FDP in Bayern:"Endlich den Stecker ziehen"

Lesezeit: 3 min

Albert Duin, der einstige FDP-Landeschef ruft die Liberalen dazu auf, im Bund die Koalition mit SPD und Grünen zu beenden. (Foto: Robert Haas)

Der frühere FDP-Landeschef Albert Duin ruft in einem Brandbrief zum Ausstieg aus der Ampel auf. Parteivorsitzender Martin Hagen hat schon abgestimmt - gegenteilig. Zum Start der bundesweiten Mitgliederbefragung wird in Bayern überall intensiv debattiert.

Von Andreas Glas, Lina Krauß und Johann Osel

Die Migration? "Läuft einfach voll aus dem Ruder", findet Albert Duin, Ex-Landeschef der FDP. Bürokratieabbau? Von wegen, "es werden Gesetze am Fließband produziert und kein Mensch blickt mehr durch". Die Wirtschaftspolitik der Ampel? Ein "Chaos", entstanden durch "rein ideologisch gesteuerte Ideen speziell der Grünen". Allenfalls begeistere diese Bundesregierung "wohlstandsverwahrloste Städter". Mit einem Brandbrief an Bundesfinanzminister und FDP-Bundeschef Christian Lindner hat Duin die Debatte über einen Ampel-Ausstieg befeuert. Die Aussage, dass "die FDP Schlimmeres verhindert habe, beruhigt niemanden", schrieb er. Lindners Satz bei den Jamaika-Verhandlungen 2017, es sei "besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren", sei nie passender gewesen als jetzt.

Die bundesweite Online-Mitgliederbefragung in der FDP über die Ampel startete am Montag. Duins harsche Zeilen erregen da gerade einiges Aufsehen. Die FDP im Freistaat hatte ja besonders unter dem Image-Schaden durch die Ampel zu leiden, flog aus dem Landtag, nur drei Prozent. Wie ist die Stimmung unter Bayerns Liberalen?

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Horst Meierhofer kennt das Schicksal, das der FDP blühen könnte. Er war Bundestagsabgeordneter, als die Liberalen mit der Union regierten - und am Ende 2013 aus dem Parlament flogen. Heute ist er Stadtrat in Regensburg und hielte einen Ausstieg aus der Ampel für eine "völlige Bankrotterklärung". Wer solle die FDP denn beim nächsten Mal noch wählen, wenn sie sich jetzt, da sie gewählt ist, aus der Verantwortung ziehe. "Da müssen wir jetzt durch", sagt Meierhofer. Bei seiner Partei könne er "gar nicht so viele Fehler erkennen". Es gehe jetzt darum, in der Koalition "den Spirit wiederzufinden" und wieder "eine positive gemeinsame Haltung zu etablieren". Ob er glaubt, dass das FDP-Mitgliedervotum die Ampel zum Platzen bringt? "Die Gefahr ist auf jeden Fall da."

Monika Bock ist Vorsitzende der FDP München-Land, ein traditionell gutes Pflaster für die Liberalen. Auch Bock plädiert "unbedingt" für den Verbleib in der Ampel. Ihre Partei sei die Stimme des Verstandes in dieser Regierung. "Es braucht die FDP, die auf dem Geld sitzt, im Finanzministerium." Bock vertraut da ganz Lindner und dessen Staatssekretärin Katja Hessel, die seit Kurzem mit Martin Hagen die Bayern-FDP führt. Gleichwohl gebe es in ihrem Kreisverband intensive Diskussionen und viele Stimmen, je nach Alter, Beruf und Herkunft hätten alle ihre persönliche Brille. Dieser Austausch der Argumente, glaubt Bock, sei Zeichen einer "lebendigen Partei, ohne Denkverbote".

"Die FDP tut der Ampel gut. Aber die Ampel tut der FDP nicht gut."

Jakob Schäuble, FDP-Stadtrat in Ingolstadt und Mitglied des Landesvorstands, sagt: "Die Ampel ist keine Liebes-Heirat." Es gebe einige Defizite, doch die FDP habe in der Regierung eine Verantwortung übernommen, die man ohne einen festen Grund nicht einfach so abgeben könne. "Als Mitglied der Bundesregierung tragen wir eine Verantwortung für Deutschland", meint auch Susa Engeler, Chefin der Jungen Liberalen in Oberbayern. Das müsste jedes einzelne Mitglied bei seiner Entscheidung mitbedenken. Engeler und Schäuble nehmen die Stimmung als gespalten wahr. Einige seien der Meinung, dass ein Verlassen der Regierung besser sei, als die Politik so weiterzuführen wie bisher. Daniela Busse, Vorsitzende der FDP in Kempten, spürt bei vielen Mitgliedern eine große Enttäuschung. Viele Lokalgruppen hätten zudem mit Austritten zu kämpfen - wegen der Ampel. Busse selbst ist noch unsicher, wie sie abstimmen wird. Momentan tendiere sie zu einem Ausstieg aus der Ampel. "Die FDP tut der Ampel gut. Aber die Ampel tut der FDP nicht gut."

Landeschef Martin Hagen hat am Montag schon votiert, für den Fortbestand der Ampel. Er verstehe den Frust über das Bündnis, teile ihn ein Stück weit. Aber bei der Frage zwischen Abstimmung mit dem Bauch oder dem Kopf, habe er sich am Ende für den Kopf entschieden. Ein Ausstieg würde "keine Probleme lösen, weder im Land noch in der Partei". Und vorzeitige Neuwahlen könnten zur "Existenzbedrohung" werden. Ein Anfang für eine bessere Ampel-Politik sei zudem mit dem Haushalt gemacht - dass es etwa "nicht weitergehen kann mit der Ausdehnung des Sozialstaats".

Albert Duin sagt, er habe an direkten Rückmeldungen bislang "nur positive" erhalten. Er sei aber auch nicht als einer bekannt, dem man zurede und der dann umfalle. Der 70-Jährige war von 2013 bis 2017 Landeschef, beim jüngsten Parteitag kandidierte er völlig überraschend fürs Amt und unterlag nur knapp. Er hofft nun auf weitere "Freidenker", die nicht als "Partei-Vasallen" abhängig von Posten seien. Auch Ex-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch sprach sich kürzlich für das Ampel-Ende aus. Wie Duin glaubt er nicht, dass die FDP bei Neuwahlen aus dem Bundestag flöge. Duin denkt eher an Dankbarkeit in der Wählerschaft: "Schließlich sind dann wir diejenigen, die endlich den Stecker ziehen."

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