Dem bayerischen AfD-Abgeordneten Daniel Halemba droht abermals der Rauswurf aus seiner Partei. Der AfD-Bundesvorstand lässt ein entsprechendes Parteiausschlussverfahren gegen Halemba vorbereiten. Darüber berichtete zuerst der Bayerische Rundfunk. Ein Parteisprecher bestätigte auf Anfrage der SZ, dass der Antrag dem Bundesvorstand am kommenden Montag unterschriftsreif vorliegen soll. Das mögliche Ausschlussverfahren selbst dürfte mit Anhörungen und Einsprüchen aber länger dauern, bis zu zwei Jahre. Welche Gründe der Bundesvorstand genau vorbringen will, wurde zunächst nicht bekannt. Am Mittwoch beschäftigte sich auch die Fraktion im Landtag in einer Sitzung mit Halemba, den Vorwürfen gegen ihn und womöglich mit seiner Zukunft in der AfD.
Gegen den 22-jährigen Abgeordneten, der seit Oktober 2023 im Parlament sitzt, ermittelt die Staatsanwaltschaft Würzburg seit Längerem wegen mutmaßlicher Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; dabei geht es vor allem um Funde von rechtsextremen Propaganda-Artikeln und nationalsozialistischen Devotionalien bei einer Razzia im Verbindungshaus der Würzburger Burschenschaft Teutonia, deren Mitglied der AfD-Politiker ist. Ende vergangener Woche wurde darüber hinaus bekannt, dass es auch Ermittlungen wegen Verdachts der Geldwäsche, gemeinschaftlicher Nötigung und Sachbeschädigung gibt. Halemba soll Geld eines Bekannten, der einen Fake-Internetshop betreibt, angelegt und dafür eine Provision bekommen haben. Zudem soll er, unabhängig davon, unter anderem einen Zeugen bedroht haben.
Die Staatsanwaltschaft will die Verfahren offenbar gebündelt zur Anklage bringen. Dafür wurde zunächst im Rechtsausschuss des Landtags die Immunität des Abgeordneten erneut aufgehoben. Eben dadurch wurde überhaupt bekannt, dass die Ermittlungsakte Halemba noch dicker ist als zuvor angenommen.
Vorwürfe gegen Halemba gab es außerdem im Zusammenhang mit seiner Kür zum Landtagskandidaten in Unterfranken. Er soll von Unregelmäßigkeiten bei Aufstellungsversammlungen profitiert haben, konkret geht es um Scheinwohnsitze von AfD-Mitgliedern, die für ihn gestimmt hatten. Strafrechtlich war dies nicht relevant, hatte aber innerhalb der AfD, die sich gern als Partei von Recht und Ordnung inszeniert, die größten Wellen geschlagen. AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel sagte zu diesen Vorwürfen im Januar: Für den Bundesvorstand sei es "völlig klar", dass Halemba nicht in der AfD Mitglied bleiben könne. Die Bayern-AfD war der geforderten Einleitung eines Parteiausschlusses aber nicht prompt gefolgt. Der Landesvorstand rund um den Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka hatte Rechtsgutachten zur Causa eingeholt und sich für mildere Maßnahmen entschieden - unter anderem für eine zeitlich befristete Parteiämter-Sperre für Halemba.
Das zögerliche Vorgehen der bayerischen Ebene damals könnte nun der Anlass dafür sein, dass der Bundesvorstand ein Verfahren zum Parteiausschluss selbst in die Hand nimmt und nicht wie zuvor delegiert. In Parteikreisen hält man die dazugekommenen Vorwürfe - Stichwort Geldwäsche - gar nicht zwingend für den Auslöser für diesen Schritt in Berlin; demnach habe sich seit geraumer Zeit Druck aus der Partei angestaut, endlich zu handeln. Die Ursprungsermittlungen wegen Volksverhetzung spielen bei vergleichsweise gemäßigten AfD-Mitgliedern letztlich die wichtigste Rolle. Teile der AfD befürchten, dass Leute wie Halemba in den eigenen Reihen "Munition" für ein denkbares Parteiverbot liefern und erhoffte bürgerliche Wählerpotenziale verschrecken.
