Sondierungen mit der Union:Steuertanz der SPD

Sondierungen mit der Union: Nach einer Stunde verließ SPD-Chef Sigmar Gabriel das Kanzleramt. Am Montag gehen die Sondierungen weiter.

Nach einer Stunde verließ SPD-Chef Sigmar Gabriel das Kanzleramt. Am Montag gehen die Sondierungen weiter.

(Foto: Johannes Eisele/AFP)

Ob Pkw-Maut oder Betreuungsgeld: Strittige Themen gibt es genug vor dem zweiten Sondierungsgespräch zwischen SPD und Union. In der Frage möglicher Steuererhöhungen geht es für Merkel, Seehofer und Gabriel jedoch um Prestige und Glaubwürdigkeit. Was die Lage für SPD-Chef Gabriel erschwert: Seine Genossen sind hier in drei Lager gespalten.

Von Susanne Höll, Berlin

Die Vorentscheidung für eine Regierungsbildung in Deutschland dürfte in der kommenden Woche fallen. Union, SPD und Grüne wollen nach einer zweiten Runde von Sondierungsgesprächen festlegen, mit wem sie konkrete Verhandlungen über eine Koalition aufnehmen. Eine Neuauflage von Schwarz-Rot gilt derzeit als wahrscheinlichste Variante.

Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, trafen sich am Freitag für eine gute Stunde im Kanzleramt, um eine für Montag angesetzte zweite Sondierung zwischen den insgesamt 21 Mitgliedern ihrer Delegationen vorzubereiten. Absprachen wurden zunächst nicht publik, da die drei Parteichefs absolute Vertraulichkeit vereinbart hatten. Dem Vernehmen nach sollte es bei dem Treffen im Kanzleramt lediglich um Ablaufplanung, nicht aber um inhaltliche Fragen gehen.

Strittige Themen gibt es genug zwischen Schwarzen und Roten. Manche wie etwa die Maut oder das Betreuungsgeld sind, gemessen an den Herausforderungen der kommenden vier Jahre - Stichwort Euro-Krise und Bund-Länder-Finanzausgleich -, sozusagen Petitessen. Keine Kleinigkeit ist allerdings das Sujet Steuererhöhungen. Für alle Beteiligten ist dies nicht nur ein sachliches Problem, sondern eine Frage von Glaubwürdigkeit und Prestige.

Seehofer hat per Ehrenwort versichert, dass höhere Steuersätze mit ihm nicht zu machen seien. Die CDU-Chefin muss sich ebenfalls auf ziemlichen Ärger in den eigenen Reihen einstellen, wenn die Abgaben allen Wahlversprechungen zum Trotz doch angehoben werden. Und Gabriel droht Unbill, wenn die Steuern nicht erhöht werden. Die SPD ist in dieser Frage allerdings gespalten - nicht nur in zwei, sondern sogar in drei Fraktionen. Das erklärt auch den politischen Eiertanz, den die sozialdemokratische Partei bei diesem Thema aufführt.

Begonnen hatte dieser Schlingerkurs übrigens schon eine Weile vor der Bundestagswahl. Namhafte Sozialdemokraten beschlich beim Blick auf immer neue Meldungen über Rekord-Steuereinnahmen der durchaus zutreffende Eindruck, dass Forderungen nach Steuererhöhungen kein Wahlkampfschlager sind. Sigmar Gabriel erweckte den Eindruck, die SPD könne im Fall einer Regierungsübernahme bereit sein, auf diesen Punkt zu verzichten. Die eigenen Leute protestierten - und Gabriel musste seine Äußerungen schließlich zurechtrücken.

Mit Argwohn vernahmen etliche Sozialdemokraten dann vor Wochenfrist eine Bemerkung Gabriels, wonach die SPD die Steuern nicht um des Prinzips willen anheben wolle, sondern zur Finanzierung wichtiger Projekte. Damit äußerte er sich auch im Sinne anderer namhafter SPD-Politiker wie etwa Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und seiner Stellvertreter im Parteivorsitz.

Ein Zeichen sozialer Gerechtigkeit

Insbesondere auf dem linken Flügel sieht man das ganz anders. Prompt meldeten sich dessen Vertreter zu Wort, darunter etwa Juso-Chef Sascha Vogt und Berlins SPD-Landeschef Jan Stöß. Die begreifen, wie auch Teile der Basis, höhere Steuern eher als ein Zeichen sozialer Gerechtigkeit denn als profane Geldquelle.

Und dann sind da noch die Finanzminister der SPD in den Ländern. Die haben ihre jeweils eigene Vorstellung über irdische Gerechtigkeit. Sie wollen vor allem Geld, vom Bund wohlgemerkt. Die Länder fürchten sich vor dem Jahr 2019, wenn sie keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Für einige von ihnen, angefangen bei Bremen und dem Saarland, dürfte sich ohne neue Einnahmequellen die Überlebensfrage stellen. Auch unionsregierte Länder hätten gern mehr Geld; Merkel geht es da kaum besser als Gabriel.

Zumindest in einem Punkt sind sich Schwarze und Rote in der Steuerfrage allerdings dem Vernehmen nach einig. Wenn es zu Koalitionsverhandlungen kommen sollte, wolle man aus dem Steuerthema keine Prinzipienfrage machen, die am Anfang oder am Ende der Gespräche entschieden wird. Sondern bei jedem Sachthema soll zugleich auch die Finanzierung geklärt werden, heißt es. Lust auf Grundsatzstreit hat demnach niemand.

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