Corona-Politik:Im Süden wohnen die Impfmuffel

Lesezeit: 3 min

Obwohl die Impfkampagne bereits große Erfolge erzielt hat, tun sich viele Menschen immer noch mit dem Gedanken an den Piks schwer - vor allem im wohlhabenden Alpenvorland gibt es Skeptiker.

Von Florian Fuchs, Matthias Köpf und Christian Sebald, München

Dass die Impfungen wirken, lässt sich etwa an Bayerns Alten- und Pflegeheimen erkennen. In denen waren laut Gesundheitsministerium Anfang des Jahres mehr als 7500 Menschen gleichzeitig mit Corona infiziert. Einige von ihnen sind seither an oder mit dem Virus gestorben, die anderen gelten als genesen und darum vergleichsweise gut gegen Neuinfektionen geschützt. Dass sich die Corona-Infektionen in den Heimen mit ihren rund 150 000 Bewohnern zuletzt an nur einer Hand abzählen ließen, lässt sich aber kaum anders erklären als mit den schwerpunktmäßigen Impfungen. "Unsere Impfkampagne ist erfolgreich", erklärt denn auch Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Doch wo es anfangs an Impfstoff fehlte, mangelt es inzwischen an Impfwilligen. Besonders im Süden des Landes ist die Impfskepsis auch jenseits von Corona weit verbreitet.

Denn ganz egal ob Masern oder Meningokokken: Bei den Impfungen im Schulkind-Alter bleibt Bayern seit vielen Jahren hinter den Impfquoten anderer Bundesländer zurück. Innerhalb Bayerns wiederum gibt es ebenfalls ein Nord-Süd-Gefälle. In Landkreisen wie Rosenheim, Garmisch-Partenkirchen oder Weilheim-Schongau lagen die Impfquoten laut Untersuchungen aus den vergangenen Jahren oft noch deutlich unter dem Landesschnitt. Dies geht aus den Schuleingangsuntersuchungen hervor, die dafür die verlässlichste und oft genug einzige Datenquelle darstellen. Die erwachsenen Bayern liegen bei den bundesweit empfohlenen Impfungen laut einem Überblick der Kassenärztlichen Vereinigungen ebenfalls unter dem Schnitt.

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Ein ähnlicher Eindruck drängt sich nun auch bei den Corona-Impfungen auf. So haben im Kreis Oberallgäu und der Stadt Kempten Stand Freitag erst 45,7 Prozent der Bevölkerung eine Erstimpfung bekommen und 34,2 Prozent ihre Zweitimpfung. Bis Montag dürften beide Quoten um einen halben Prozentpunkt gestiegen sein, aber selbst damit liegt die Region mehrere Prozentpunkte unter dem landesweiten Schnitt von 54,4 Prozent Erstimpfungen, mit dem wiederum Bayern im letzten Drittel aller Bundesländer rangiert. Mit 38,2 Prozent bei den Zweitimpfungen schafft es der Freistaat auf Rang sieben.

Zu diesen mäßigen Zahlen tragen auch die Stadt und der Landkreis Rosenheim sowie das Ostallgäu bei. Die Region Rosenheim erreichte am Montag bei den Erstimpfungen 48,7 und bei den Zweitimpfungen 35,1 Prozent. Im Ostallgäu zählte man Stand Freitag 48,2 Prozent Erstimpfungen und 34,9 Prozent Zweitimpfungen. Ganz anders in Stadt und Landkreis Hof. Sie waren wie große Teile Oberfrankens und der Oberpfalz mit voller Wucht von der dritten Corona-Welle getroffen worden und setzten früh alles daran, die Bevölkerung rasch durchzuimpfen. Im Hofer Land stieg die Quote der Erstimpfungen am Montag auf fast 63 Prozent, die der Zweitimpfungen auf etwas über 51 Prozent. Nun sollen dort alle weiterführenden Schulen ihre Schüler über Impfangebote für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren informieren.

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Wer dagegen nach Gründen für die niedrigen Quoten im Süden fragt, hört im Fall von Corona viel über anfänglich ausbleibende Impfstoffe und über die zeitweise Bevorzugung anderer Regionen bei Sonderkontingenten. Als Gründe für die inzwischen spürbar nachlassende Impfbereitschaft gegen Corona gelten sinkende Inzidenzen und teils auch die nahenden Ferien. Was aber die generell seit Jahren auffällig niedrige und trotz aller staatlichen Kampagnen nur sehr langsam ansteigende Impfbereitschaft in Bayerns südlichsten Regionen betrifft, bleibt vieles Spekulation. Manche Mediziner berichten von einer überlieferten bäuerlichen Skepsis gegenüber der modernen Medizin, andere von allerlei abratenden Heilern verschiedenster Qualifikationen sowie von vielen gut ausgebildeten und verdienenden Menschen, die sich nicht auf Autoritäten in Weiß verlassen wollen, sondern lieber erst einmal selbst im Internet recherchieren. Dort stoßen sie dann nach wenigen Klicks auf die Seiten von sehr sendungsbewussten Skeptikern oder von jenen Kritikern, die sich den Kampf gegen das Impfen zur Aufgabe und zum Geschäftsmodell gemacht haben.

Im Kreis der hart gesottenen Impfkritiker landet man aber schnell wieder bei "Querdenkern" und anderen Demonstranten, die in der Vergangenheit bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen aufgefallen sind. Vom "pharmaziegesteuerten Gesundheitssystem" war da ein ums andere Mal zu lesen. Prominente Figuren der Szene kommen aus Oberbayern, gegen einen Arzt aus Kaufering etwa wurde im Frühjahr zeitweise ein Berufsverbot verhängt, weil er 4500 falsche Atteste zur Umgehung der Maskenpflicht ausgestellt hatte. Seine Konten wurden gepfändet. Daneben hat der Ärztliche Bezirksverband noch eine ganze Handvoll einschlägiger standesrechtlicher Verfahren gegen einzelne Ärzte laufen. Im Allgäu gibt es Anwälte, die Eltern halfen, gegen die Maskenpflicht im Unterricht vorzugehen. Das Vertrauen in Impfungen wird durch solche Proteste, Prozesse und falsche Atteste nicht größer.

© SZ vom 06.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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