Bayerischer Landtag:Flüchtlingspolitik entzweit die Koalition

Lesezeit: 2 min

Die Freien Wähler schlagen sich beim Streit um Aufenthaltstitel auf die Seite der Bundesregierung - zum Ärger der CSU.

Von Johann Osel, München

Ist das schon ein Hauch von "dunkler Seite der Macht"? Die CSU feuert gerade gegen das neue Chancen-Aufenthaltsrecht der Ampel. Es soll Ausländern, die mindestens fünf Jahre ohne Aufenthaltstitel im Land sind, Perspektiven geben: zunächst für ein Jahr einen legalen Status, um Integrationsleistungen zu erbringen statt sich von Duldung zu Duldung zu hangeln. "Ein migrationspolitischer Irrweg", findet die CSU im Landtag, das "fatale Signal", dass man sich für ein Bleiberecht "nur lange genug in Deutschland aufhalten und sich seiner Ausreisepflicht entziehen muss".

Dazu wittert die CSU "Pull-Faktoren" - dass sich die Reform in der Welt herumspreche und Migration befördere. Und sie bezweifelt, dass der Arbeitsmarkt davon profitieren könne. Das alles führt nun aber nicht zum öffentlichen Streit mit SPD, Grünen und FDP - sondern mit dem Koalitionspartner Freie Wähler.

Aber der Reihe nach: "Dunkle Seite der Macht" hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seinen Wahlkampf von 2018 später reumütig genannt. Damals hatte er das Wort "Asyltourismus" eingeführt und in der Flüchtlingskrise versucht, durch einen Rechtsrutsch die AfD klein zu halten. Dabei könne man "ein Stinktier nicht überstinken", bilanzierte mal der Ex-Generalsekretär Markus Blume. Inwiefern die CSU im Landtagswahlkampf nächstes Jahr Migration in den Fokus rückt, ist unklar. Dezidiert konservative Tupfer sind zwar schon erkennbar in Söders Themen-Bauchladen. An Flüchtlingen, glauben viele im politischen München, werde sich aber die CSU kaum erneut die Finger verbrennen - außer natürlich, wenn es um den Kontrast zur Ampel geht.

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"Dieser AfD-Sprech"

Doch eben dabei kommt es jetzt zum Scharmützel in der Koalition. Ihren Groll über das Chancen-Projekt wollte die CSU in einen Dringlichkeitsantrag gießen: die Staatsregierung möge ordentlich gegen Berlin opponieren. Nötig wäre das gar nicht, Innenminister Joachim Herrmann hat längst seine Skepsis formuliert. Der Antrag jedenfalls, teilte die CSU-Fraktion mit, scheiterte am Veto der FW. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer teilte heftig aus: Der Landtag könne "kein Zeichen setzen, da die Freien Wähler diese Politik der Ampel für richtig halten und diese Bleibevoraussetzungen etwa auch für Straftäter nicht ablehnen." Dazu muss man wissen: Straftäter sollen die Chance ausdrücklich nicht erhalten, mit Ausnahmen wie geringfügigen Verurteilungen.

Erstaunlich ist, dass der Dissens überhaupt publik wird. CSU und FW bringen solche Anträge gemeinsam oder gar nicht ein, dass Entwürfe geräuschlos im Papierkorb landen, kommt vor. Man müsse solche "Querschüsse" des Partners schon aufzeigen, hört man aus der CSU. Bei FW-Leuten nimmt man "Nervosität" wahr auf der anderen Seite. Ja, der Wahlkampf naht.

Erstaunt zeigt sich Alexander Hold, Sprecher der FW für Migration. Weil die CSU "unterstellt, dass wir mit dem Ampel-Entwurf rundum einverstanden wären". Das sei nicht der Fall und das mit den Straftätern weise man "ganz weit von uns". Andererseits solle, wer sich integriere und nichts zu schulden kommen lasse, Chancen erhalten, die Wirtschaft brauche Arbeitskräfte. Was Hold am Antrag störte, sei "dieser AfD-Sprech", den wollten auch manche in der CSU nicht. Ohnehin sei Kreuzer nicht "der kompetente Ansprechpartner" für Migration, da gebe es Fachkollegen "mit fachlicher Tiefe".

Kreuzer kontert: "Ich war in der CSU schon für Migration zuständig, als Hold noch nicht mal im Landtag war und statt dessen den Fernsehrichter aufführte." Die beiden haben übrigens eine Gemeinsamkeit: denselben Stimmkreis, Kempten.

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