Geschichte Bayerns:Eine halbe Henn für jeden Mönch

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Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise waren viele Menschen auf das Essen öffentlicher Notstandsküchen angewiesen, so wie sie zum Beispiel die evangelische Frauenhilfe eingerichtet hatte. Dort wurde zum Preis von 20 Pfennig eine warme Mahlzeit verkauft. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Von Bierkriegen, Klosterspeisen und historischen Brezen: Am Tag der Archive gibt es ungewöhnliche Einblicke ins Thema Essen und Trinken.

Von Hans Kratzer

Was haben unsere Vorfahren vor Jahrhunderten gekocht, und wie hat deren Essen geschmeckt? Fragen, auf die man gerne eine Antwort hätte. Solche gibt es, man braucht nur in alten Schriften und Küchenbüchern stöbern, wie sie zuhauf in den Archiven aufbewahrt werden. Ein kostbares Exemplar ist das alte Kuchlbuch der Benediktinerabtei Seeon im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Die Einträge setzen ein am ersten Fastensonntag des Jahres 1531. "Wir haben hier den detaillierten Speiseplan eines Klosters übers ganze Jahr hinweg vor uns", sagt Christoph Bachmann, der Leiter des Hauptstaatsarchivs.

Aus dem Kuchlbuch geht hervor, dass den Seeoner Mönchen oft Getreidebrei und Suppen serviert wurden. Man griff auf all das zurück, was im Klostergarten heranwuchs und was im Kloster produziert wurde, etwa Obst, Gemüse, Eier und Käse. Birnen, Äpfel und Weintrauben wurden als Mus gereicht. Weil der Seeoner See reich an Fischen war, wurden auch diese gerne aufgetischt. In den Fastenzeiten vor Ostern und im Advent wurden Fisch und Eier aber nur sonntags kredenzt. Fleisch kam nur selten auf den Tisch. An besonderen Festtagen gab es Geflügel, wobei jedem Benediktiner "eine halbe henn" zustand. Braten, Kartoffeln und Tomaten waren in Bayern im 16. Jahrhundert noch unbekannt.

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Bachmann verweist noch auf eine andere interessante Quelle aus dem Jahr 1492. In jenem Jahr wurden laut einer Aufzeichnung im Kloster St. Nikola in Passau zur Brotzeit bereits Brezen gereicht. Das ist einer der frühesten schriftlichen Nachweise dieses bayerischen Kultgebäcks.

Zu sehen sind diese und viele andere Schriften im Rahmen des bundesweiten Tags der Archive, der vom 1. bis zum 3. März unter dem Motto "Essen und Trinken" steht. Am Samstag bekommen die Besucher unter anderem Einblicke in die Arbeit des Hauptstaatsarchivs sowie der Staatsarchive München, Amberg und Landshut. In Würzburg organisieren Staatsarchiv, Stadtarchiv, Universitätsarchiv, Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg sowie das Historische Archiv der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH bereits an diesem Freitag "Geschmackvolle Geschichte(n)" in der Würzburger Residenz.

Kann Bier politisch sein?

Unter anderem geht es beim Tag der Archive um die Frage: Kann Bier politisch sein? Eine Antwort findet man zum Beispiel im Staatsarchiv Bamberg, das sich beim Archivtag aber nur virtuell über einen Blog beteiligt. Dort erfährt man, dass es schon 27 Jahre vor dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516 ein Bamberger Reinheitsgebot gab, das in einem Bierbraueid von 1489 enthalten ist und sich inhaltlich kaum vom Bayerischen Reinheitsgebot unterscheidet. Wasser, Hopfen und Gerste - mehr Zutaten sollten nicht verwendet werden, das hatten die bayerischen Herzöge im Jahr 1516 festgelegt.

Urkunde über das fränkische Reinheitsgebot für Bier von 1489, das älter ist als das bayerische von 1516. (Foto: Staatsarchiv Bamberg)

"Aber es gibt eben noch ältere Reinheitsgebote", sagt Johannes Haslauer, der stellvertretende Leiter des Bamberger Staatsarchivs. Von dem Bamberger Reinheitsgebot von 1489 weiß man nur dank einer Steuerverordnung. Bamberg gebührt damit allerdings kein Alleinstellungsmerkmal. Auch Städte wie Landshut (1409), Regensburg (1469) und München (1487) hatten bereits Gerste, Hopfen und Wasser als ausschließliche Inhaltsstoffe für Bier bestimmt.

Das oft wilde Experimentieren mit den Zutaten hatte zuweilen "böse und arge Biere" hervorgebracht, "die Krankheit und Wehtage bringen" (Landshut 1409). Gerade um die Brau- und Schankrechte gab es damals Auseinandersetzungen zwischen dem Bamberger Fürstbischof und den benachbarten reichsritterschaftlichen Familien. Es kam zu regelrechten "Bierkriegen", sagt Haslauer. Der Adel pochte auf seine eigenständigen Brau- und Schankrechte, aber die bischöflich-bambergischen Beamten wollten das Biermonopol der Amtsstädte durchsetzen. Laut einem Ratsprotokoll von 1730 fielen Honoratioren und Bürger aus Marktschorgast in Wasserknoden ein und nahmen das Bier der dortigen Adelsbrauerei mit. Sie schütteten es aber nicht weg, sondern tranken es daheim selbst aus, wie Haslauer erzählt.

Im Staatsarchiv Landshut wiederum wird eine Wirtshausordnung aus Niederbayern von 1853 vorgestellt. "Man fühlt sich dabei in ein englisches Pub versetzt", sagt Thomas Paringer, der Leiter des Landshuter Staatsarchivs. Es gab damals klare Sperrstundenregelungen, mit Glockenzeichen kündigte der Wirt an, dass er nun zusperren werde. Vor allem galt es, Raufereien zu unterbinden. Und die Dienstboten durften nur bis zu einer Grenze anschreiben lassen, um sie vor sich selbst zu schützen.

Informationen zu den Angeboten in Bayern auf der Homepage der Staatlichen Archive Bayerns: https://www.gda.bayern.de .

Weitere Informationen auf der Seite https://www.tagderarchive.de .

Im digitalen Netz finden sich Dokumente und Geschichten zum Thema "Essen und Trinken" beim sogenannten BlogSlam, der bis zum 9. März läuft ( https://archivebay.hypotheses.org ).

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