Politik in Bayern:"Kindergartenarbeit" und "Intrigen" - Vorstandsmitglied verlässt die AfD

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Jürgen Steinhäuser war Mitglied des Landesvorstands der AfD. (Foto: Niels P. Joergensen)

Jürgen Steinhäuser legt alle Ämter nieder und tritt aus der Partei aus - weil er offenbar verärgert über deren Kurs in der Corona-Krise ist. Für seine ehemaligen Parteikollegen findet er harsche Worte.

Von Johann Osel, München

Ein Mitglied des Landesvorstands der AfD hat alle Ämter niedergelegt und ist aus der Partei ausgetreten - offenbar auch im Disput über den richtigen Umgang mit der Corona-Krise. Jürgen Steinhäuser, seit Herbst Beisitzer mit Zuständigkeit unter anderem für die Arbeit in sozialen Medien, erklärte den Rückzug in einem Brief an Bundesgeschäftsstelle, Landesvorstand und seinen Kreisverband Dachau, in dem er auch Funktionär war. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Er selbst ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Das Fazit seiner Amtszeit und Mitgliedschaft (er war erst 2018 eingetreten) sei "ernüchternd". So beschäftige sich der Landesvorstand vor allem mit Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder, "Kindergartenarbeit" sowie "Machtkämpfen und Intrigen" statt mit Sacharbeit: "Wir kümmern uns nicht um die Menschen in diesem Land. Wir kümmern uns um die Befindlichkeiten einzelner Mitglieder. Wir streiten im Großen wie auch im Kleinen weiter (...). Das ist einfach nur peinlich." In einer Partei der "Besserwisser, Querulanten und Nörgler, Karriere- und Postengeilen" wolle er sich nicht mehr engagieren - und auch nicht in einer Partei mit "politisch Radikalen".

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Solange sich Leute wie Björn Höcke oder Andreas Kalbitz in der AfD befänden, schrieb er mit Blick auf die Anführer des inzwischen offiziell aufgelösten rechtsradikalen "Flügels", werde sich die öffentliche Meinung über die AfD kaum ändern, "das merke ich an jeder Hausecke". Nach SZ-Informationen soll Steinhäuser auch über die anfängliche Zurückhaltung der AfD in der Corona-Krise unglücklich gewesen sein.

Der Unternehmer plädierte Parteikreisen zufolge frühzeitig für die Aufhebung aller Corona-Maßnahmen, hält das Virus für überschätzt und ist in der Szene der jüngsten Proteste aktiv; nicht immer in Abgrenzung zu Verschwörungstheoretikern. Explizit getadelt wird im Brief aber der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller, einer der Vize-Chefs der Bayern-AfD. Es sei "unfassbar", wie sich ein Parlamentarier derart "daneben benehmen kann". Müller hatte die Pandemie etwa als "Staatsstreich" bezeichnet; er verfolgt zudem die Idee einer "Querfront" - wie sie in der Weimarer Republik für die Zersetzung der Demokratie von links wie rechts propagiert wurde. Müller, so Steinhäuser, "dreht völlig durch".

Um ihren Corona-Kurs hatte die AfD in der Partei wie Landtagsfraktion hart gerungen, bestätigte der Landtagsabgeordnete Gerd Mannes, ebenfalls Landes-Vize, auf SZ-Anfrage: "Doch der Kurs steht nun klar fest: die Wirtschaft sofort wieder hochfahren und für die Bürgerrechte eintreten." Von Radikalen will man sich fernhalten, was gerade in der Gemengelage der Corona-Demonstrationen sowie durch die vielfältige Mitgliederschaft und Sympathisantenkreise der AfD offensichtlich nicht so einfach ist. Mannes bedauerte den Austritt des Vorstandsmitglieds, man verliere damit "Arbeitskraft". Steinhäuser habe sich womöglich die kleinteilige Gremienarbeit mit sachlichen Debatten, "aber auch mal Spannungen" anders vorgestellt. Dass die bayerische AfD-Führung ein zerstrittener Haufen sei, treffe nicht zu.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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