Listenaufstellung in Nürnberg:Söder streichelt die CSU

Lesezeit: 4 min

Alexander Dobrindt, amtierender Landesgruppenchef im Bundestag, und Digital-Staatsministerin Dorothee Bär. (Foto: Getty Images)

Der Parteichef ist bei der Aufstellung der Kandidatenliste für die Bundestagswahl sichtlich bemüht, die Unzufriedenen auf seine Seite zu ziehen.

Und dann? Herzt er auch noch Horst Seehofer, einen "ganz Großen". So nennt Markus Söder seinen alten Rivalen, den Bundesinnenminister, der bald Rentner ist. Er wolle Seehofer "einfach mal großen persönlichen Respekt zollen". Applaus setzt ein. Und Söder lässt ihn laufen, 35 Sekunden lang. Spätestens jetzt ist klar: Was Söder hier aufführt, ist nicht nur eine Rede. Es ist eine einzige, große Umarmung.

Es war ja gar nicht so leicht vorherzusagen, wie Söder und die CSU sich verhalten, wenn sie an diesem Samstag ganz real aufeinander treffen, im Nürnberger Fußballstadion. Die letzte Begegnung? Februar 2020, Politischer Aschermittwoch, 486 Tage her. Seither führten Söder und die CSU eine Fernbeziehung. Parteitage, Sitzungen, alles digital. Man kann sich in einer Fernbeziehung leicht entfremden und zuletzt sah es ein bisschen danach aus. Wie Söder über die Grünen sprach, war manchen zu nah am Flirt. Dazu die Kandidatenliste für die Bundestagswahl, die Söder den Delegierten hier vorlegt: zur Hälfte mit Männern besetzt, zur Hälfte mit Frauen. Das kommt nicht nur gut an in der CSU, die immer noch vor allem Männerpartei ist. Wird es Söder in Nürnberg gelingen, die Unzufriedenen zu besänftigen?

Bundestagswahl
:Söders Frauenplan

Zum ersten Mal will die CSU ihre Liste zur Bundestagswahl paritätisch besetzen. Der Parteichef will das so. Das findet nicht nur Zustimmung - und am Ende werden nicht unbedingt mehr CSU-Frauen im Bundestag sein.

Von Andreas Glas

Es ist 10.48 Uhr, als Söder in das Bühnenhäuschen auf der Laufbahn des Max Morlock Stadions klettert. Was hier bereits verraten sei: Nach seiner Rede werden die Skeptiker unter den 269 Delegierten wieder sehr zufrieden sein mit ihrem Parteichef, jedenfalls viele von ihnen. Was erstaunlich ist, da Söder in seiner Rede sagt, was er immer sagt. Er betont nur anders. Und fängt sie alle damit ein.

Dass er sich eine jüngere, weiblichere, moderne CSU wünscht, sagt Söder auch in Nürnberg. Was aber auffällt: Dass er mehr als sonst diejenigen streichelt, die nicht mehr jung sind, keine Frau oder beides - und sich zuletzt vergessen fühlten von ihrem Parteichef. Oder besorgt waren, dass Söders Kurs die konservativen Stammwähler vergraulen könnte. "Wir wollen die Älteren und die Jüngeren", sagt Söder jetzt, "wir wollen Männer und Frauen". Immer wieder setzt er die Betonung auf dieses Bindewort: und. Kein Wähler soll sich ausgegrenzt fühlen, kein Parteimitglied, nicht mal Horst Seehofer. Das ist die Botschaft an diesem Samstag, das ist Söders Umarmungsstrategie. Er sagt: "Wir wollen, dass jeder sich wohlfühlt bei uns."

