Gesetzesverschärfung:Pöbeln im Landtag soll teuer werden

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Der Landtag dürfe nicht zum Ort für die "Verrohung der politischen Kultur" werden, sagte Landtagspräsidentin Ilse Aigner, als sie eine geplante Reform des Abgeordnetengesetzes vorstellte. (Symbolfoto) (Foto: Peter Kneffel/dpa)

In der vergangenen Wahlperiode wurden 26 Abgeordnete wegen teils massiver Störungen von Sitzungen gerügt - vor allem von der AfD. Um mehr Disziplin in Bayerns Plenum zu etablieren, wird nun der Sanktionskatalog deutlich verschärft.

Von Johann Osel, München

Verbale Entgleisungen oder Störaktionen im Landtag sollen für Abgeordnete künftig teuer werden. Eine geplante Reform des Abgeordnetengesetzes, deren Details Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) am Mittwoch vorstellte, sieht in solchen Fällen ein Ordnungsgeld von bis zu 2000 Euro und im Wiederholungsfall von bis zu 4000 Euro vor. Die klassische "Rüge" im Parlament wird abgeschafft, stattdessen soll ein dreistufiges Verfahren kommen: zunächst ein Ordnungsruf bei Verletzungen der Würde des Landtags, dann bei erneutem Vorfall oder besonders gravierenden Verstößen die finanzielle Sanktion. Und als dritter Schritt und "letztes Mittel" ein Ausschluss aus der Sitzung. Danach könnte das Plenum auf Empfehlung des Präsidiums Abgeordnete sogar für höchstens zehn weitere Sitzungen sperren.

"Unsere parlamentarische Demokratie ist wehrhaft, sie lässt sich nicht verächtlich machen und sie lässt sich von niemandem auf der Nase herumtanzen", sagte Aigner. Man präsentiere eine Regel, "die sicher wehtut und vielleicht auch abschreckt". Aigner hatte das angestoßen und Ideen dazu mehrmals aufs Tapet gebracht, etwa bei ihrer Bilanz der vergangenen Wahlperiode und zur Eröffnung des neuen Landtags im Herbst. Mit dem erstmaligen Einzug der AfD in den Landtag 2018 war es öfter zu Eklats und verbalen Ausfällen gekommen, zu einem Rekord an Rügen. Diese "Verrohung der politischen Kultur" und "Herabwürdigung des Verfassungsorgans Landtag", sagte Aigner immer wieder, sei nicht zu dulden.

Die konkrete Umsetzung ließ zuletzt auf sich warten. Sind Rügen nur in der Geschäftsordnung verankert, geht es jetzt um das Abgeordnetengesetz. "Ein Schnellschuss wäre hier unangebracht gewesen", so Aigner, die Regelungen müssten "juristisch wasserdicht" sein und auch einer Klage standhalten. Der Entwurf für die Novelle wurde von CSU, FW, Grünen und SPD beratschlagt. Die AfD war nicht involviert. Es sei die Entscheidung der Fraktionen, mit wem sie zusammenarbeiteten, sagte Aigner zum aus der AfD erhobenen Vorwurf einer Ausgrenzung. Schon kommende Woche soll das neue Gesetz in erster Lesung im Plenum sein, es könnte dann Ende April in Kraft treten. Die AfD-Fraktion beschwert sich seit Längerem, dass ihrer Ansicht nach mit derlei Maßnahmen "regierungskritische" Äußerungen unterdrückt werden sollen.

Ralf Stadler von der AfD wird nach seiner Störaktion während der Abschlussrede von Katharina Schulze (l), Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, von einem Saaldiener auf seinen Platz begleitet. (Foto: Peter Kneffel/picture alliance/dpa)

