Kinderbetreuung:Ein Friedensangebot für frustrierte Eltern

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Während Markus Söder (CSU) bei einem Rundgang durch das Städtische Haus für Kinder in München malt, schaut ihm ein kleines Mädchen zu. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Staatsregierung will in den kommenden Jahren 180 000 neue Betreuungsplätze schaffen - vor allem für Grundschülerinnen und Grundschüler. Ein ambitionierter Plan.

Von Maximilian Gerl

Kinder sind am Montag nicht mit im Raum, ein durchaus üblicher Zustand bei Pressekonferenzen. Trotzdem kommt man an ihnen diesmal nicht vorbei. "Wir wollen für den größten Schatz, den wir haben, unsere Kinder, alles tun", schickt etwa Ministerpräsident Markus Söder im Münchner Prinz-Carl-Palais voraus. Die Staatsregierung will daher in den kommenden Jahren 180 000 neue Betreuungsplätze schaffen, davon viele für Grundschülerinnen und Grundschüler - so das Ergebnis eines kurzfristig angesetzten "Kinderbetreuungsgipfels" mit Vertretern von Staatsregierung, Kita-Trägern, Kommunen und Elternverbänden. Die Kinderbetreuung, wird Söder später ergänzen, sei eine jener "Basics", die der Staat leisten müsse.

Doch genau dieses "Basic" sorgte zuletzt in Bayern immer wieder für Frust. Von der schönen Theorie, die Kinder morgens in Krippen und Kitas abzugeben, bleibt für Eltern in der Praxis manchmal wenig übrig. Nach Schätzungen fehlen Tausende Betreuungsplätze im Freistaat. Und selbst dort, wo es dem Papier nach genug Plätze gäbe, machen Personalausfälle regelmäßig einen Strich durch die Rechnung, davon zeugen unter anderem Brandbriefe und Petitionen von Elterninitiativen.

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Dass es so nicht weitergehen kann, hat auch die Staatsregierung erkannt. Ohnehin sind unzufriedene Eltern in Wahlkampfzeiten ein Stimmenrisiko. Wer will, kann den gemeinsamen Auftritt von Söder, Sozialministerin Ulrike Scharf (beide CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (FW) am Montag daher auch als eine Art Friedensangebot betrachten. "Es war ein guter Gipfel", sagt etwa Piazolo, inhaltlich wie atmosphärisch. Ähnlich äußert sich Scharf: Gut sei es, dass alle Seiten nun miteinander gesprochen hätten.

Das Ergebnis jedoch dürfte eher mittelfristig als sofort Linderung bringen, bestenfalls. Von den neu zu schaffenden Betreuungsplätzen sind mit 130 000 ein Großteil für die Betreuung an Grundschulen nach dem Unterricht gedacht. Denn von 2026 an greift dort ein von der Bundesregierung vorgegebener Rechtsanspruch. Die übrigen 50 000 Plätze sind für Kinder unter sechs Jahren geplant. Eine Milliarde Euro will die Staatsregierung dafür zusätzlich ausgeben. Um den damit einhergehenden Personalbedarf zu decken, setzt sie unter anderem verstärkt auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger - und will die Zahl sogenannter Teamkräfte auf 12 000 verdoppeln. Diese könnten künftig in der Verwaltung unterstützen, in der Küche und bei anderen, nicht genuin erzieherischen Aufgaben. "Wir brauchen sie als helfende Hände", sagt Scharf.

Ob das reichen wird? Als "sportlich" bezeichnet Söder die Herausforderung, dem Rechtsanspruch für Grundschulfamilien zu genügen. Der Freistaat hat in den vergangenen Jahren zwar sein Betreuungsangebot ausgebaut. "Der Status Quo ist besser, als man denkt", sagt Söder dazu. Doch die Nachfrage ist eben noch schneller gewachsen. Bayern ist Zuzugsland, für Menschen aus anderen Bundesländern und dem Ausland gleichermaßen.

Die Folge von Platz- wie Personalmangel: Vor allem junge Frauen reduzieren immer noch vergleichsweise häufig ihre Arbeitszeit oder steigen ganz aus dem Beruf aus, um sich der Kinderbetreuung widmen zu können. Dabei beißen sich jetzt schon am Fachkräftemangel so gut wie alle Branchen die Zähne aus. Und die Arbeitssituation in Kitas und Krippen gilt aus Sicht dort Beschäftigter mindestens als ausbaufähig. Mit Warnstreiks versuchten Gewerkschaften zuletzt, nicht nur eine bessere Bezahlung zu erstreiten, sondern auch dem Unmut von Erzieherinnen und Erziehern Gehör zu verschaffen; so blieben zum Frauentag am 8. März bayernweit etliche Einrichtungen zu. In diesen herrsche einerseits "eine unglaubliche Arbeitsbelastung und -verdichtung", sagte damals ein Verdi-Sprecher zur SZ. Andererseits gebe es Probleme, mehr Menschen für den Beruf zu begeistern. "Ein Teufelskreis."

Den zu durchbrechen, gilt schon qua Definition als schwierig. Scharf nutzt daher die Gelegenheit am Montag für einen Appell an die Kita-Träger, ein "attraktiver Arbeitgeber" zu sein. Auch die vorhandenen Förderinstrumente will sich die Ministerin anschauen und weiterentwickeln. Piazolo verweist darauf, dass man angesichts des steigenden Betreuungsbedarfs bereits daran arbeite, unter anderem mithilfe neuer Fachschulen mehr Ausbildungsstellen zu schaffen. Und der Ministerpräsident verweist darauf, dass die Bezahlung in der Branche zuletzt besser geworden sei. Auch eine "Fast Lane" für Menschen aus anderen Teilen der Welt, die als Erzieher in Bayern arbeiten wollen, kann sich Söder vorstellen - wie es das so ähnlich inzwischen für Pflegekräfte gibt. Deren Anstellung in einem bayerischen Heim oder Krankenhaus verhinderte bislang gerne die komplexe Bürokratie.

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