Prozess in Bamberg:Mönch muss nach Freispruch erneut vor Gericht

Lesezeit: 3 min

Der Benediktiner Abraham Sauer aus dem Kloster Münsterschwarzach hatte einem abgelehnten Flüchtling Kirchenasyl gewährt. Im vergangenen Jahr wurde er freigesprochen, jetzt beschäftigt sich die nächste Instanz mit dem Thema. Wieso?

Von Angelika Resenhoeft /dpa, Bamberg

Zehn Monate nach dem überraschenden Freispruch des Benediktinermönchs Abraham Sauer wegen Gewährung von Kirchenasyl beschäftigt sich die nächste Instanz mit dem heiklen Thema. Bei der Revisionsverhandlung an diesem Freitag vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht in Bamberg geht es allerdings nicht mehr explizit um den Sachverhalt, sondern darum, ob die rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Urteils in Ordnung war. "Es wird ein Einzelfall entschieden", sagte Gerichtssprecher Stefan Tratz und dämpfte zugleich Erwartungen, das Urteil sei auf andere derartige Fälle eins zu eins übertragbar.

Im vergangenen April hatte das Amtsgericht Kitzingen festgestellt, dass Kirchenasyl für einen abgelehnten Flüchtling rechtswidrig und damit eine Straftat sei. Dennoch hatte die Richterin den angeklagten Mönch freigesprochen, weil seine individuellen Grundrechte der Glaubens- und Gewissensfreiheit in diesem Fall schwerer wögen als das Strafmonopol des Staates.

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"Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich dabei um das erste freisprechende Urteil in einem Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasyl in Bayern", teilte ein Sprecher des Justizministeriums in München mit. "Die Entscheidung von Kitzingen war etwas Besonderes", sagte auch Franz Bethäuser, der Verteidiger des angeklagten 50-Jährigen.

Die Benediktinerabtei Münsterschwarzach liegt im Landkreis Kitzingen (Foto: Imago Images)

Die Staatsanwaltschaft Würzburg warf dem Ordensbruder der Benediktinerabtei Münsterschwarzach (Landkreis Kitzingen) vor dem Amtsgericht Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ohne erforderliche Aufenthaltstitel vor. Der angeklagte Sauer hatte im August 2020 einem im Gazastreifen geborenen Mann Kirchenasyl gewährt, obwohl dieser in das EU-Land Rumänien abgeschoben werden sollte. "Wenn ich sehe, was manche Menschen erleiden, bin ich bereit, eine Freiheitsstrafe in Kauf zu nehmen", begründete der Benediktiner damals im Verfahren sein Handeln. In Rumänien sei die Menschenrechtssituation prekär. Dort hatte der Flüchtling die Europäische Union zum ersten Mal betreten und sich registriert.

Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren ist dieses Land damit auch für den Asylantrag zuständig. Wird der Betreffende in einem anderen EU-Staat aufgegriffen, kann er also in das Einreiseland zurückgeschickt werden. So soll sichergestellt werden, dass ein Asylantrag nur von einem Mitgliedsstaat geprüft wird.

"Bei der Aufnahme von Flüchtlingen, nicht nur beim Kirchenasyl, geht es um die Werte des Glaubens und den gelebten Glauben. Wo Menschen in Not sind, muss ihnen aus unserer christlichen Verantwortung heraus geholfen werden", erklärte die Abtei Münsterschwarzach ihr Engagement. "Wir nehmen uns hier der Menschen an, die am Rand stehen, die vergessen werden", sagte Sauer nach dem erstinstanzlichen Urteil. "Es geht dabei um die Menschenwürde, um Menschenrechte."

Zum Gerichtsverfahren in Kitzingen kam es, da die Richterin eine Hauptverhandlung für erforderlich hielt und einen von der Staatsanwaltschaft ausgestellten Strafbefehl gegen den Mönch nicht unterschrieben hatte. Gegen den Freispruch des Amtsgerichts war die Anklage dann in Revision gegangen. Nun kommt es zum Prozess in Bamberg. Es ist nur ein Verhandlungstag angesetzt. Die Staatsanwaltschaft hatte in Kitzingen für den Angeklagten eine Geldstrafe von 2400 Euro gefordert.

70 Verfahren wegen Gewährung von Kirchasyl in zwei Jahren

Kirchenasyl ist eine christliche Tradition zur Vermeidung von besonderen humanitären Härten, wie es beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge heißt. Kirchen versuchen damit, aus ihrer Sicht besonders verletzliche und schutzbedürftige Migranten vor einer Abschiebung zu bewahren. "Bei dem Geflüchteten handelt es sich um einen völlig unbescholtenen jungen Mann, von dem keine Gefahr für die innere Sicherheit ausgeht. Das ist sehr wichtig", stellte die Richterin in Kitzingen fest.

Das Katholische Büro Bayern geht derzeit von etwa zwei Dutzend Fällen mit insgesamt etwa 50 Menschen aus, die bei der katholischen Kirche Kirchenasyl erhalten. Die evangelische Landeskirche weiß in ihrem Bereich von 31 Kirchenasylen mit 40 Erwachsenen und elf Kindern. 2020 wurden nach Angaben des Justizministeriums 27 und im vergangenen Jahr 43 Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasyl gegen Kirchenangehörige im Freistaat eingeleitet. In insgesamt sechs der in beiden Jahren eingeleiteten Verfahren sei Anklage erhoben worden. "Keines dieser Verfahren ist bislang rechtskräftig abgeschlossen."

Der Senat am Bayerischen Obersten Landesgericht könnte nach Worten des Gerichtssprechers den Freispruch des Mönches bestätigen oder eine eigene Entscheidung treffen. Rechtsmittel dagegen seien nicht mehr möglich. Würden Rechtsfehler nachgewiesen, könnte der Senat das Verfahren aber auch nach Kitzingen zurückweisen, sagte Tratz.

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