Söder, der Feelgood Manager. Das will er nun offenbar auch wieder in der Union sein. Er lobt CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet ("gute Performance") und stichelt gegen die Grünen ("Höhenflug gestoppt") - zuletzt war das auch mal andersrum. Aber jetzt will Söder ja alle umarmen. Seine Rivalen, aber auch diejenigen, die ihn für zu grün halten. Er tut das nicht etwa, indem er vom Klimaschutz abrückt. Sondern indem er den Klimaschutz zur "sozialen Frage" erklärt und die Delegierten subtil bei ihrer Ehre packt und elegant auf seine Seite zieht. Das Soziale gehört ja zum Markenkern der CSU. Anders die Grünen, sagt Söder, die den Klimaschutz zum "Projekt der Elite" machten - was vom Wortlaut her der Kampflinie entspricht, auf die sich CDU und CSU gegen die Grünen verständigt haben.

Auf sanfte Konfrontation mit der Union geht Söder nur bei der Mütterrente, die es nicht ins gemeinsame Wahlprogramm geschafft hat. Die CSU fordert den vollen Rentensatz für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Der CDU ist das zu teuer. In Nürnberg sagt Söder, dass seine Partei "hart" bleiben werde. Die Mütterrente sei "Bedingung für den Koalitionsvertrag" und wird sich im separaten Wahlprogramm finden, das die CSU im Juli präsentieren will. Es soll vor allem Landwirtschaft, Handel, Hotellerie und Gastronomie ansprechen - und nebenbei jene befrieden, die finden, dass Söder sich nicht genug um diese Bereiche kümmert, die viele in der Partei zu den Stammwählern der CSU zählen. Seinen behutsamen Widerspruch verpackt Söder in Nürnberg wohl bewusst in eine Randbemerkung. "Übrigens", sagt er, "die meisten Stammwähler von uns sind Frauen, auch wenn das nicht jeder so sieht."

Wenn man so will, zieht die CSU also in den Wahlkampf, wie sie es immer getan hat: mit dem Anspruch einer Volkspartei, die möglichst alle Milieus irgendwie ansprechen will - und möglichst niemanden abschrecken. In Nürnberg tut der Parteichef auch gar nicht so, als zeichne sich das eigene Programm durch maximale Tiefe aus. "Wir sind keine Programmpartei bis ins Letzte", sagt Söder am Ende seiner Rede. Der Beifall fällt freundlich aus, doch das ist kein Maßstab an diesem Samstag, der mit einer Schweigeminute für die Opfer der Messerattacke in Würzburg begonnen hat. Auch sonst ist es leiser als man das gewöhnt ist bei der CSU.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Dass es Söder vorläufig gelungen ist, die Reihen in der CSU zu schließen, zeigt sich vor allem daran, dass hinterher selbst diejenigen zufrieden sind, die ihren Parteichef vorher kritisiert hatten. Ein weiteres Indiz sind die fast 90 Prozent der Stimmen, mit denen die Delegierten sich für die paritätische Liste aussprechen. Die Abstimmung geht so glatt und geräuschlos über die Bühne, dass man sie kaum bemerkt. Auch die Wahl von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Digitalstaatsministerin Dorothee Bär auf Platz eins und zwei der Liste fällt ordentlich aus. 93 Prozent. Wobei das Ergebnis für Bär womöglich schwächer gewesen wäre, hätte die Regie eine gesonderte Abstimmung über Platz eins und zwei der Liste vorgesehen. Beim Parteitag 2019 war Bär mit nur knapp 72 Prozent zur Parteivize gewählt worden.

Dass Söder nicht selbst an der Spitze der Liste steht, als Kanzlerkandidat, belastet ihn nach eigenen Aussagen nicht mehr. "Ein paar Tage Enttäuschung" habe es gegeben. Inzwischen, sagt er, sei er "froh, dass ich dableiben kann".

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFußball-EM
:Die CSU unterm Regenbogen

2018 wurde Viktor Orbán von der CSU noch hofiert. Parteichef Markus Söder aber unterstützt nun den Protest gegen die homophobe Politik Ungarns. Wen möchte er strahlen lassen: Die Arena oder sich selbst?

Von Andreas Glas

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: