Justiz:Welche Prozesse 2023 in Bayern anstehen

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Beim Einsturz eines Tragegerüsts auf der Baustelle einer Autobahnbrücke in Unterfranken starb 2016 ein Bauarbeiter, 14 Menschen wurden verletzt. Nun geht die juristische Aufarbeitung weiter. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Es gibt einiges zu tun an den Gerichten in Freistaat. Und manche Verfahren werden viel Aufsehen erregen.

Der Einsturz einer Autobahnbrücke in Unterfranken, die Wiederaufnahme des "Badewannen-Mordes", die Aufarbeitung zweier Medizin-Skandale aus Schwaben: Die Gerichte in Bayern sind im neuen Jahr mit einer ganzen Reihe an bedeutenden Prozessen beschäftigt. Eine Übersicht.

Medizin-Skandale: Zwei der größten Medizin-Skandale der vergangenen Jahre in Bayern sollen voraussichtlich 2023 am Augsburger Landgericht verhandelt werden. Nach Angaben des Gerichts könnte von Mitte April an ein Krankenhausarzt vor Gericht stehen, der 51 Patienten mit Hepatitis C angesteckt haben soll. Der Fall hatte Ende 2018 bei Tausenden Patienten der Klinik im nordschwäbischen Donauwörth für Verunsicherung gesorgt. Im Mai könnte zudem der Prozess gegen einen impfkritischen Hausarzt beginnen, der mindestens 176 Patienten Corona-Scheinimpfungen gegeben haben soll. Beide Fälle hatten umfangreiche Ermittlungen von Staatsanwaltschaften, Kriminalpolizei und dem Gesundheitsamt zur Folge. Insbesondere der Hepatitisskandal zog immer größere Kreise. Letztlich wurden mehr als 1700 Patienten des beschuldigten Mediziners aufgefordert, sich auf Hepatitis C testen zu lassen, weil nicht ausgeschlossen wurde, dass der Narkosearzt sie infiziert hat.

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Autobahnbrücke: Mehr als sechs Jahre nach dem tödlichen Einsturz eines Traggerüstes beim Bau einer Autobahnbrücke in Unterfranken müssen Verantwortliche erneut vor Gericht. Ein Prüfingenieur ist der fahrlässigen Tötung und 14-fachen fahrlässigen Körperverletzung angeklagt. Bei dem neuerlichen Prozessstart am 13. März am Landgericht Schweinfurt zur juristischen Aufarbeitung des Unglücks bei Werneck (Landkreis Schweinfurt) gibt es nun insgesamt vier Angeklagte. Am 15. Juni 2016 waren Teile der im Bau befindlichen Schraudenbach-Talbrücke der Autobahn 7 eingestürzt. Etliche Bauarbeiter wurden mehr als 20 Meter in die Tiefe gerissen. Ein 38 Jahre alter Vater zweier Kinder starb. 14 weitere Menschen wurden verletzt. 2019 wurde das Verfahren wegen Unstimmigkeiten mit Gutachten ausgesetzt. Zwei ebenfalls angeklagte Ingenieure und ein Statiker stritten die Vorwürfe bislang ab.

Missbrauchsskandal: Welche Schuld tragen hochrangige Kirchenvertreter an der Vertuschung von Missbrauchsfällen? Mit diesem großen Thema befasst sich das Landgericht Traunstein. Ein Mann, der angibt, von einem damals schon einschlägig vorbestraften Priester in Garching an der Alz missbraucht worden zu sein, hat diesen Priester verklagt, das zuständige Erzbistum München und Freising - und den emeritierten Papst Benedikt XVI. Denn Kardinal Joseph Ratzinger war Erzbischof, als der Mann aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern versetzt wurde. Auch nach Benedikts Tod läuft das Verfahren gegen ihn weiter - zumindest vorerst, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Allerdings können seine Anwälte eine Unterbrechung beantragen, bis klar ist, wer die Erben Ratzingers sind. Die Klage würde sich dann künftig gegen sie richten. Das Gericht hatte vor dem Tod Ratzingers den 28. März als Termin für eine mündliche Verhandlung vorgeschlagen. Dieser war allerdings noch nicht festgelegt - und könnte sich nach dem Tod des emeritierten Papstes nun ohnehin verschieben.

Missbrauch in der Kirche
:Wo man die Hölle hinter sich lässt

Das kleine Unterwössen im Chiemgau war Schauplatz von schweren Missbrauchstaten eines Kirchenmannes. Gegen etliche Widerstände ist in der Pfarrkirche ein Andachtsraum entstanden. Über einen Ort, von dem Papst Benedikt nichts mehr wissen will.

Von Matthias Köpf

Mutmaßlicher Doppelmord von Mistelbach: Die 17-jährige Tochter und ihr 19 Jahre alter Freund sollen für den Tod eines Ärzte-Ehepaares aus Mistelbach im Landkreis Bayreuth verantwortlich sein. Sie sollen Anfang Januar 2022 den Plan zu einem Mord gefasst haben. Zugestochen haben soll der heute 19-Jährige. Als Motiv nannte die Staatsanwaltschaft Hass und Streit in der Familie. Verhandelt wird am Landgericht Bayreuth unter Ausschluss der Öffentlichkeit, erst zum Urteil sind Zuhörer und Journalisten wieder zugelassen. Ein Urteil wird laut Gericht nicht vor dem 19. Januar erwartet.

"Badewannen-Mörder": Nach 4912 Tagen Haft kam der als "Badewannen-Mörder" verurteilte Manfred G. im August 2022 auf freien Fuß. In diesem Jahr kommt nun die angeordnete Wiederaufnahme des Verfahrens vor Gericht. Ein Termin steht dafür noch nicht fest. Der Grund für die Freilassung: erhebliche Zweifel daran, dass er den Mord, für den er vor mehr als 13 Jahren verurteilt wurde, tatsächlich begangen hat. Das Landgericht München II hatte den Mann 2010 zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er nach Ansicht der damals zuständigen Kammer im Oktober 2008 eine 87 Jahre alte Bewohnerin des Hauses in Rottach-Egern, in dem er als Hausmeister arbeitete, in der Badewanne ertränkt hatte. Gutachten legen allerdings nahe, dass es sich womöglich eher um einen Unfall der alten Frau gehandelt haben könnte. Nachdem sein damaliger Verteidiger Revision eingelegt hatte, kam es aber auch in einem zweiten Prozess zum Schuldspruch. Seit 2012 war das Urteil rechtskräftig.

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