Da sitzt sie, fast unscheinbar. Doch der Blick ist offen, nach vorne gerichtet. Maria, die berühmteste Frau des Christentums, trägt Alltagsklamotten, Pulli über dem Babybauch, graue Schuhe, dunkle Haare. Würde Jesus heute geboren werden, Maria sähe vermutlich so aus. Die katholische Kirche und die Kunst haben aus Maria durch die Jahrhunderte hindurch eine Figur gemacht, die so gar nichts mehr mit der einfachen jungen Frau aus der Bibel gemeinsam hat, die mutig genug war, das Unvorstellbare zu tun, nämlich Gottes Sohn auf die Welt zu bringen. Maria wurde in Gold gekleidet, gekrönt, verklärt, als "Meerstern" und "Maienkönigin" besungen. Das Diözesanmuseum Bamberg wagt mit diesem zeitgenössischen Bild einen Bruch zu den traditionellen Darstellungen.
Und so geht es weiter in der Ausstellung "Frauen.Taten.Werke", die am Samstag eröffnet hat: Das Museum hat zwölf Künstlerinnen beauftragt, sich mit zwölf Frauen aus der Bibel oder aus der Kirchengeschichte auseinanderzusetzen, begleitet wurden sie dabei von Mentorinnen. Entstanden sind Werke, die aufrütteln, hinterfragen - und durchaus auch als Beitrag zur aktuellen Debatte in der katholischen Kirche zu lesen sind.
Die Rolle der Frau wird ja nicht nur beim Synodalen Weg in Deutschland kontrovers diskutiert: Genügen Absichtserklärungen vieler Bischöfe, in ihren Ordinariaten, den Verwaltungsbehörden, Frauen auch in Leitungspositionen einzusetzen? Oder braucht es nicht auch Frauen als Diakoninnen und Pfarrerinnen, also in Weiheämtern? Die Frauengestalten jedenfalls, deren Leben mittels zeitgenössischer Kunst nun im Diözesanmuseum ausgeleuchtet werden, haben sich an den patriarchalen Strukturen des Christentums abgearbeitet, konnten es teils sogar aufbrechen: Kunigunde (um 980 bis 1033) zum Beispiel, die Kaiserin, die mit ihrem Mann Heinrich das Erzbistum Bamberg gründete. "Sie hat Politik gemacht", sagt Museumschefin Carola Marie Schmidt. Kunigunde sei nicht bloß das Anhängsel eines mächtigen Mannes gewesen.
Man wolle zeigen, dass es trotz des patriarchalen Systems auch einen starken weiblichen Traditionsstrang in der Kirchengeschichte gibt, sagt Susanne Grimmer, Referentin für Frauenpastoral im Bamberger Ordinariat. Zusammen mit ihrer Kollegin Anne-Kathrin Eisenbarth schreibt sie im Online-Katalog zur Ausstellung: Was wäre denn eigentlich gewesen, hätten die Frauen über das leere Grab Jesu geschwiegen? Oder wenn Frauen sich durch die Jahrhunderte hindurch nicht in Verkündigung und Caritas engagiert hätten? Maria Magdalena war die Frau, die der Überlieferung nach als Erste Jesus nach dessen Auferstehung begegnete. Eigentlich müsste sie die wichtigste Zeugin der Religionsgemeinschaft sein, spielt jedoch kaum eine Rolle.
Mit ihr setzt sich ein im Wortsinn rahmensprengendes Kunstwerk auseinander - es ist der Garten, in dem sich Jesus und Maria Magdalena begegnet sind. Die Farben verlassen die Leinwand und breiten sich auf die Museumswand aus. Dass einige Diözesanmuseen sich längst nicht nur als Horte sakraler Kunst verstehen, ist bereits vor einigen Monaten in Oberbayern deutlich geworden, als das Museum auf dem Freisinger Domberg mit der Ausstellung "Verdammte Lust - Kirche.Körper.Kunst" sich dem heiklen Thema Kirche und Sex widmete.
Auch das Bamberger Museum wagt durchaus die Kontroverse. Mit der schlicht dargestellten Maria natürlich oder mit einem goldfarbenen Käfig, der für das Leben der Heiligen Elisabeth steht - und auch mit dem Abschluss der Sonderschau, wenn es um die Frau in der Kirche heute geht. Die Grafikdesignerin Nina Knöll schreibt zu ihrer Installation: Hat Gott Mann und Frau nicht "in vollkommener Gleichheit" geschaffen, wie es im Buch Genesis zu lesen ist? "Und schließlich wird Gott es doch wohl wissen, wieso und wozu."