Politik in Bayern:Landtag wählt AfD-Kandidaten zu ehrenamtlichen Verfassungsrichtern

Lesezeit: 3 min

Der Abstimmung waren Beratungen vorangegangen, wie die Wahl der AfD-Kandidaten verhindert werden könnte. (Foto: Tobias Hase/dpa)

CSU, Freie Wähler und AfD stimmen zu. Der Landtag kann nicht einzeln abstimmen, nur im Block über die gesamte Liste. Die Grünen wollen einen Gesetzentwurf vorlegen, um das künftig zu verhindern.

Von Andreas Glas

Mit den Stimmen von CSU, Freien Wählern und AfD hat der bayerische Landtag am Mittwoch auch AfD-Kandidaten zu ehrenamtlichen Verfassungsrichtern gewählt. Am Nachmittag fand eine Abstimmung im Block statt, also über eine Liste mit allen Personalvorschlägen aller Landtagsfraktionen.

Für eine Abstimmung über jede einzelne Richterin und jeden einzelnen Richter hatte sich letztlich keine der Fraktionen ausgesprochen, da Konsens herrscht, dass dies verfassungsrechtlich problematisch wäre. Stattdessen hätten CSU und FW gegen ihre eigenen Kandidatinnen und Kandidaten stimmen müssen, um die AfD-Bewerber zu verhindern - was sie nicht taten. Die Abgeordneten der Grünen und SPD dagegen stimmten pauschal gegen die Bewerberliste.

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Der Abstimmung waren Beratungen vorangegangen, wie die Wahl der AfD-Kandidaten verhindert werden könnte. Entscheidungsgrundlage war die Einschätzung von VGH-Präsident Hans-Joachim Heßler. In einem Schreiben an Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) kam er zu dem Schluss, dass die "teilweise Nichtwahl" von Richterkandidaten "erhebliche verfassungsrechtliche Unsicherheiten mit sich bringen" würde. Das Schreiben liegt der SZ vor. Es betont das Prinzip, dass sich die politischen Kräfteverhältnisse im Landtag in der Besetzung der Richterposten spiegeln müssten.

Da sich diese Gesetzeslage nicht "von heute auf morgen" ändern lasse, habe das Parlament "die Grundrechte zu wahren", damit der Verfassungsgerichtshof arbeitsfähig bleibe, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Michael Hofmann, im Namen der Regierungsfraktionen. "Eine Verfassungs- oder Rechtssprechungskrise ist wirklich das Letzte, was wir in dieser Zeit brauchen können." Hofmann sprach von "einer wirklich schweren Abwägung". Man sei bereit, die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, um die Regularien der Richterwahl für die Zukunft zu ändern.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn zeigte angesichts der schwierigen Rechtslage Verständnis. Er mache CSU und FW für ihre Haltung "keine Vorwürfe", sagte Brunn. Die SPD habe sich dennoch entschieden, "die neuen Nazis in diesem Land" nicht zu wählen. Der Fehler sei gewesen, die derzeitige Regelung nicht schon früher zu ändern. Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Jürgen Mistol kündigte an, dass seine Fraktion einen Gesetzentwurf vorlegen werde, um mit Blick auf künftige Richterwahlen "die Organe unserer Verfassung widerstandsfähig zu machen" gegen Verfassungsfeinde.

Laut derzeitiger Gesetzeslage dürfen alle Fraktionen entsprechend ihrer Größe eine bestimmte Zahl an Richterinnen und Richtern an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VGH) entsenden. Der AfD stehen zwei Posten (samt Stellvertretern) als "nichtberufsrichterliche Verfassungsrichter" zu, die kein Landtagsmandat haben dürfen. 15 solcher Richter ergänzen die 22 Berufsrichterinnen und Berufsrichter in den Kammern des Verfassungsgerichtshofs, der dafür zuständig ist, die Landesverfassung auszulegen und zu wahren. Schon in der vergangenen Legislatur wurden die AfD-Kandidaten vom Landtag gebilligt.

Dieselben AfD-Kandidaten wurden nun wiedergewählt: der frühere Oberstaatsanwalt Wolfram Schubert und der Weilheimer Anwalt Rüdiger Imgart. Imgart hatte sich im Sommer 2020 bei Corona-Protesten in Berlin unter jene Demonstranten gemischt, die den Reichstag stürmen wollten. Er habe sich nur ein Bild von der Demo machen wollen, sich aber nicht mit "obskuren Forderungen einverstanden erklärt", sagte Imgart.

Die Wahl der ehrenamtlichen Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter fiel am Mittwoch auf den Tag, an dem der Landtag in einem Gedenkakt den Opfern des Nationalsozialismus gedachte. Am Abend setzten CSU, FW, Grüne und SPD dann ein gemeinsames Zeichen gegen Rechtsextremismus. In einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag, der sich gegen die AfD richtet, verurteilen die vier Fraktionen jede "Bestrebung, die Demokratie in Bayern und die Organe unserer bayerischen Demokratie gezielt zu schwächen, zu schädigen und zu delegitimieren".

"Sie wollen diesen Staat unterlaufen, Sie wollen ihn kaputt machen", sagte CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek bei der dazugehörigen Debatte in Richtung der AfD. FW-Fraktionschef Florian Streibl kündigte an, man werde sich "auch in Zukunft jeglichem verfassungsfeindlichen Handeln extremistischer Kräfte frühzeitig entgegenstellen". Johannes Becher (Grüne) sagte: "Wer das Parlament verachtet, der sollte nicht in einem Parlament sitzen." Und SPD-Fraktionschef Brunn bezeichnte die AfD als "Menschenfeinde".

AfD-Fraktionsvize Martin Böhm wehrte sich. "Nicht wir diskreditieren die staatlichen Institutionen", sondern seine Partei werde von Ämtern ausgeschlossen, "auf die wir legitimen Anspruch haben", sagte Böhm, der im Zuge der Diskussion um den umstrittenen AfD-Abgeordneten Daniel Halemba erklärt hatte, es sei "legitimes politisches Ziel", Landtagspräsidentin Aigner zu beschädigen. Eine Überlegung war demnach, den im Oktober noch mit Haftbefehl gesuchten Halemba öffentlichkeitswirksam im Parlament festnehmen zu lassen.

Richard Graupner (AfD) nannte dies in der Debatte eine "lose Überlegung eines unserer Fraktionsmitglieder", die zur Gefahr für den Rechtsstaat stilisiert werde. Den anderen Fraktionen warf er "Anti-Rechts-Hysterie" vor. Sein Parteikollege Böhm lehnte am Mittwoch eine Entschuldigung bei Aigner ab.

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