Aus der Landespolitik:Das AfD-Phantom ist wieder da

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Einstecktuch und strenger Scheitel waren stets das Markenzeichen von Ralph Müller, wie hier auf dem Bild von 2019. Dann wurde er eine ganze Weile nicht im Landtag gesehen. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Der Abgeordnete Ralph Müller wurde seit seinem Austritt aus der AfD Ende 2020 nicht mehr im Bayerischen Landtag gesichtet. Jetzt taucht er plötzlich wieder auf.

Kolumne von Johann Osel

Ralph Müller (früher AfD, heute fraktionslos) macht immer von sich reden. Egal, ob anwesend oder nicht. Kaum in den Landtag gekommen nannte er Anfang 2019 Angela Merkel eine "Stasi- und Schnüffelkanzlerin". Wofür er eine Rüge von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) kassierte, damals die erste im Hohen Haus seit Jahrzehnten. Dann blieb der Abgeordnete - Markenzeichen: Einstecktuch und strenger Scheitel - bei einer Gedenkminute für den von einem Neonazi ermordeten Politiker Walter Lübcke erst mal ein Weilchen sitzen. Eine reine Unachtsamkeit, so wehrte er sich, er sei Opfer einer "moralingetränkten Hexenjagd".

Zudem war er unter Journalisten als "der Typ mit dem Finger" berüchtigt. Geht er doch gern auf Tuchfühlung im Gespräch und untermalt seine Sätze mit stechendem Zeigefinger, als wolle er einem ins Nasenloch piksen. Immerhin: Er ist Zahnarzt von Beruf, mundhygenisch also alles okay.

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Ende Dezember 2020 kehrte Müller der AfD und der Fraktion den Rücken. Und war fortan als "Phantom des Landtags" bekannt. Während andere AfD-Abtrünnige fleißig im Plenarsaal sitzen (und oft beim Würstelverkauf nebenan), ward Müller nie wieder gesehen, mehr als zwei Jahre lang. Nachweisbar an Abgeordnetenarbeit sind seitdem nur vereinzelt schriftliche Anfragen. Müller selbst nannte in den Nürnberger Nachrichten mal gesundheitliche Gründe für die Absenz. Trotz Abzügen für versäumte Sitzungstage dürften sich Diäten und Kostenpauschale für das Phantom seit Ende 2020 auf mehr als 200 000 Euro summiert haben, ohne erkennbares Engagement, das rechnen manche im Landtag naserümpfend vor.

Jetzt aber wurde Müller plötzlich wieder im Maximilianeum gesichtet, im April und Mai. Und: Er hat nach Informationen der SZ einen Antrag auf Wiederaufnahme in die AfD-Fraktion gestellt. Unklar ist, ob das in der Fraktion mehrheitsfähig ist. Müller ließ eine Anfrage am Dienstag unbeantwortet. Er sei ja nicht im Streit mit der Fraktion gegangen oder weil er einen Rechtsrutsch beklagt hätte, meinen wohlwollende Ex-Kollegen, sondern wegen eines Zoffs in seinem AfD-Kreisverband. In einem "Anfall von LMAA", sprich "Leck mich am Arsch", habe Müller damals alles hingeworfen, danach aber "nie gegen die AfD nachgetreten". Andere finden: Wer austrete und das über die AfD erworbene Mandat "klaut", habe kein Rückkehrrecht. Dazu kämen Müllers "Extravaganzen" - "der hat uns grade noch gefehlt".

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