"Warum eine Führung explizit für Frauen?", fragt Markus Stimmelmayer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein (AELF) zu Beginn dieses Nachmittags. Allein der Status quo ist für ihn Grund genug: Laut einer Rechnung von der dritten Bundeswaldinventur sind (Stand 2019) von 700 000 Waldbesitzenden in Bayern rund 40 Prozent weiblich. Faktisch ist Waldbesitz damit keine Männerdomäne mehr. Besitz werde unter Erben und Erbinnen paritätisch aufgeteilt. Dadurch werde die Zahl der Waldbesitzerinnen in Zukunft weiter steigen, erklärt Stimmelmayer. Er und seine Kollegen haben sich deshalb mit rund 40 Frauen von Jung bis Alt auf einem Parkplatz bei Truchtlaching getroffen. Einige Frauen sind erst seit kurzem Waldbesitzerinnen, andere sind erfahrener. Gemeinsam wollen sie sich einen Wald anschauen, mehr über Wald im Klimawandel, Pflanzung und Jagd lernen. "Mein Ziel war es, einen offenen Raum für Fragen und Diskussion zu schaffen", sagt Stimmelmayer nach der Veranstaltung.
Und das scheint ihm gelungen zu sein: Als die Gruppe durch den Wald geht, fangen die Frauen direkt an, miteinander ins Gespräch zu kommen: Wo befinden sich ihre Waldstücke, welcher Förster ist dafür zuständig, welche Bäume pflanzen sie et cetera. Genau diese Gespräche zwischendurch sind für viele ein Grund, warum sie heute hergekommen sind. Zwar sei die forstliche Welt faktisch keine Männerdomäne mehr, dennoch seien es häufig die Männer, die die Bewirtschaftung übernähmen, erzählt eine Teilnehmerin. In diesem männlich dominierten Kreis seien viele Frauen unsicher. Das beobachtet auch Petra Bathelt, Försterin im Revier Altenmarkt, die Stimmelmayer an diesem Nachmittag unterstützt. "Die Frauen trauen es sich nicht zu", sagt sie. Häufig seien sie bei Veranstaltungen allein oder in der Unterzahl.
Bathelt ist schon seit rund 20 Jahren in der Branche tätig und empfindet den Wandel deutlich langsamer als zum Beispiel bei der Polizei. Ein Grund sei sicherlich, dass die Arbeit im Wald schwer sei. Als weiteren Punkt führt Bathelt auf, dass die Branche sehr traditionell sei. Sie mache die Erfahrung: Die Frau macht das Haus und der Mann kümmert sich um die harte land- und forstwirtschaftliche Arbeit. "Es tut sich aber schon was!" Als Beispiel nennt Bathelt die Motorsäge. Als sie angefangen habe, hätte es noch keine Damengrößen gegeben. Das habe sich mittlerweile geändert.
Der gemeinsame Austausch bei der Waldführung bricht auch dann nicht ab, als Stimmelmayer anhält und den ersten Input zum Thema "Wald im Klimawandel" gibt. Man merkt, die Frauen fühlen sich mit ihren Waldstücken verbunden und haben einen hohen Wissensdurst. Sie sind interessiert, wie es die anderen machen und fragen nach Tipps für ihre eigenen Waldstücke. Viele von ihnen haben ihren Wald geerbt und führen die Familientradition der Waldbewirtschaftung weiter. So auch Michaela Sommer: Vor drei Jahren erbte sie ein Waldstück von ihrem Onkel. "Viele sagen, boah, dass du das als Frau machst", erzählt sie. "Natürlich, es ist eine anstrengende Arbeit, aber ich habe Kraft." Sie mache das, was sie machen kann. Und das, was sie eben nicht schaffe oder was ihr zu gefährlich ist, gebe sie in andere Hände.
Gerade geht es darum, wie man einen Baum richtig pflanzt, als eine der Teilnehmerinnen die Experten fragt, ob Frauen sich mehr für eine ökologische Bewirtschaftung des Waldes interessieren als Männer. Bathelt antwortet: "Ich erlebe das so, dass Frauen offener und sensibler sind." Und auch hier fällt wieder das Wort Tradition: Männer würden die Bewirtschaftung häufig noch so machen, wie es auch der Vater und der Großvater gemacht haben. Frauen seien da gestalterischer und würden eher neue Dinge ausprobieren. "Wenn ich mit Frauen rede, muss ich weniger Überzeugungsarbeit leisten", sagt Bathelt. Auch Stimmelmayer hat den Eindruck, dass Frauen den Blick mehr auf Naturschutz und das gesamte Ökosystem richten und der wirtschaftliche Nutzen eher nachrangig sei.
Als dritter Punkt steht an diesem Tag das Thema Jagd auf dem Programm. Stimmelmayer und Bathelt erklären, welche Rechte die Waldbesitzerinnen haben, wenn es darum geht, ihren Wald vor Wildverbiss zu schützen. Nur wenn sie wissen, was sie einfordern dürfen, können sie sich vor ihrem jeweiligen Jäger behaupten. Gerade als Frau habe man es da nicht immer ganz leicht, sagt Bathelt. Das habe sie selbst erlebt. Aber sie macht den Frauen Mut: "Lasst euch nicht einschüchtern!" In diesem Moment bezogen auf den Kontakt mit Jägern, aber unterschwellig meint man zu hören, dass es ihr um die gesamte Branche geht.
Die Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft hat die steigende Bedeutung von Frauen im Wald erkannt. Deshalb nahm sie 2020 an dem interregionalen europäischen Projekt Fem4Forest teil, das mehr weibliche Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen in der Waldbewirtschaftung anstrebt. Seitdem finden immer mehr Veranstaltungen explizit für Frauen statt, wie heute ein Raum für Austausch unter Gleichgesinnten.