In der vergangenen Wahlperiode sprach das Präsidium 26 Rügen aus; davor hatte es mehr als zwei Jahrzehnte keine einzige gegeben. Drei Rügen erhielten Abgeordnete von Grünen und SPD, der große Rest ging an aktuelle oder fraktionslose frühere Politiker der AfD. Die seit langer Zeit erste Rüge hatte Anfang 2019 der damalige AfD-Mann Ralph Müller erhalten, der Angela Merkel ehrabschneidend eine "Stasi- und Schnüffelkanzlerin" nannte. Gerügt wurden auch Störaktionen, die aus dem Ort der Demokratie eine Krawallbude zu machen versuchten. Die letzte Maßnahme der vergangenen Periode erhielt Ralf Stadler, einer der fleißigsten Rügen-Sammler der AfD, der bei einer Rede von Katharina Schulze (Grüne) Richtung Pult ging und ein Schild mit der Aufschrift "Wahlbetrüger" hochhielt. In Erinnerung bleibt etwa auch der Skandal-Auftritt eines AfD-Mannes mit Gasmaske am Rednerpult während der Corona-Pandemie. Nach Aigners Darstellungen wären die Gasmaske und Stadlers übergriffiges Spektakel im Rückblick für ein Ordnungsgeld sehr wohl in Betracht gekommen. Viele Rügen für ungebührliche Wortwahl wären aber eher noch im Bereich eines Ordnungsrufs gewesen. Aigner beklagte, dass manche Abgeordnete mit Rügen "wie Trophäen" in ihrer Anhängerschaft prahlten. Jetzt gehe es "ums Eingemachte, nämlich den Geldbeutel".

Der AfD-Abgeordnete Stefan Löw stand im Sommer 2020 mit einer Gasmaske am Rednerpult im Landtag. (Foto: dpa)

Im Deutschen Bundestag gibt es ein Ordnungsgeld, in einigen anderen Bundesländern ebenfalls. In Bayern sind die angedachten Maximalsummen "deutlich spürbar", so Aigner, die Summe werde direkt von der monatlichen Abgeordnetenentschädigung abgezogen. Man sei dann "mit Sicherheit einer der strengsten Landtage". Ordnungsgeld oder Ausschluss sollen vom Präsidium eigens beraten und in der Regel nicht gleich während der laufenden Sitzung verhängt werden. Außer bei Dringlichkeit: Bei krassen Störungen womöglich könnte die Sitzung zur Festlegung von disziplinarischen Maßnahmen unterbrochen werden.

Neu ist ein Passus, wonach der Ordnungskatalog auch bei Verstößen gegen das Hausrecht greifen kann - indem Abgeordnete auch Verantwortung für das Verhalten ihrer Gäste tragen. Ein Beispiel: Vergangenes Jahr hatten AfD-Politiker Dutzende Burschenschafter zum Ritual einer Festkneipe ins Maximilianeum geladen, darunter auch Gäste, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Dabei kam es zu rassistisch auslegbaren Gesten, ein anwesender Journalist fühlte sich zudem bedrängt.

Zudem plant Aigner eine jährlich wiederkehrende Umfrage zur Zufriedenheit mit der Demokratie im Freistaat. Der "Demokratiespiegel Bayern" solle bei einem Institut in Auftrag gegeben werden und untersuchen, wie gefestigt die Demokratie im Freistaat sei, ob es tatsächlich eine "schweigende, unzufriedene Mehrheit" gebe. Es werden also nicht die Sonntagsfrage gestellt oder die Popularität politischer Akteure gemessen. Der erste Demokratiespiegel soll nach der Sommerpause präsentiert werden.

Die Präsidentin äußerte sich auch zu Recherchen von BR24, wonach die AfD im Bundestag mehr als 100 Personen aus Organisationen beschäftigen soll, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden. Dem Präsidium seien einige ähnliche Fälle aus dem Landtag bekannt. Kürzlich hatte Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner im Innenausschuss mitgeteilt, man sehe in der Bayern-AfD in Qualität und Quantität gewachsene Kontakte etwa zur sogenannten Identitären Bewegung. Dies zeigt sich nach Informationen der SZ zumindest vereinzelt auch im Mitarbeiterstab der AfD-Fraktion. Arbeitsverträge entsprechender Mitarbeiter, so Aigner, laufen direkt mit den Abgeordneten, das Landtagsamt habe keine Handhabe zum Einschreiten. Es sei indes nicht hinzunehmen, dass "Verfassungsfeinde von Steuergeld bezahlt" würden. Diese Lücke könne nur das Abgeordnetengesetz schließen. Es soll erst mal ein Gutachten zur Problematik geben, "es gilt Sorgfalt vor Eile".

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