Medizinischer Dienst in Bayern:"Das Ministerium hat das verpennt"

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Pflegerinnen und Pfleger alter Menschen können eine Vereinsamung trotz regelmäßiger Besuche kaum verhindern. (Foto: Ute Grabowsky/Imago)

Der Medizinische Dienst soll Patienten unabhängig vertreten, doch wer im Verwaltungsrat sitzen darf, ist heftig umstritten. Bei der Auswahl der bayerischen Delegierten wird nun "die Notwendigkeit einer Korrektur" geprüft.

Von Dietrich Mittler, München

"Fachkompetenz", "Objektivität", "Transparenz" - diese Begriffe umschreiben nur einige jener Eigenschaften, die sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern im Jahresbericht 2020 als Zielvorgabe gegeben hat. Was in der Auflistung natürlich nicht auftaucht: "Viel Ärger". Den gab es aber in der Vergangenheit häufiger - sei es bei Kontrollen in Pflegeheimen, sei es in Fällen, in denen der MDK Pflegegrade von alten und kranken Menschen festlegte, über Hilfsmittel und Rehabilitation entschied oder Krankenhausabrechnungen prüfte. Oft kam der Vorwurf, der MDK arbeite den Krankenkassen in die Hände, die massenhaft Leistungen ablehnen.

Gegen solche Vorwürfe wehrte sich der MDK, irgendwann aber langte es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). 2019 beschloss der Bundestag ein Reformgesetz, das die "Medizinischen Dienste" laut Spahn - organisatorisch gelöst von den Kassen - als unabhängige Körperschaften des öffentlichen Rechts "effektiver, glaubwürdiger und handlungsfähiger" machen sollte. Doch in Bayern bereitet die Umsetzung von Spahns Plänen gewaltig Ärger. Verdruss, für den einzelne Konfliktparteien das bayerische Gesundheitsministerium verantwortlich machen.

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Es geht darum, wer im künftigen Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes (MD) in den nächsten sechs Jahren die Interessen der Patienten, der Pflegebedürftigen und der pflegenden Angehörigen vertreten darf. Jedenfalls keine Berufsverbände, die Interessen von in der Pflege tätigen Menschen vertreten, so positioniert sich der Sozialverband VdK Bayern - unterstützt von der Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppen bis hin zur Bayerischen Krebsgesellschaft.

Zu einem Schreiben, das kürzlich auf dem Tisch des neuen bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek (CSU) landete, heißt es: Es gelte, Holetschek "auf einen Fehler" aufmerksam zu machen, für den sein Haus verantwortlich sei. Der Landespflegerat, der Verband der Schwesternschaften vom Bayerischen Roten Kreuz sowie der Verband Bayerischer Heimleiterinnen und Heimleiter würden "sicherlich nicht zu den Verbänden und Organisationen" gehören, die Interessen der Pflegebedürftigen und Behinderten oder der in diesem Bereich tätigen Selbsthilfe- und Verbraucherschutz-Organisationen wahrnehmen. Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sei als "maßgeblicher Interessenvertreter" einer Berufsgruppe bekannt.

"Huml hat das nicht ernst genommen"

"Wir sind der Meinung, dass die vom Ministerium vorgenommene Besetzung der Patientenvertretung nicht den Vorschriften entspricht", sagt Ulrike Mascher, die Vorsitzende des VdK Bayern. Sie habe "den Eindruck, dass das Ministerium gesichtswahrend aus dieser Geschichte herauskommen möchte". Sie habe Holetscheks Vorgängerin Melanie Huml (CSU) schriftlich auf das Problem aufmerksam gemacht, sagt Mascher. Aber: "Sie hat lange nicht geantwortet".

Andere drücken es heftiger aus: "Huml hat das nicht ernst genommen." Oder: "Das Ministerium hat das verpennt." Dort hieß es am Montag, es prüfe aktuell "die Notwendigkeit einer Korrektur". Die Zeit drängt, die konstituierende Sitzung des MD-Verwaltungsrats wurde bereits vom 27. Januar auf den 10. Februar verschoben. Bis Ende Februar müssen Bayerns Delegierte für die Wahl des MD-Bundesverwaltungsrats feststehen.

Was Kritiker verdrießt: "Der DBfK hat auf der Seite der beruflichen Interessensvertretung auch noch einen Sitz. Die würden folglich sowohl auf der Bank der Patientenvertretung sitzen als auch die Pflegebranche vertreten", sagt Peter Friemelt, Geschäftsführer des Gesundheitsladens München. Marliese Biederbeck, Geschäftsführerin des DBfK Südost, erklärt, sie sei "irritiert über einen so heftigen Protest". "Die Vertretung der pflegebedürftigen Menschen und der pflegenden Angehörigen ist unser Aufgabenbereich", sagt sie. Viele alte Menschen in den Heimen oder jene auf den Intensivstationen hätten oft gar keine andere Interessenvertretung als eben ihre Pflegekräfte.

© SZ vom 02.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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