Bayerische Alpen:Immer mehr Wintersportler zieht es abseits der Pisten in die Berge

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Schneeschuhwandern und Skitouren werden beliebter. Für den Deutschen Alpenverein und Naturschützer ist diese Entwicklung Freude und Herausforderung zugleich.

Von Isabel Meixner

Es gibt diese Tage, an denen man sich unweigerlich in den Winter verliebt. An denen der Schnee unter den Schuhen knirscht und Raureifkristalle in der Sonne um die Wetter funkeln. "Ist das nicht ein Traum?", fragt DAV-Tourenleiterin Angelika Sulzer und stapft mit ihren Schneeschuhen voraus, dass der Pulverschnee nur so aufstaubt. Die Schönfeldhütte oberhalb des Spitzingsees, im Winter bei Schneeschuhgängern wie Skitourengehern gleichermaßen beliebt, ist das Ziel. Für letztere ist besonders reizvoll, nach dem Aufstieg auf der fast menschenleeren Piste ins Tal zu wedeln. Andere, und das sind nicht nur Ski-Abstinenzler, bevorzugen dagegen Schneeschuhe. Warum? "Das Schöne daran ist, dass man mehr Zeit hat", sagt Sulzer und biegt mit ihrer Gruppe von der Skipiste ab in ein Waldstück.

Es stimmt schon: Anders als für Skitourengeher ist es für Schneeschuhwanderer nicht so wichtig, einen unbefahrenen Hang vorzufinden. Und sie haben Zeit, auch bergab auf all die Schönheiten zu achten, welche die Natur im Winter bereit hält. Diese Entschleunigung macht die Sportart immer attraktiver: Der Deutsche Alpenverein zählt allein unter seinen Mitgliedern 200 000 Schneeschuhgeher, das sind zweieinhalb Mal so viele wie noch vor zehn Jahren - etwa jedes fünfte Mitglied. Gemeinsam mit den Skitourengehern drückt also eine große Gruppe in die heimischen Berge, deren Ziel es ist, die Alpen jenseits des massenhaften Pistentourismus ganz ursprünglich zu erleben.

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Für den DAV ist diese Entwicklung Freude und Aufgabe zugleich. Denn mit den Massen kommen die Probleme. Auf der Suche nach Tiefschnee und Einsamkeit am Berg dringen Wintersportler auch in Gebiete vor, in denen sich seltene Tierarten wie Raufußhühner oder Schneehasen zur Winterruhe zurückgezogen haben. Werden sie aufgeschreckt und müssen fliehen, verlieren sie viel Energie, was im schlimmsten Fall zu ihrem Tod führen kann. Beim Alpenverein arbeitet man daher seit ein paar Jahren gemeinsam mit dem Bayerischen Umweltministerium und lokalen Organisationen daran, neue Karten für die bayerischen Berge herauszugeben.

Darin sind auch Schneeschuhrouten eingezeichnet, die nicht nur Wald-Wild-Schongebiete aussparen, sondern auch durch attraktive Landschaft führen und Hänge meiden, die stark lawinengefährdet sind. Die Hälfte der bayerischen Berge habe man schon abgedeckt, sagt Manfred Scheuermann, im DAV zuständig für Natur- und Umweltschutzthemen. Für das Allgäu, das Ammer- und Estergebirge sowie das Karwendel und die Tegernseer Berge wurden bereits naturverträgliche Schneeschuhtouren ausgearbeitet, das Zugspitzmassiv und der Bereich östlich des Tegernsees bis Reit im Winkl fehlen noch.

Die Aufstiegsroute hinauf zur Schönfeldhütte verläuft auf der früheren Piste der Taubensteinbahn. Die ist inzwischen im Winter geschlossen, aus Rentabilitätsgründen. Der Pistentourismus hat sich längst zum Sudelfeld und Brauneck verlagert, wo Schneekanonen die Lifte auch in schneearmen Wintern auslasten. Sich entlang der Piste oberhalb der Taubensteinbahn zu orientieren, ist nicht schwierig. Was aber, wenn es bei anderen Touren keine Piste, keine Schilder und keine rot-weißen Markierungen gibt, wie man sie vom sommerlichen Bergwandern gewohnt ist? "Das Wichtigste ist eine gute Tourenvorbereitung", sagt Angelika Sulzer.

Und das Achten auf die Bedingungen am Berg selbst. Denn es genügt nicht, nur den Lawinenlagebericht vor dem Start zu lesen und steile Hänge zu meiden: Sonneneinstrahlung, Temperaturen und Winde können die Lawinengefahr innerhalb weniger Stunden stark ansteigen lassen. Angelika Sulzer deutet auf den Hang hinter der Schönfeldhütte. Eigentlich wirkt er nicht allzu steil, "bei Lawinenwarnstufe eins hätte ich überhaupt kein Problem damit, in den Hang reinzugehen".

Allerdings hängt direkt unterhalb des Wilden Fräuleins eine meterhohe Schneewechte. Der Sturm hat sie dort aufgetürmt und viel lockeren Schnee in den Hang geblasen. "Würden wir da reingehen, würden wir mit ziemlicher Sicherheit ein Schneebrett auslösen." Das Beispiel zeigt: In der Karte kann ein Hang harmlos wirken - und in der Realität dennoch hochgefährlich sein.

Ein paar Meter weiter kann die Neuschneewelt schon wieder ganz anders aussehen. Bergführer Winfried Kurzeder hat einen sonnigen Abhang ausgesucht, der noch unbefahren ist. Er deutet nach unten. Bis zum Waldrand will er mit seiner Gruppe mit den Schneeschuhen rennen. Durch den Tiefschnee. Ein paar zögern, doch dann stürzen sich alle hinab. Manche laufen vorsichtiger, andere rutschen aus, fallen hin, der Pulverschnee staubt auf. Weh tut sich keiner. Warum auch? Es liegt genug Schnee. Und im Gegensatz zum Pistentourismus muss keiner Angst haben, dass jemand von hinten angerast kommt.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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