EU:Kann man die osteuropäischen Länder zur Flüchtlingsquote zwingen?

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Flüchtlinge ruhen sich im bayerischen Deggendorf vor ihrer erkennungsdienstlichen Erfassung aus. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei verweigern eine EU-Quote zur Verteilung von Flüchtlingen.
  • Doch am Dienstag könnten die Befürworter der Quote die Gegner in Brüssel überstimmen - für eine vorläufige Umverteilung.
  • Für eine permanente Regelung müssen EU-Parlament und Ministerrat zusammenarbeiten.

Von Sophie Rohrmeier

Ungarn, Polen und andere EU-Länder müssen vielleicht bald eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen aufnehmen - ob sie wollen oder nicht. Denn die EU-Mitglieder, die für eine verpflichtende Verteilungsquote sind, können die Gegner dazu zwingen. Das könnte schon am kommenden Dienstag in Brüssel passieren. Damit hat jetzt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gedroht.

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Am Dienstag treffen sich die Innenminister aller EU-Länder zum Ministerrat, um erneut über die Frage zu beraten: Wie sollen insgesamt 160 000 Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union aufgeteilt werden?

Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte vorgeschlagen, 120 000 Flüchtlinge aus Ungarn, Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten mit Hilfe von festgelegten Quoten zu verteilen. Kürzlich warb er in seiner Rede zur Lage der Union für Solidarität: "Die Flüchtlinge sind Menschen, das sind keine Zahlen!" Eine Mehrheit der Regierungen stimmt seinem Plan zu. Bereits im Frühjahr hatten sich die Europäer nach langem Streit darauf geeinigt, 40 000 Flüchtlinge auf freiwilliger Basis zu verteilen.

Um die weiteren 120 000 Flüchtlinge zu verteilen, muss nun der Rat der Innenminister zustimmen. Die Entscheidung muss allerdings nicht einstimmig sein. Für den Beschluss ist nur eine qualifizierte Mehrheit nötig, das heißt ein Ja zur Quote von 55 Prozent aller Länder (also derzeit von 16 Ländern), die mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung stellen. Deutschland, Österreich und andere Befürworter der Quote können somit die Gegner der Quote in Osteuropa überstimmen.

Einstimmigkeit ist besser - aber nicht zwingend

Die Frage ist, ob es die luxemburgische Ratspräsidentschaft am Dienstag wirklich darauf ankommen lässt, dass im Ministerrat die Gegner der Quote überstimmt werden. Rechtlich ist das ohne Weiteres möglich. Politisch würde es essenziellen politischen Streit bedeuten.

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Der Kommission will deshalb eine einstimmige Entscheidung. Schließlich soll die EU in dieser wichtigen Frage der Flüchtlingskrise zusammenstehen. "Aber wenn es nicht geht, dann nicht", heißt es aus der deutschen Vertretung der Kommission. Dann werden die Gegner der Quote überstimmt.

Bereits am Donnerstag hat das Europaparlament nach einer Anhörung Ja gesagt zur Verteilungsquote 120 000 Menschen - als vorläufige Maßnahme. Es fehlt also nur noch der Ratsbeschluss am Dienstag. Für eine permanente Regelung der Aufnahme von Flüchtlingen in der EU aber müsste das Parlament gemeinsam mit den EU-Innenministern ein Gesetz schaffen. Das dauert länger.

Dem Rat am Dienstag wird der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn vorsitzen - der auch Migrationsminister ist und deshalb in Brüssel mit den Innenministern am Tisch sitzen wird. Er hat wie Steinmeier bereits angekündigt, dass zur Not die Mehrheitsentscheidung zum Einsatz kommen könne - statt der Einstimmigkeit.

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