Regierungsbezirk gewechselt. Als Zugezogener lebt er künftig in einem geräumigen Stall in Oberbayern, die Versorgung ist ebenso gesichert wie die Ansprache von Artgenossen, auch weiblichen. Sein neuer Herbergsvater sagte im BR dazu einen Satz, den man für jeden Lehrfilm über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden heranziehen kann. Der Pfau habe nun, hm, "Frauen, Futter, Freiheit". Was wolle er mehr. Hoffentlich sieht der Neigschmeggde das auch so.

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