Nach Volksverhetzung:Weitere Vorwürfe gegen Halemba
Geldwäsche, Nötigung und Sachbeschädigung: Die Ermittlungsakte gegen den 22-jährigen Abgeordneten der AfD wird immer länger. Er selbst sieht sich als unschuldig.
Halemba selbst hatte am Freitag nach Bekanntwerden der weiteren Ermittlungen mitgeteilt, er sei "der festen Überzeugung, dass ich mich nicht strafbar gemacht habe". Sollte eine Anklage erfolgen, sei er zuversichtlich auf eine Einstellung des Verfahrens oder Freispruch. Leider sei er, sagte er zum Geldwäschevorwurf, "unter Ausnutzung meiner Gutmütigkeit getäuscht" worden, etwaige Schäden werde er vollständig begleichen. Die Vorwürfe wie Nötigung entbehrten jeder Substanz. Zum Wochenbeginn teilte er außerdem mit, selbst Strafanzeige gestellt zu haben - gegen eine Staatsanwältin und eine Kriminalpolizistin wegen "gemeinschaftlicher Nötigung im Amt". Ein in puncto Volksverhetzung Mitbeschuldigter, den er genötigt haben soll, bestreite eben dies - und der Mann sei wiederum bei dessen Vernehmung durch Androhungen zu einer Aussage gedrängt worden.
Auf einem AfD-Landesparteitag in Greding im Januar wurde Halemba von einer Mehrheit der anwesenden Mitglieder dazu aufgefordert, sein Mandat niederzulegen; hier ging es zuvorderst um den Schmu bei der Kandidatenaufstellung. Dem Antrag des Parteitags war Halemba aber nicht nachgekommen, auch in der Fraktion gab es bislang keine Konsequenzen für irgendeinen der zahlreichen Vorwürfe. Die AfD-Fraktion hatte das Thema Halemba eigentlich schon abgeräumt. Im Lichte der neuen Ermittlungen forderte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner schnellstmögliche und vollständige Aufklärung von Halemba: "Sollten die Vorwürfe nicht entkräftet werden können, so stehen harte Konsequenzen im Raum", teilte sie vor einigen Tagen auf Anfrage der SZ mit.
An diesem Mittwoch sollte sich Halemba gegenüber der Fraktionsgemeinschaft "erklären". Die Rede war von einer "Anhörung", jeder Abgeordnete dürfe Halemba Fragen stellen zu den Vorkommnissen. Irgendeine Art von Abstimmung, zum Beispiel über einen Rauswurf aus der Fraktion, gab es allerdings nicht.
Vorerst keine öffentlichen Auftritte als Fraktionsmitglied mehr
Nach der Sitzung, die bis zum Abend dauerte, teilte Ebner-Steiner mit: Halemba habe gegenüber dem Fraktionsvorstand erklärt, dass er bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens auf sämtliche Auftritte im Plenum, in den Ausschüssen und auch auf alle anderen öffentlichen Aktivitäten als Fraktionsmitglied verzichten werde. Auch etwa seine Mitgliedschaft im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden gebe er ab. Damit solle eine konstruktive Arbeit und Ruhe in der Fraktion unterstützt werden, hieß es. Aber: "Für ihn und auch für uns stellen seine umsichtigen Maßnahmen keinerlei Schuldeingeständnis dar", so Ebner-Steiner. Man halte bis zum Abschluss des Verfahrens "an der Unschuldsvermutung als Grundprinzip unseres Rechtsstaates" fest.
Bei der Landtagswahl 2023 lag die AfD 0,2 Prozentpunkte vor den Grünen. Sie ist seitdem Oppositionsführerin und darf etwa auf Regierungserklärungen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) direkt kontern. Grüne und AfD haben aber exakt gleich viele Mandate, 32 nämlich. Bereits ein verlorener Sitz - wie durch Austritt oder Ausschluss aus der Fraktion - würde also den Grünen die Oppositionsführung bringen.