Corona-Beschränkungen:Zum Feiern nach Österreich

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Inzwischen sind es mehr als 460 Tage, dass Clubs und Diskotheken in Bayern geschlossen sind. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Während in Bayern die Diskotheken noch geschlossen haben, wird im Nachbarland schon wieder Party gemacht. Das stinkt den Clubbesitzern.

Von Johann Osel, München

Vor einer Diskothek in Oberndorf nahe Salzburg ist es dieser Tage zu einer wilden Prügelei gekommen. Ein Österreicher geriet mit einem Mann aus Laufen aneinander, dem oberbayerischen Grenzort zu Oberndorf, einmal die Brücke rüber. Und auch Polizeiberichte über das Nachtleben in der Salzburger Altstadt sind seit Kurzem wieder häufiger bestückt mit Protagonisten aus Bayern, jungen Leuten aus dem nahen Berchtesgadener Land oder dem Landkreis Traunstein.

Es gibt keine Zählung von Grenzgängern, die im Nachbarland derzeit das tun, was in Bayern nach wie vor verboten ist: Party machen, tanzen, trinken. Aber bereits die Häufung solcher Vorfälle gibt Anhaltspunkte. Lohnenswert ist auch der Blick auf die Seiten von Clubs wie im oberösterreichischen Schärding im Netz. Die freudigen "Likes" für die jüngste Öffnung der Etablissements kommen zuhauf aus Passau, Hauzenberg, Rotthalmünster oder Pocking. Kleiner Grenzverkehr im Tanzschritt sozusagen.

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Anfang Juli durfte in Österreich das Nachtleben mit Diskotheken und Clubs wieder öffnen. In Bayern fehlt weiterhin eine Perspektive für den Teil der Gastronomiebranche, ebenso für rein getränkeorientierte Bars. Dass junge Leute jenseits der Grenze ausgehen - "das ist unbestritten so, und es ist absurd", sagt Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga.

Die Dauer, in denen die Einrichtungen im Freistaat dicht sind, nähert sich schon bald der 500-Tage-Marke - trotz vieler Debatten seit dem Sinken der Inzidenzen, den Wehklagen aus der Branche und dem regelmäßigen Ärger über eskalierende Freiluft-Feiern von Jugendlichen in Städten. Die Frage sei ja nicht, ob die jungen Menschen feiern, meint Geppert. Sondern die Frage sei: Wolle man "das irgendwo in einem ungeschützten Raum ohne jegliche Auflage und Nachverfolgbarkeit hinnehmen oder bietet man sichere Bereiche".

Die kontrollierte Öffnung des Nachtlebens hält sein Verband für unabdingbar. Das sei zunächst für Geimpfte, Genesene und Getestete denkbar und mit reduzierter Kapazität. In Österreich liege die Vorgabe bei 75 Prozent Auslastung - so hoch müsse es gar nicht sein im ersten Schritt.

"Lasst die Leute auch bei uns endlich wieder auf die Tanzflächen und an die Bars", fordert auch der FDP-Abgeordnete Albert Duin, wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er verweist ebenfalls auf Österreich: Es könne nicht sein, dass Nachtschwärmer zum Feiern nach Österreich fahren müssten, weil Bars, Clubs und Discotheken "von der bayerischen Staatsregierung ignoriert werden". Unter Hygienevorkehrungen sei "die Nachtgastronomie nicht gefährlicher als eine voll besetzte Sporthalle oder eine private Feier". Auch er findet, man müsse "nicht gleich wie in Österreich jede Tanzfläche rappelvoll machen". Gefragt sei Eigenverantwortung, "wieder Mut zum Leben". So hatte die FDP jüngst einen Dringlichkeitsantrag betitelt.

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Dass Diskotheken und klassische Nachtgastronomie in Bayern als Letzte beim Öffnen an der Reihe sind, hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Laufe der Pandemie häufiger angekündigt. Jetzt sind sie tatsächlich so ziemlich die Letzten. Das Gesundheitsministerium verwies kürzlich darauf, dass in den Betrieben "besonders hohe Risiken von Infektionsübertragungen" herrschten, zum Beispiel "vermehrt Aerosole" beim Tanzen oder die schwierige Einhaltung von Abständen, zumal unter Alkoholeinfluss.

Nach dem Kabinett vergangene Woche signalisierte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), dass er sich für das Nachtleben Perspektiven erhofft hätte, was aber intern nicht durchsetzbar gewesen sei. Man sei sich hier, so Aiwanger, "noch nicht ganz einig. Schauen wir, was in den nächsten Wochen, in den nächsten Monaten kommt". Vor allem das Wort "Monate" dürfte Branche und Partygängern eine Schrecksekunde beschert haben.

Vergangenes Jahr war es ähnlich: Hier noch alles dicht, dort "steppte der Bär"

Die Staatsregierung hat zuletzt auch darauf verwiesen, dass in den Hauptzielgruppen naturgemäß wenig Geimpfte zu finden seien. Geppert zeigt sich verwundert über diese "Änderung der Spielregeln": Stets sei es bei Maßnahmen um die Inzidenz gegangen. Jetzt, wo die Zahlen so niedrig seien, komme plötzlich "der neue Faktor der Impfquote" aufs Tapet. "Das passt nicht zusammen" - angefangen beim Beispiel von Tanzlokalen mit reiferem Publikum.

Generell kann die kontrollierte Öffnung in seinen Augen aber "Anreiz" im Sinne der Pandemiebekämpfung sein - damit sich Leute freiwillig immunisieren lassen oder Corona-Tests unterziehen. Nicht zuletzt gehe es um wirtschaftliche Existenzen - "man wird sehen müssen, wer irgendwann überhaupt wieder aufmacht". An diesem Dienstag tagt der Ministerrat erneut.

Die Ausweichoption Österreich erinnert übrigens an den Sommer 2020. Auch damals war man im Nachbarland bei Öffnungen früh dran. Während hierzulande die Einrichtungen dicht waren, "steppt in Österreich zum Teil schon wieder der Bär", notierte damals die Passauer Neue Presse. Sogar von Unmut in der österreichischen Politik über einen ausufernden "Partytourismus" wurde berichtet.

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In der bayerischen Szene versucht man derweil, sich bei den Gästen in Erinnerung zu halten, mit Live-Streams oder kuriosen Ideen. Wie gerade in Augsburg beim Projekt "Art Club", von diesem Donnerstag an. Galerien nutzen dabei leer stehende Tanzclubs, um dort bildende Kunst auszustellen. Zugleich schicken Clubs ihre besten DJs in örtliche Museen. Es solle, so die Macher, ein "Zitat aus Prä-Corona-Zeiten" sein.

© SZ vom 06.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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